Der neue Bürgermeister von Pankow kommt von der Linken. Zwei Stadträte werden gewählt und eine Toleranz-Resolution verabschiedet. Der AfD-Kandidat bewirbt sich mit den Worten: „Einer muss es ja machen.“ Und fällt durch.
Weißer Rauch aus dem Saal der Bezirksverordnetenversammlung in der Fröbelstraße: Zumindest teilweise haben die neuen Vertreter Pankows am Donnerstagabend die Oberhäupter des Bezirks gewählt. Ein Trio, das gerade so arbeitsfähig ist und erst mal kommissarisch die Aufgaben der zwei fehlenden Stadträte von AfD und CDU übernimmt. Das hier ist es, das neue Bezirksamt:
– Neuer Bürgermeister von Pankow ist Sören Benn (Linke), auch verantwortlich für Kultur und Finanzen (gewählt mit 36 Ja-Stimmen, 9 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen)
– Neuer Stadtrat für Stadtentwicklung und Bürgerdienste ist Jens-Holger Kirchner (Grüne) (gewählt mit 39 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen)
– Neue Stadträtin für Soziales, Jugend und Wirtschaft ist Rona Tietje (SPD) (gewählt mit 30 Ja-Stimmen, 16 Nein-Stimmen und 8 Enthaltungen)
Das ist er: Pankows neuer Bürgermeister Sören Benn. Foto: Anja Mia Neumann
Der Weg zu diesem Bezirksamts-Trio war alles andere als einfach. Die SPD hatte zwar einer Vereinbarung zu einer rot-grün-roten Zählgemeinschaft zugestimmt, allerdings innerparteilich Anstoß an einer Personalie genommen: an dem Linken Michael van der Meer, der eine SED- und wie es übereinstimmend heißt auch eine Stasi-Vergangenheit hat, die aber lange bekannt und aufgearbeitet ist. Zähneknirschend scheinen viele Kritiker sich bei der Wahl enthalten zu haben, so dass Van der Meer letztlich wie geplant Bezirksverordnetenvorsteher wurde (gewählt mit 29 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen und 20 Enthaltungen).
„Einer muss es ja machen.“
Damit ging es in der Tagesordnung mit den anderen Wahlen weiter – und alles wartete auf den bislang unbekannten AfD-Kandidaten fürs Stadtratsamt, der nun erstmals sein Gesicht zeigte. Es stellte sich vor: Nicolas Seifert, 42 Jahre alt, IT- und Unternehmensberater, Eishockey-Spieler, früher mal ein Jahr Mitglied bei der CDU.
Er will AfD-Stadtrat werden: Nicolas Seifert. Foto: Kristina Auer
Als erstes gab es von Seifert eine Entschuldigung dafür, dass er erst jetzt aus dem Urlaub zurück ist, um sein Vorstellungsgespräch vor den Parteien zu halten – aus Sorge um den privaten Hausfrieden habe er den Urlaub nicht verschieben wollen.
Dann ergänzte er: „Ich weiß, das wird kein Zuckerschlecken.“ Es sei mit Gegenwind von Antifa, anderen Parteien und Behördenmitarbeitern zu rechnen. (Tatsächlich demonstrierten vor dem Gebäude und auch im Saal Antifa-Mitglieder gegen die AfD.) Außerdem sei das Amt für ihn auch mit „finanziellen Einbußen“ verbunden. „Aber einer muss es ja machen.“
Das alles kam bei den anderen Parteien nicht gut an – und ließ Seifert scheitern. Die acht Ja-Stimmen stammen sehr wahrscheinlich von den acht AfD-Verordneten. Bei der nächsten Wahl im November geht die AfD-Kandidatur in die nächste Runde. Wie auch jene für den CDU-Stadtrat. Die Fraktion hatte nämlich überraschend beantragt, die Wahl zu verschieben. Abgestimmt werden sollte am Donnerstag eigentlich auch über Torsten Kühne, der schon in den vergangenen Jahren Stadtrat war. Nun deutet auch hier alles auf innerparteilichen Streit hin.
Resolution für ein vielfältiges Pankow
Interessant noch eine Initiative ganz zu Beginn der Tagung – als klares Statement gegen Rechts. Die Verordneten beschlossen eine „Resolution für ein vielfältiges Pankow“ – die AfD-Fraktion enthielt sich, alle anderen stimmten zu. Hier ist sie in Gänze:
„Die Bezirksverordnetenversammlung fühlt sich der gelebten Vielfalt und Wertschätzung dieser Vielfalt verpflichtet
Gemeinsam engagieren wir uns in Pankow und in Berlin für Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit und Toleranz, für Geschlechtergerechtigkeit und gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Rassismus und gegen alle Formen von Diskriminierung und Gewalt.
Dabei vergessen wir nicht die Geschichte unseres Bezirks. Wir erinnern uns an das schändliche Reichspogrom am 9. November 1938, an den 8. Mai 1945 als den »Tag der Befreiung« (Richard von Weizsäcker) und an den 9. November 1989 als Höhepunkt der friedlichen Revolution.
Pankow ist Teil der Hauptstadt und Metropole Berlin und lebt wie diese von kultureller und ethnischer Vielfalt, die das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirks bereichert. Diese Vielfalt macht Pankow als Wohn- und Arbeitsort attraktiv und ist Garant für eine optimistische Zukunftsperspektive. Zu dieser Vielfalt gehören auch eine gute Integration geflüchteter Menschen in Pankow, ein friedliches Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Ländern, mit unterschiedlicher Hautfarbe und mit verschiedenen Religionen, ein gemeinsames Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen, gesellschaftliche Teilhabe unabhängig von der wirtschaftlichen Lage, die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie von allen Menschen, egal welche sexuelle Identität sie haben.
Entschieden und gemeinsam setzen wir uns für ein demokratisches, soziales, respektvolles, vielfältiges und offenes Pankow ein!“
Am Freitag wird Benn als Bürgermeister vereidigt. Die nächste Tagung der Bezirksverordnetenversammlung ist am 16. November – dann gibt es einen erneuten Wahlanlauf für die zwei übrigen Stadtratskandidaten.
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