Ein Jahr: Wie wir vorankommen wollen

von Thomas Trappe 28. Dezember 2011

Mobil sind fast alle in Prenzlauer Berg. Das wäre auch kein Problem, gäbe es genügend Platz für all die Autos, Radfahrer, Fußgänger und Straßenbahnen. Gibt es aber nicht. 

Zu Beginn ein paar Zahlen. Prenzlauer Berg hat laut Wikipedia eine Grundfläche von elf Quadratkilometern. Damit nimmt der Berliner Stadtteil ein Drittel der Fläche Oberammergaus, eine viel besungene Idylle in Oberbayern, ein. Leben in Prenzlauer Berg, wieder Wikipedia, knapp 150.000 Menschen, sind es in Oberammergau 30 mal weniger. Grob überschlagen hat damit der Oberammergauer 90 mal mehr Platz in seinem Dorf als unsereiner. Und deshalb fährt der Oberammergauerer wahrscheinlich Auto, ohne dass mit diesem Tatbestand ganze Feuilletons und Bücher gefüllt werden. 

Wer sich mit dem Thema Mobilität in Prenzlauer Berg beschäftigt – verbrennt sich die Finger. Das zeigen die lebhaften Debatten, die im zurückliegenden Jahr in den Kommentarbereichen tobten, ging es um das Thema Mobilität, sei es zu Fuß, zu Rad oder im Auto. Das Grundproblem ist dabei schnell beschrieben. Es gibt zu viel Verkehr und viel zu wenig Platz dafür. Geht es daran, die Konfliktlinien zu umreißen, wird es schon schwieriger. Vielleicht so: Das Spektrum Prenzlauer Berger Mobilitätsideen bewegt sich irgendwo zwischen Autos hassenden Fußgängern und Radfahrer hassenden Autofahrern. So richtig glücklich wird da niemand.

 

Hype um Stoppt K21 implodiert

 

Am medienwirksamsten waren im vergangenen Jahr, ging es um das Thema blöde Autos und deren Förderung durch Straßenbaumaßnahmen, man ahnt es, die Macher der Initiative Stoppt K21. Das ganze Jahr begleitete ihr Schlachtgeschrei gegen den Ausbau der Kastanienallee das Leben der Prenzlauer Berger. Es ging um Fahrradwege, Parktaschen, schwindende Fußwege, eigentlich um das Ende eines ganzen Lebensentwurfs. Im November schließlich implodierte die Kampagne, gescheitert am selbst verschuldeten Chaos – und wohl auch an der falschen Annahme, ganz Pankow interessiere sich für eine Straße im Süden des Bezirks.

Auch am Gethsemaneplatz platzten in diesem Jahr einige Träume. Eine Bürgerinitiative stellte hier die Maximalforderung: Autos weg von unseren Straßen. Keine Parkplätze wollte man, nur spielende Kinder. Dass das einige Autofahrer am Platz ganz anders sehen, war klar, der Konflikt mündete unter anderem in zwei Debattenbeiträgen auf unserer Seite. Inzwischen scheint klar: Autos wird es auch künftig am Gethsemaneplatz geben. Und selbst die Kompromissidee scheint einen schweren Stand zu haben: Eine verkehrsberuhigte Zone wäre viel zu teuer, sagt das Bezirksamt. Absurd, sagen die Initiatoren. Sie kämpfen jetzt wieder für Nachtparkplätze

Die könnte man dann parkraumbewirtschaften. Auch so ein Wort, an das man sich jetzt mal so langsam gewöhnt haben muss. Es klingt furchtbar und beschreibt eigentlich nichts anderes, als dass die Verwaltung jetzt überall Parkautomaten aufstellt. Da wirft kaum einer Geld rein, die meisten Menschen in Prenzlauer Berg bevorzugen offenbar das Knöllchen

 

Teilen ist besser als sich streiten

 

Wer jetzt noch nicht überzeugt ist, dass es sich mit zwei oder ganz ohne Räder in diesem Kiez durchaus konfliktärmer leben ließe und immer noch auf sein Auto besteht, für den kann es dann vielleicht ganz interessant sein, sich näher mit Carsharing-Modellen auseinanderzusetzen, die wie zugeschnitten auf Prenzlauer Berg scheinen. Die Autos stehen rum und können bei Bedarf geholt werden. Nachteil: Man kann nicht sagen „Meins!“ Vielen Menschen ist das ja sehr wichtig. 

Überhaupt Teilen, in diesen Zeiten vielleicht ja eine durchaus zu fördernde Verhaltensweise. Man kann auch Fahrräder teilen, die Deutsche Bahn bietet das überall im Kiez an. Die Bahn hat hier ihr Geschäftskonzept umgedreht: Die Fahrräder warten an jeder Ecke, dass jemand mit ihnen losfährt. Kann man nichts gegen haben, denken Sie? Oh doch, nichts ist ohne Nachteile. Wo sollen denn die Fußgänger laufen, wenn jetzt überall Fahrräder rumstehen, fragt sich mancher schon.  Andere, vor allem Radfahrer fragen sich, wo sie überhaupt noch fahren können, ohne sich der Gefahr auszusetzen, überfahren zu werden. In der Pappelallee und der Stahlheimer Straße soll es bald schon etwas besser werden. Aber es gibt noch genügend andere Brennpunkte, meinen manche Politiker.

Nun ja, Sie sehen, vielleicht ist es doch am besten zu laufen. Da ärgert sich niemand über einen, und man selbst ärgert sich auch nicht. Naja, fast.

 

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