Die Groth Gruppe zeigt, was sie bauen will, die Bürgerwerkstatt steigt aus. Die Pläne zeigen: Bezirk und Land können appellieren, aber nichts steuern. Soziale Durchmischung wird es wohl nicht geben.
Die Bürgerwerkstatt und die Groth Gruppe haben sich bei der heutigen Pressekonferenz zur Bebauung des nördlichen Mauerparks öffentlich überworfen. Nachdem Klaus Groth die Pläne seines Unternehmens im Rathaus Wedding vorstellte, verkündete Rainer Krüger von der Bürgerwerkstatt „Mauerpark fertigstellen“ den sofortigen Ausstieg aus den gemeinsamen Gesprächen. Es gebe „keine Grundlage mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“, erklärte Krüger. Grund für den Abbruch der Verhandlungen ist, dass es nach derzeitigem Stand kaum noch Chancen darauf gibt, in dem neuen Stadtviertel auf Seite des Bezirks Mitte auch Wohnraum für Mittel- oder gar Geringverdiener zu schaffen. Sowohl Groth als auch der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Carsten Spallek (CDU) machten deutlich, dass sie sich dafür nicht in der Verantwortung sähen. Ansprechpartner sei „Herr Wowereit“ und sein Senat, erklärte Spallek. In der vergangenen Woche erklärte der Staatssekretär für Stadtentwicklung, Christian Gaebler (SPD), dass der Bezirk für soziale Durchmischung sorgen müsse. Rainer Krüger von der Bürgerwerkstatt: „Das ist ein Verschiebebahnhof der Verantwortlichkeiten. Das wird dazu führen, dass ein neues Luxusquartier entstehen wird.“
Klaus Groth präsentierte in der Pressekonferenz die vorläufigen Pläne zur Erschließung, Mitte bis Ende 2017 soll das neue Quartier stehen. Grundlage ist der städtebauliche Entwurf nach Lorenzen, den die Bürgerwerkstatt von Beginn an skeptisch beurteilt habe, so Krüger. Demnach sollen rund 520 bis 530 Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 54.000 Quadratmetern entstehen. „Je die Hälfte der Wohnungen sind als Mietwohnungen an der Nord- bzw. Eigentumswohnungen an der Südseite des neuen Stadtquartiers vorgesehen.“ 40 Prozent der Wohnungen sollen kleiner als 70 Quadratmeter sein, der Rest bis zu 110 Quadratmeter. Die Durchschnittsmiete werde nach jetzigen Kalkulationen bei neun Euro pro Kalt-Quadratmeter liegen, der Kaufpreis bei mindestens 3.500 Euro pro Quadratmeter. „Wir wollen die Preise selbst differenzieren“, sagte Klaus Groth. Soll heißen: Sowohl hochpreisige als auch günstigere Wohnungen sollen angeboten werden. Preise unter 8,50 Euro nettokalt pro Quadratmeter werde es aber kaum geben, machte Groth klar. Jedenfalls nicht, wenn er alleine baue.
Genossenschaften zeigen kaum Interesse
Denn grundsätzlich sei es möglich, dass sich Wohnungsgenossenschaften, kommunale Wohnungsgesellschaften und Baugruppen beteiligten. Die Krux: Sie müssen sich darum schon selbst kümmern. Sie sind „eingeladen, sich an der Durchführung des neu entstehenden Wohngebietes zu beteiligen“, heißt es in einer Erklärung. Es gebe bis jetzt aber weder Genossenschaften oder Gesellschaften, die Interesse bekundet hätten, so Groth. Auch er selbst sei durchaus bereit, günstigeren Wohnraum zur Verfügung zu stellen – wenn das Land Geld gäbe oder das Projekt über die Investitionsbank Berlin-Brandenburg fördere. Entsprechende Gespräche liefen.
