Bebauungs-Plan am Mauerpark

von Juliane Schader 16. Februar 2015

Nördlich des Gleimtunnels soll ein Wohngebiet entstehen. Ist es dort in S-Bahnnähe nicht zu laut? Gibt es genug Kita-Plätze? Leben dort schutzbedürftige Fledermäuse? Das alles klärt der Bebauungsplan.

Fast auf den Tag genau zwei Jahre ist es her, dass Investor Klaus Groth seine Pläne für das Baugebiet nördlich des Gleimtunnels vorgestellt hat. Seitdem arbeitet das Bezirksamt Mitte an einem Bebauungsplan (B-Plan) für das Areal – eine Art planerische Leitplanken, an denen sich der Bauherr orientieren muss und die dem Bezirk die Möglichkeit geben, auf die Entwicklung seiner Flächen Einfluss zu nehmen. Zudem werden darin ausführlich alle erdenklichen Wechselwirklungen zwischen geplanten Neubauten und bestehenden Strukturen wie Tierbestand, Lärm, Schulplatzangebot oder Stadtklima analysiert.

An diesem Montag hat der Bezirk einen Entwurf des B-Plans veröffentlicht. Einen Monat lang hat nun jeder die Möglichkeit, diesen einzusehen und seine Meinung dazu dem Bezirk mitzuteilen, der verpflichtet ist, diese Einwendungen durch Bürger im Planungsprozess zu berücksichtigen (mehr dazu steht am Ende des Textes).

 

Das Areal

Es geht um die Bebauung des 3,5 Hektar großen, dreieckigen Areals zwischen S-Bahnring im Norden, Moritzhof im Osten, Gleimtunnel im Süden und Grauner- sowie Ramlerstraße im Westen.

 

Wohnbebauung

Das geplante Wohnviertel hat die Form eines um 180 Grad gedrehten Ls und soll in fünf Baufelder aufgeteilt werden, auf denen sich jeweils drei bis vier Bauten um einen gemeinsamen Innenhof gruppieren. Diese Höfe sollen jeweils mit Tiefgaragen unterkellert werden; die Häuser sollen fünf bis maximal sieben Stockwerke haben. Entstehen sollen insgesamt 490 Wohnungen und 219 Studentenappartements, wobei drei Appartements die Größe einer Wohnung haben sollen. Gerechnet wird mit insgesamt knapp 1200 neuen Bewohnern. Die geplante Wohndichte, also das Verhältnis von Wohn- zu Freiflächen, ist sehr hoch und reizt die rechtliche Vorgaben in dieser Hinsicht voll aus. Das Bezirksamt hält dieses aber angesichts angrenzender Freiflächen wie Mauerpark oder Falkplatz für vertretbar.

 Auszug aus dem Bebauungsplan-Entwurf, aufgestellt vom Bezirksamt Mitte von Berlin.

Gewerbe

In den unteren Stockwerken der Gebäude sollen sich Läden, Gastronomie und „nicht störende“ Handwerksbetriebe ansiedeln dürfen. Auch Ärzte und soziale oder kirchliche Einrichtungen sind denkbar. Die Angebote sollen aber jeweils nicht mehr als 200 Quadratmeter Fläche einnehmen, um eine Kleinteiligkeit in dem Wohngebiet sicherzustellen.

 

Soziale Infrastruktur

Im Knick der L-förmigen Wohnbebauung sollen ein Spielplatz, eine Kita mit 80 Plätzen sowie ein betonierter, aber baumbestandener Stadtplatz entstehen. Der zusätzliche Bedarf an Schulplätzen sowie Sport- und Freizeiteinrichtungen werde im direkten Umfeld des neuen Baugebietes bereits gedeckt, heißt es in dem Bebauungsplan-Entwurf.

 

Straßen

Das Wohngebiet soll durch eine Straße erschlossen werden, die südlich der Wohnbebauung deren L-Form folgt. Ein Anschluss an das öffentliche Straßennetz soll über die Gleimstraße erfolgen, wo ein Kreisverkehr eingerichtet werden soll. Damit das gelingt und der dort derzeit bestehende Höhenunterschied ausgeglichen werden kann, muss auf zehn Metern Länge die Stützmauer des denkmalgeschützten Gleimtunnels abgerissen werden. „Da zur Verwirklichung des Vorhabens eine neue Erschließungsstraße unabdingbar und nur in der geplanten Lage möglich ist, hat die zuständige untere Denkmalbehörde ihre Bedenken zurückgestellt und aus denkmalrechtlicher Sicht den Teilabriss genehmigt“, heißt es im Entwurf.

Für Fußgänger und Radfahrer soll es zudem eine Ost-West-Verbindung geben, auf der man vom bestehenden Mauerpark Richtung Humboldthain gelangen kann.

