Gentrifizierung Getränke Hoffmann

Gleimtunnel bedroht Kiezladen

von Kristina Auer 22. September 2016

Seit der Sperrung des Gleimtunnels liegt der kleine Getränkeladen von Kerstin de Sombre unfreiwillig in einer Sackgasse. Die versperrte Durchfahrt nach Gesundbrunnen gefährdet inzwischen ihre Existenz.

Wer sich dieser Tage am Ende der Gleimstraße rund um den Falkplatz aufhält, dem fällt die ungewöhnliche Ruhe im Kiez sofort auf. Eigentlich herrscht an der Schnittstelle zwischen Gesundbrunnen und Prenzlauer Berg immer reger Autoverkehr. Aber seit der Gleimtunnel Ende Juli bei einem Unwetter unterspült wurde und fortan für den Autoverkehr gesperrt ist, ist die bezirksverbindene Durchfahrtsstraße zu einer unfreiwilligen Sackgasse geworden. Und während die Ruhe auf dem letzten Stück der Gleimstraße vielleicht auf manchen Anwohner und Spaziergänger beruhigend wirkt, wird sie für andere zum Existenzrisiko.

 

Kunden fahren jetzt außenrum

 

Genau das trifft für Kerstin de Sombre und ihre kleine Getränke-Hoffmann-Filiale in der Hausnummer 54 zu. „Die direkten Anwohner kommen noch, aber alle Kunden die jetzt außenrum fahren müssen, bleiben weg“, sagt sie. Seit Anfang 2015 führt die 50-jährige mit ihren beiden Söhnen Daniel und Michel den Laden, den es schon seit der Wende dort gibt. Der Getränkehandel ist für die die Sombres eine Herzensangelegenheit. „Wir haben früher alle bei großen Supermärkten gearbeitet. Weil uns die Beziehung zu den Kunden wichtig ist, wollten wir aber unbedingt einen Kiezladen haben.“ Durch den unterbrochenen Verkehrsweg sind die Umsatzeinbußen aber so groß, dass de Sombre sich Sorgen macht, ob sie den Getränkehandel über das Jahresende hinaus halten kann.

Nachbarn haben diesen Hinweis angebracht, um den Getränkemarkt zu unterstützen.

 

Dass der Kontakt zu den Kunden de Sombre am Herzen liegt, kann man auch daran erkennen, dass Nachbarn sogar schon aktiv geworden sind. Einem treuen Kunden liegen die de Sombres und ihr Laden so sehr am Herzen, dass er die Prenzlauer Berg Nachrichten auf deren Not aufmerksam gemacht hat. An der Kreuzung zum Falkplatz und der Ystader Straße wurde außerdem ein Hinweis unter dem Sackgassenschild angebracht. „Getränke Hoffmann muss bleiben“, steht darauf, und „Durchfahrt bis zum Laden frei.“ Auch die Zentrale von Getränke Hoffmann stehe ihren Partnern zur Seite, erklärt Geschäftsführer Mario Benedikt gegenüber den Prenzlauer Berg Nachrichten. „Die Handelsvertreterin hat bereits Unterstützung wegen der Tunnelschließung von uns erhalten“, sagt Benedikt. Gemeint ist Kerstin de Sombre.

 

Hier kommst Du nicht rein. Zumindest nur mit dem Fahrrad oder zu Fuß.

 

Vorerst kein Licht am Ende des Gleimtunnels

 

Eigentlich gibt es nur eine Lösung für das Problem von Kerstin de Sombre und ihren Söhnen: dass der Gleimtunnel wieder befahrbar wird. Wie lange es bis dahin dauern wird, ist allerdings noch nicht abzusehen. Derzeit würden der Aufwand und die Kosten für die Sanierung in einem Gutachten geprüft, teilte Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) den Prenzlauer Berg Nachrichten mit. Die Ergebnisse würden etwa Ende Oktober erwartet. „Erst dann können wir sagen, was es kostet und wie lange die Arbeiten dauern“, sagt Kirchner. Auch die Frage, wer die Sanierungskosten trägt, ist noch nicht endgültig geklärt. Das Land Berlin und die Deutsche Bahn waren sich bislang uneins darüber, wem der denkmalgeschützte Tunnel gehört, der auch vor dem Unwetter Ende Juli schon sanierungsbedürftig war. „Ich gehe davon aus, dass das Land Berlin die Sanierung bezahlt“, sagt Kirchner.

Hier wird nicht etwa der Gleimtunnel saniert, sondern nur die Fahrbahn darunter.

 

Am westlichen Ausgang des Tunnels wird allerdings jetzt schon gebaggert. Dabei handelt es sich aber nicht um Sanierungsarbeiten. Die Grothgruppe, die das Neubaugebiet nordwestlich des Tunnels baut, lässt dort gerade Straßenbauarbeiten durchführen: Die Fahrbahn unter dem Tunnel, der eigentlich eine Brücke ist, wird erneuert. Außerdem entsteht eine Rampe, die von der Gleimstraße auf die Brücke und zum neuen Wohngebiet führt, sowie ein Kreisverkehr. „Damit sollte eigentlich erst im November begonnen werden“, sagt Stadtrat Kirchner. „Jetzt, da der Tunnel aber sowieso gesperrt ist, haben wir die Arbeiten nach vorn verlegt, um Zeit zu sparen.“

Kerstin de Sombre hofft nun, dass die Sanierungsarbeiten tatsächlich möglichst bald angegangen werden, und, dass die Getränke-Hoffmann-Zentrale sie weiterhin unterstützt. „Ich gebe nicht auf und möchte gern hier bleiben“, sagt de Sombre. „Die Nachbarn haben sich ja auch an uns gewöhnt. Immer, wenn die Kindergartengruppe vorbeiläuft, wird zum Beispiel ganz viel gewunken.“ Sie baut auf die Unterstützung der Anwohner, um ihren Laden durch den Winter zu bringen. Im nächsten Frühjahr, wenn die Gäste des Mauerparks den Getränkehandel im Gleimviertel wieder ankurbeln, könnte der Tunnel aus optimistischer Perspektive schon erneut befahrbar sein. Dann wäre die beschauliche Ruhe am nördlichen Eingang des Mauerparks wieder Geschichte.

 

(Fotos: Kristina Auer)

 

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