Zur Sanierung des Prenzlauer Bergs hat der Senat viel Geld bereit gestellt. Doch der Bezirk hat einen Großteil davon nicht abgerufen. Der einstige Stadtrat für Stadtentwicklung, bekennender Gegner der Gentrifizierung, soll Schuld sein.
Man hatte sich viel vorgenommen Anfang der 90er Jahre. Über 500 Millionen Euro sollten in die fünf Sanierungsgebiete des Stadtteils Prenzlauer Berg gesteckt werden. Später wurden die Investitionen auf insgesamt knapp 270 Millionen Euro zusammengekürzt. Doch selbst dieses tatsächlich zur Verfügung stehende Geld wurde in Prenzlauer Berg nicht vollständig eingefordert: Wie aus Unterlagen der Senatsverwaltung hervorgeht, ist in keinem anderen Berliner Sanierungsgebiet so wenig von dem geschafft worden, was man sich vorgenommen hatte, wie hier. Wenn es um die städtebauliche Sanierung geht, ist Prenzlauer Berg Schlusslicht – eigentlich nur noch vergleichbar mit Niederschöneweide in Treptow-Köpenick.
Auch wenn es nicht unbedingt zum allgemeinen Empfinden passt: Die Zahlen sind deutlich. So wurden etwa im Sanierungsgebiet Bötzowstraße nur 55 Prozent der angestrebten 32,1 Millionen Euro in die soziale und kulturelle Infrastruktur investiert; in den anderen Prenzlauer Berger Sanierungsgebieten kommt man in diesem Bereich immerhin auf gut 75 Prozent. Führend ist der Kollwitzplatz, wo 88 Prozent der geplanten 35,3 Millionen Euro verbaut wurden. Zum Vergleich: In den Sanierungsgebieten in Mitte wurden fast durchweg 100 Prozent des eingeplanten Budgets auch in soziale und kulturelle Infrastruktur gesteckt.
Auch bei der Förderung des öffentlichen Wohnumfelds war man in Prenzlauer Berg sparsam: Nur 34 Prozent der anvisierten 11 Millionen Euro wurden zum Beispiel im Winskiez umgesetzt, in den anderen Sanierungsgebieten kommt man im Schnitt auf knapp 50 Prozent. Führend in diesem Bereich ist der Teutoburger Platz, wo 85 Prozent der geplanten 21,7 Millionen Euro investiert wurden. In Mitte kommt man derweil auf 97 bis 100 Prozent und ist damit führend bei der Realisierung des einst Geplanten. Allerdings, das muss man zu Pankows Ehrenrettung sagen, sollte dort auch nur etwa ein Drittel des in Pankow eingeplanten Volumens investiert werden.
SPD fordert Aufklärung: Warum wurde nicht mehr investiert?
In der SPD-Fraktion der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wurden diese Zahlen mit Schrecken aufgenommen, wie eine großen Anfrage an das Bezirksamt zeigt. Die Fraktion bittet darin um Aufklärung, wie es zu den großen Differenzen beim Sanierungsstand zwischen Mitte und Prenzlauer Berg kommen konnte. Insbesondere in Hinsicht auf die steigenden Einwohner- und Kinderzahl in Pankow sei es unverantwortlich, dass der Bezirk sich so viel Geld für den Ausbau der Infrastruktur durch die Lappen gehen ließ, heißt es. Bei der kommenden Tagung der BVV wird das Bezirksamt zu diesen Vorwürfen Stellung nehmen müssen.
Federführend bei der Anfrage war der SPD-Bezirksverordnete und Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses Roland Schröder. Kritikwürdig findet dieser vor allem die Arbeit des bisherigen Stadtentwicklungsstadtrats Michail Nelken (Linke), der seinen Posten jedoch nach der Wahl räumen musste. „Man war in seinem Amt kein Freund der Sanierung“, meint Schröder. Deshalb habe man auch keinen Wert auf eine straffe Umsetzung von Sanierungsplänen gelegt. Als Grund für diese abwartetende Haltung nennt Schröder die politische Haltung der Linken: Man habe Angst vor einer kompletten sozialen Umstrunkturierung, also der Verdrängung, gehabt.