 

Lärm

Angesichts der Nähe zum S-Bahnring ist es in dem Gebiet so laut, dass es als gesundheitsgefährdend eingeschätzt wird. Um dort Wohnbebauung zu ermöglichen, müssen daher Lärmschutz-Maßnahmen ergriffen werden. Von Lärmschutzwänden wird im Entwurf abgeraten. Stattdessen soll ein langer, mit entsprechenden Fenstern und Fassadenteilen ausgerüsteter Wohnriegel im Norden Richtung Bahn als Lärmschutzwall für den Rest des Viertels dienen. Zudem sollen alle Wohnungen auch Räume zum ruhigeren Süden erhalten.

Der Lärm aus dem Mauerpark wird hingegen als nicht beachtenswert eingeschätzt: Dieser soll zwar auf der westlichen Seite und damit direkt an das Baugebiet angrenzend erweitert werden. Eine 50 Meter breite Pufferzone zwischen Park und Wohnviertel soll aber als Schallschutzmaßnahme ausreichen. Der Kinderbauernhof Moritzhof sowie das Treiben am Kletterfelsen seien schon jetzt leise genug, heißt es in dem B-Plan-Entwurf.

 

Natur und Klima

Auch in einer Großstadt wie Berlin gibt es naturräumliche Strukturen und Freifläche. Die werden im landeseigenen „Programmplan Landschaftsbild“ festgehalten. Dort ist das Areal als Grün- und Freifläche verzeichnet, welche erhalten bzw. entwickelt werden soll, weil sie der Grundwasserneubildung, dem Bodenschutz und dem Stadtklima dient (Auf unbebauten Flächen werden im Sommer niedrigere Temperaturen verzeichnet als auf bebauten. Diese Kaltluft dient als wichtiger Ausgleich und verhindert eine Überhitzung der Stadt. Mehr dazu hier). Die geplante Bebauung widerspricht diesen Vorgaben, kann laut Bebauungsplan-Entwurf jedoch hingenommen werden, da der Programmplan nur einen Teil eines Abwägungsprozesses darstelle, der sich in diesem Fall nicht habe durchsetzen können. Die Neubauten würden die bestehende Luftzirkulation zwar verändern; die Beeinflussung sei aber so gering, dass sie nicht gegen die Errichtung der Neubauten spreche.

 

Tiere

Zwar leben auf dem Areal derzeit einige schutzbedürftige Tierarten, etwa Vögel, Bienen und Fledermäuse. Eine Bebauung soll dennoch möglich sein, wenn man gesetzliche Vorgaben – etwa keine Beseitigung von Nestern in Brutzeiten – einhält.

 

Boden

Der Boden unter dem einstigen Altmetalllager wird als belastet und daher derzeit nicht zur Anlage von Wohnungen, Spielplätzen oder Gärten geeignet eingeschätzt. Ein Austausch des Oberbodens könnte das aber ändern. Ansonsten werden keine grenzwertigen Belastungen festgestellt.

 

Sonstiges

Darüber hinaus wird festgestellt, dass der über die Gleise rollende Güterverkehr nicht zu unerträglichen Erschütterungen in den Wohnungen führen wird, und die Tiere der Jugendfarm Moritzhof nicht so stark riechen, dass sie für die Neubewohner eine Geruchsbelästigung darstellen könnten. Zudem wird festgestellt, dass es sich bei dem Areal nicht um ein schützenswertes Biotop handelt.

 

Nicht alle sind mit den Planungen eines neuen Wohngebietes glücklich Die Mauerpark-Allianz als ein Zusammenschluss verschiedener, rund um den Mauerpark engagierter Bürgerinitiativen spricht sich zum Beispiel komplett gegen eine Bebauung der Fläche aus. Auf ihrer Website haben ihre Mitglieder eine Vielzahl an Argumenten zusammengetragen, die aus Ihrer Sicht gegen die Bebauung sprechen. Dazu zählt eine weitere Anheizung der Gentrifizierung durch die teuren Neubauten, eine zusätzliche Belastung der eh schon stark genutzten sozialen Infrastruktur wie Kitas und Schulen, die Verbauung der für das Stadtklima wichtigen Kaltluftschneise und Nutzungskonflikte mit dem Kinderbauernhof Moritzhof oder dem vor allem am Wochenende auch lauten Treiben im Mauerpark. Sie ruft dazu auf, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, als Bürger Einwendungen gegen den B-Plan beim Bezirk Mitte einzureichen „Wir wollen mitentscheiden, wie sich unsere Stadt entwickelt, wie wir wohnen und leben und wofür öffentliche Gelder in unserem Bezirk ausgegeben werden“, heißt es in der Pressemitteilung.

 

Der Bebauungsplan-Entwurf für das geplante Wohngebiet nördlich des Gleimtunnels liegt vom 16. Februar bis einschließlich 16. März öffentlich im Bezirksamt Mitte, Fachbereich Stadtplanung, Müllerstraße 146, 1. Etage, Zimmer 168 aus (Montag bis Mittwoch von 8 bis 16 Uhr, Donnerstag von 9 bis 18 Uhr und Freitag von 8 bis 14 Uhr) und kann zudem im Internet eingesehen werden.

 

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