Ein Jahr: Bauen und bauen lassen

von Juliane Schader 2. Januar 2012

Ob ungenutzte Bahnhöfe, Schwimmbäder oder Brauereien, in Prenzlauer Berg gibt es viele Brachen zu entwickelt. Neben Eigentümern und Politikern reden dabei auch Bürger gerne mit.

Prenzlauer Berg ist eine Großbaustelle, und das nicht nur, weil in der einen Hälfte des Ortsteils gerade die Straßen aufgerissen werden, um Fernwärme zu verlegen, und in der anderen Hälfte alle Häuser eingerüstet, um die Dachgeschosse auszubauen. Vielmehr geht es wirklich um große Baustellen, die nicht nur bisherige Brachen beseitigen, sondern auch auf die Strukturen der Kieze Einfluss nehmen werden.

Nehmen wir etwa das Stadtbad Oderberger Straße, dem wir ein ganzes Dossier gewidmet haben. Kurz vor Jahresende hat die GLS Sprachschule es gekauft, um die Ruine zu einem Hotel für ihre Schüler sowie einem öffentlichen Schwimmbad umzubauen. Was sicher nicht ohne Folgen für die Dynamik des Kastanienkiezes bleiben wird.

 

Ehemalige Bahnhöfe und Brauereien als Spielwiese der Stadtentwicklung

 

Andere Beispiele sind der Mauerpark (ebenfalls mit einem Dossier bedacht), bei dem sich im nächsten Jahr klären muss, ob und in welcher Form er erweitert wird. Der ehemalige Güterbahnhof an der Greifswalder Straße, auf dessen Gelände eine Schule und ein Park unterkommen könnten. Die einstige Bötzow-Brauerei, wo in Zukunft Kulturstätten, Wohnraum und eine Rollstuhlmanufaktur geschaffen werden sollen. Und natürlich der frühere Rangierbahnhof in Pankow, der zwar zwei U-Bahnstationen nördlich des Prenzlauer Bergs zu finden ist, aber mit seinen geplanten zwei Möbelhäusern und dem Einkaufszentrum weit über sein direktes Umfeld hinaus Kunden anlocken dürfte. Nur an der Wohnanlage an der Belforter Straße, da soll sich nichts ändern. Eine Blockrandbebauung, wie sie der Grundstücksinhaber plant, sorge für eine zu starke Verdichtung, sagen die Bezirkspolitiker. Ob sie das wirklich entscheiden dürfen, klären gerade die Gerichte.

Überhaupt, die Politiker und die Stadtentwicklung. Vor der Wahl im September haben uns alle Parteien noch einmal ausführlich erzählt, was sie sich so für Prenzlauer Berg in Sachen Stadtentwicklung und steigende Mieten vorstellen. Fast stündlich laufen ja mittlerweile die Meldungen ein, dass die Wohnungen hier mittlerweile so teuer seien wie in München oder Wilmersdorf. Kurz nach der Wahl hat der neue Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner von den Grünen versprochen, sich dafür einzusetzen, dass auch in Zukunft Menschen mit dem Einkommen eines Normalsterblichen im Kiez wohnen bleiben können. Und nicht nur Touristen. Wie das funktionieren soll, steht hier. Die Artikel, ob das klappt, folgen in den kommenden Monaten. Fest steht bis dahin nur eins: Anders als bei der Auswahl zwischen Biomarkt und Discounter gibt es bei den Mietwohnungen keine unterschiedlichen Preissegmente. Nicht einmal, wenn Lidl selbst zum Vermieter wird.

 

Politikern vertrauen ist gut, sich selbst engagieren ist besser

 

Dabei muss man sich natürlich nicht nur darauf verlassen, dass die Politiker schon alles richtig machen werden. Man kann auch einfach eine Bürgerinitiative (BI) gründen, wenn man Einfluss nehmen möchte auf die Gestaltung des direkten Umfeldes, und dafür muss man nicht einmal Anwohner der Kastanienallee sein. An der Heinrich-Roller-Straße hat 2011 etwa eine BI vorgemacht, wie es laufen kann, wenn man den örtlichen Friedhof lieber als Park statt als Baugrund für Townhouses erhalten möchte. Weniger erfolgreich, wenn auch dennoch ehrenwert, war das Engagement von Volker Herold, besser bekannt als Bernd Plenske aus der Sat-1-Telenovela „Verliebt in Berlin“. Er sah nicht ein, warum der Senat 80.000 Euro für eine Brücke über einen schmalen Tümpel im Thälmann-Park investierte. Was zwar nicht zu einem Baustopp reichte, aber immerhin den Bund der Steuerzahler auf seine Seite brachte. Und dann sind da natürlich noch die engagierten Bürger, die sich für eine Umwandlung der Gethsemanestraße in einen Stadtplatz einsetzen und damit voll in die Klischee-Falle getappt sind. Denn Bürger, die gegen Parkplätze sind, müssen Schwaben sein.

Was uns zum Abschluss noch zu dem Thema bringt, das bis vor kurzem noch ein Fachbegriff der Stadtsoziologen war und mittlerweile in aller Munde: Die Gentrifizierung. Wir haben dazu einmal eine fachliche Diskussion sowie ein Dossier mit praktischen Beispielen im Angebot. Extra verwiesen sei an dieser Stelle noch einmal auf die Diskussion um den Hirschhof und das Gerichtsurteil, das den historisch bedeutenden Treffpunkt für Künstler und Dissidenten vor der Wende zum Privatgrundstück erklärte. Vielleicht hätte in diesem Fall ein wenig mehr Engagement des Wortadels nicht geschadet, was ein kryptischer Satz bleibt, bis man diesem Link folgt, womit der kleine Rückblick zum Thema Stadtentwicklung dann auch zu einem Ende kommt.

 

Alle Links zu den Artikeln finden Sie in der Box rechts oben.

 

Jahresrückblick Folge 1: Essen jenseits von Milchschaum und Bio

Jahresrückblick Folge 2: Wir wir vorankommen wollen

Jahresrückblick Folge 3: Spiel und Tanz – und etwas Gejammer

 

 

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