Tatsächlich hat Michail Nelken nie einen Hehl aus seiner Sanierungsskepsis gemacht. In einem Interview mit dieser Zeitung erklärte er vor einem Jahr, dass man in Prenzlauer Berg schon längst über das Sanierungsziel hinausgeschossen sei. „Man hat die eigene Aufwertungsdynamik verkannt“, meinte er. So sei man mit Konzepten der Stadterneuerung, die für sozial problematische Gegenden gedacht waren, an einen Kiez herangegangen, dessen Immobilien zwar marode, aber dessen Bevölkerung nicht sozial schwach gewesen sei. „Man hätte viel früher aufhören müssen, Geld in den Prenzlauer Berg zu pumpen“, so Nelken.
„Wer nicht sanieren will, bekommt vom Senat auch kein Geld“
Inzwischen ist Jens-Holger Kirchner, grüner Sanierungsanhänger, für das Amt zuständig. Er sagt zwar, er wolle seinen Amtsvorgänger nicht kritisieren, weist dann aber im nächsten Satz darauf hin, „dass ich mich nicht als Stadtrat bei jeder Gelegenheit hinstellen und sagen kann, dass ich nicht sanieren will. Dann kommt vom Senat natürlich auch nichts.“ Kirchner ist der Meinung, dass die Sanierung in den ausgewiesenen Sanierungsgebieten „in den letzten fünf Jahren auf jeden Fall vernachlässigt wurde“. Die Angst vor sozialer Verdrängung durch Sanierung teilt er nicht mit Nelken.
Die Sanierungspolitik soll sich deshalb nun grundlegend ändern, da ist Stadtrat Kirchner bei den Autoren der Großen Anfrage von der SPD. So solle nun aggressiver gegenüber dem Senat für die Verlängerung bestehender Sanierungsgebiete geworben und für die Ausweisung neuer gekämpft werden, meint Kirchner. Auch bei der Erhebung der sogenannten Ausgleichsbeträge – Geld, das von Sanierung profitierende Immobilienbesitzer an Bezirk und Senat zahlen – soll es effizienter als bisher laufen. „Aber das ist bereits in Gang gekommen, vor allem dank einer engeren Zusammenarbeit mit dem Einwohnermeldeamt und anderen Behörden.“
Teutoburger Platz soll noch länger Sanierungsgebiet bleiben
Konkret setzt sich Kirchner nach eigener Aussage derzeit dafür ein, dass das Sanierungsgebiet Teutoburger Platz nicht wie geplant in diesem Jahr ausläuft, sondern seinen Sonderstatus noch etwas länger behält. Außerdem wünscht er sich ein neues Sanierungsgebiet im südlichen Weißensee rund um die Langhansstraße. „Der Senat ist diesbezüglich sehr offen“, so Kirchner.
Roland Schröder kann sich darüber hinaus auch in Prenzlauer Berg noch mehr vorstellen, und denkt zum Beispiel an das Viereck zwischen Fröbelstraße, Vivantes-Klinikum, Thälmannpark und Güterbahnhof Greifswalder Straße – alles Orte, deren Zukunft noch ungeklärt ist. „Das ist ein schwieriger Bereich der Stadtplanung, für den es sich lohnen könnte, Städtebauförderung ins Auge zu fassen“, findet er.
In einer früheren Version dieses Artikels hatten sich leider einige Fehler eingeschlichen. Besonders bei den Zahlen war Einiges durcheinander geraten. Wir bitten das zu entschuldigen.
NEWSLETTER: Damit unsere Leserinnen und Leser auf dem Laufenden bleiben, gibt es unseren wöchentlichen Newsletter. Folgen Sie uns und melden Sie sich hier an!