Überhaupt sei die Forderung nach sozialer Durchmischung sehr diffus. „Es gibt bis jetzt keine Definition, was damit gemeint ist“, sagte Groth. Auch, welche Ausstattung in den günstigeren Wohnungen wegfallen soll und für welchen Personenkreis sie vorbehalten wären, sei unklar. Dreh- und Angelpunkt sei aber die öffentliche Förderung. „Ohne die geht es nicht.“ Stadtrat Spallek nahm dies auf und schloss den Bezirk als Geldgeber aus. „Ich sehe das Land in der Verpflichtung.“ Gebe es Geld, gehe er „davon aus, dass der Eigentümer auch bereit ist, da mitzumachen“. Mehr sei von einem städtebaulichen Vertrag, der immerhin bereits viele öffentliche Gelder gekostet hat, an Rahmenregelung nicht zu erwarten.
Zu nah am Moritzhof
Schon an diesem Punkt wurde klar, dass die Bürgerwerkstatt nicht mehr mitmachen will. Aber auch in anderen Bereichen gibt es unüberbrückbare Differenzen. So sieht der Plan zum Beispiel vor, mit der Bebauung 25 Meter an den Moritzhof heranzurücken, also wesentlich näher, als ursprünglich angedacht. Damit sei der Plan eines Grünen Bandes obsolet, so Krüger. Und zwar sei es löblich, dass auf dem Gelände auch eine Kita mit 40 Plätzen geplant sei. Aber sei bei mehr als 500 Wohnungen wesentlich mehr zusätzliche Infrastruktur nötig. „Davon ist keine Rede“, so Rainer Krüger. Er geht davon aus, dass das Brunnenviertel sich mit dem neuen Quartier Kreativen und Geringverdienern verschließen wird. Und damit ein neuer Hot-Spot der Gentrifizierung entsteht. Er geht von Nettokalt-Mietpreisen von 12 bis 15 Euro aus.
Zu den weiteren Plänen der Groth Gruppe: Es soll ein Quartiersplatz und eine öffentliche Spielfläche entstehen, mit weiteren „Nahversorgungseinrichtungen“. Erschlossen werde das neue Wohnquartier allein über die Gleimstraße. Sie werde auf sechs Meter Fahrspur und zwei Fußwege ausgeweitet und eine Ampel die Zufahrt regeln. Mehr Verkehr entstünde nicht, so Klaus Groth „Das neue Wohnquartier wird für den Fahrzeugverkehr ausschließlich über eine neue Straße von der Gleimstraße erschlossen.“ Für Radfahrer und Fußgänger soll es einen Aufzug geben. „Die Unterhaltung und Pflege des Quartiers erfolgt durch eine gemeinsame Dachgesellschaft, an der alle künftigen Eigentümer beteiligt werden. Dadurch wird nachhaltig die Qualität der Gesamtanlage gesichert.“
Bürgerwerkstatt will jetzt „mobilisieren“
Übergeben werde laut Groth das Gelände von dem jetzigen Eigentümer CA Immo am 1. März an die Groth Gruppe, im Herbst 2014 sollen dann die Bauarbeiten beginnen. Bis dahin will nun auch die Bürgerwerkstatt, die sich bisher für konstruktive Gespräche mit Bezirk und Klaus Groth eingesetzt hat, Protest organisieren. „Sprecher und Delegationsmitglieder der Bürgerwerkstatt sehen unter den völlig konträren Ausgangslagen keinen Spielraum mehr für einen konstruktiven Dialog mit der Groth Gruppe“, hieß es in einer spontanen Erklärung. „Sie werden der Bürgerwerkstatt empfehlen, die geplante Nordbebauung zu mobilisieren.“ Klaus Groth erwiderte: „Dann nehme ich hiermit zur Kenntnis, dass die Gespräche eingestellt sind.“
UNSER FREUNDESKREIS: Werden Sie Mitglied im Freundeskreis der Prenzlauer Berg Nachrichten und stärken Sie damit die Unabhängigkeit Ihrer Lokalzeitung! Mehr Infos hier.