Think Tank, Reha-Lofts, Galerie und Schwimmclub, das soll in der alten Bötzow-Brauerei entstehen. Heute wurde der Masterplan des britischen Architekten David Chipperfield vorgestellt.
Wenn Männer in Anzügen und Frauen mit Carrie-Bradshaw-Gedächtnis-Schuhen auf metallenen Klappstühlen in Räumlichkeiten sitzen, in denen früher 200 Pferde untergebracht waren, und dazu Stullen vom Sternekoch gereicht werden, ist das ein deutliches Anzeichen dafür, dass hier große Veränderungen anstehen. In Berlin war Derartiges in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten. Schauplatz am heutigen Vormittag: die Bötzow-Brauerei an der Prenzlauer Allee.
Schon seit vier Jahren gehört das verfallene, 24.000 Quadtratmeter große Brauereiareal Georg Näder, dem Inhaber des Medizintechnikunternehmens Otto Bock. Was er ungefähr für das Gelände plant, hat er zwar schon des Öfteren verraten. Heute Vormittag wurde aber erstmals der Masterplan 2019 präsentiert, den das Büro des britischen Architekten David Chipperfield erstellt hat, der auch schon für den Wiederaufbau des Neuen Museums verantwortlich war.
Future Lab und Reha-Lofts
Zum einen soll die Bötzow-Brauerei zum Berliner Standort des Unternehmens aufgebaut werden, das bislang im niedersächsischen Duderstadt beheimatet ist. In die Altbauten auf dem hinteren Teil des Geländes soll dazu ein „Future Lab“– der Think Tank des Unternehmens – einziehen. Zudem soll Platz für Start-ups aus der Branche geschaffen werden. Für die Altbauten an der Saarbrücker Straße sind außerdem ein Boutiquehotel und Reha-Lofts vorgesehen, in denen Menschen mit ihren Familien leben können, die zu Reha-Maßnahmen in der Stadt sind. Bis 2017 sollen die Arbeiten an den von Otto Bock genutzten Bereichen abgeschlossen werden.
Hinzu kommen Pläne für drei Neubauten. An der Saarbrücker Straße ist, etwas zurückgesetzt, der Bau einer Mikrobrauerei mit angeschlossenem Biergarten vorgesehen. Dieser soll an der Spitze des Grundstücks zwischen Prenzlauer Allee und Saarbrücker Straße und damit dort entstehen, wo schon die Bötzows einst ihren Biergarten betrieben. Zwei weitere Gebäude sind an der Prenzlauer Allee geplant. Eine Galerie für die private Sammlung Georg Näders und ein „Schwimmclub mit Blick auf den Alexanderplatz“ (Zitat Pressemitteilung) sollen dort unterkommen.
„Bötzow macht man once in a lifetime.“
Die Architektur der Neubauten muss noch von David Chipperfield entworfen werden. Fest steht schon jetzt, dass die Gebäude nicht als Blockrandbebauung den hinteren Teil des Geländes von der Straße abschotten, sondern vielmehr für dessen Öffnung nach außen sorgen sollen. Vorgesehen ist, die Einzelbauten etwas von der Straße zurückzusetzen und mit Grünflächen und Wegen zu umgeben.
Selbst für die Kellergewölbe des Areals gibt es Pläne: Hier soll neben Eventflächen, einem Spa und einer Tiefgarage mit 200 Plätzen auch etwas unterkommen, was in der Pressemitteilung als „Lebensmittelmanufakturen“ bezeichnet wird. Ingesamt sollen in den Alt- und Neubauten fast 60.000 Quadratmeter Fläche bespielt werden. Alles fertig sein soll 2019 zum 100. Firmenjubiläum von Otto Bock.
„Hinter diesem Projekt steht kein Investor, sondern ein Unternehmer“, erklärte Architekt David Chipperfield. Dass jemand ein derartiges Objekt nicht nur sanieren, sondern auch selbst nutzen wolle, sei selten. Dieser Punkt war auch dem ebenfalls angereisten Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sehr wichtig: „Hier plant jemand sein Lebenswerk, da geht es nicht nur um Rendite“, sagte er. Und auch Georg Näder selbst wurde nicht müde, zu betonen, dass sein Unternehmen in Berlin bleiben, Arbeitsplätze schaffen und sich an der Entwicklung der Stadt beteiligen wolle: „Bötzow macht man once in a lifetime.“
David’s Delight statt Seniorenteller
Die alte Brauerei der Bötzows, in deren Biergarten Berliner früher ihre Sonntage verbrachten und wo Karl Liebknecht 1919 den Revolutionsausschuss gegründet haben soll, hat seit der Wende viele Investoren gesehen. Dass dieser es ernst meint und das nötige Geld mitbringt, war bei der Veranstaltung heute schwer zu übersehen. Bis zu 250 Millionen Euro möchte Näder investieren, um die letzte verschlafene Ruine des Prenzlauer Bergs wachzuküssen (diese Lesart kultiviert zumindest seine Presseabteilung).
Schade nur, dass viele Prenzlauer Berger wohl nichts von den entstehenden „Lebensmittelmanufakturen“ und dem „Schwimmclub“ mit Aussicht haben werden. Denn von Seniorentellern oder ermäßigtem Eintritt war nicht die Rede, so zwischen extra für den Stararchitekten kreierten Drinks („David’s Delight“) und Häppchen im alten Pferdestall.
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