In ehemaligen Sanierungsgebieten geht es um viel Geld. Doch im Bezirksamt fehlt Personal, um es einzutreiben. Dem Land drohen Millionenverluste, Immobilienbesitzer können auf Ersparnisse hoffen.
Es gibt gerade gut zu tun im Pankower Bezirksamt. Etwas zu viel, jedenfalls in der Abteilung für Stadtentwicklung. „Wir sind ziemlich angespannt“, so drückt es der verantwortliche Bezirksstadtrat Michail Nelken (Die Linke) aus. Grund für die Anspannung: Nelkens Mitarbeiter müssen massenweise Bescheide an Grundstücks- und Wohnungseigentümer schicken, um von jedem einzelnen Tausende von Euro einzufordern – und ihnen rennt die Zeit davon. Es geht um Geld, das fristgemäß in den ehemaligen Sanierungsgebieten in Prenzlauer Berg eingefordert werden muss. Sollte das Amt das Wettrennen verlieren, können nicht wenige Immobilienbesitzer am Kollwitzplatz, in der Bötzow- und in der Winsstraße darauf hoffen, viel Geld zu sparen.
Und Besitzer der Sanierungsgebiete Helmholtzplatz und Teutoburger Platz können sich schon mal kräftig ärgern. Dazu später.
Stadtrat Nelken spricht nicht gerne über die Sanierungsgebiete. Es sei ein „sehr kompliziertes Thema“, sagt er, selbst im Amt durchdrängen nur wenige Mitarbeiter die Materie. Es geht um Gebiete, die – meist in den frühen 90ern – ausgewiesen und bis in die jüngste Vergangenheit hergerichtet wurden und teilweise noch saniert werden. Da anliegende Immobilien durch die Sanierung an Wert gewinnen, werden nach Abschluss sogenannte Ausgleichsbeträge durch das Land erhoben, für das Eintreiben ist das Bezirksamt zuständig. Pro Wohnung geht es meist um einen mittleren vierstelligen Betrag, das Amt ist verpflichtet, die Bescheide spätestens drei Jahre nach der Aufhebung des Sanierungsgebiets zu verschicken. In der Bötzow- und in der Winsstraße bleibt noch Zeit bis Ende 2014, am Kollwitzplatz allerdings nur noch bis Dezember 2012. Und deswegen beginnt man im Pankower Amt gerade zu schwitzen.
„Wir haben keine Wahl, wir müssen es schaffen“
Rund 2.500 Bescheide müssen für den Kollwitzplatz verschickt werden. Christiane Hannemann organisiert zusammen mit dem Bezirksamt in der „Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung“ (Stern) diese Aktion. Auf Anfrage erklärte sie, dass bisher gut die Hälfte der Bescheide rausgegangen seien. Bedenkt man, dass seit Januar 2009 das Sanierungsgebiet aufgehoben ist und nur noch anderthalb Jahre bis zum Fristende bleiben, keine berauschende Bilanz. „Es muss geschafft werden“, sagt Hannemann. Auch Michail Nelkens Meinung zu der Zeitnot klingt eher nach einer Durchhalteparole: „Wir haben keine Wahl, wir müssen es schaffen. Und wir gehen auch davon aus, dass wir es schaffen werden.“
Besondere Probleme, so die Koordinatorin Hannemann, bereite die Adressrecherche. Da viele Wohneigentümer nicht in Berlin, oft sogar im Ausland, wohnten, verstreiche viel Zeit. Michail Nelken erklärt, dass bereits „zusätzliche Stundenkontingente“ beim Berliner Senat beantragt wurden, um den Sanierungsbeauftragten beim Bezirksamt unterstützen zu können. Es brauche aber auch auf das Thema geeichte Mitarbeiter, und die seien schwer zu finden.
Viele Prenzlauer Berger haben verpasst, bares Geld zu sparen
Die Summen, die behandelt werden, sind gewaltig. Laut der jüngsten Prognose Nelkens geht es in den sieben Pankower Sanierungsgebieten um mehr als 100 Millionen Euro. Bisher, so erklärte der für Stadtentwicklung zuständige Sprecher im Senat, Matthias Gille, seien davon 20 Prozent eingetrieben.
Grund zur Freude wegen der Not im Pankower Amt haben Immobilienbesitzern allerdings nicht. Im Gegenteil. Denn es sieht ganz so aus, dass etlichen Prenzlauer Bergern in den vergangenen Jahren Geld entgangen ist. Denn die mehr als ausgelasteten Amts-Angestellten sollen nicht nur Briefe verschicken, in denen sie Geld einfordern, sondern auch solche, die darüber informieren, wie Geld gespart werden kann. Und das wurde offenbar oft genug verpasst.
Es geht um die sogenannte „Abzinsungsmöglichkeit“, vulgo: Rabatt. Den bekommen Immobilienbesitzer, wenn sie vor Beendigung der Sanierungszeit einen Antrag stellen, ihre Ausgleichsbeiträge vorzeitig zurückzuzahlen. Der Betrag wird dabei um die Summe gemindert, die bis zum Ende der Sanierungszeit durch Zinsen eingeholt werden kann. Das heißt, wie es Christiane Hannemann von der Stern erklärt, dass „diese Möglichkeit sehr zeitig genutzt werden sollte“. Am besten mindestens vier Jahre vor Beendigung der Sanierung, zwei Jahre später habe es kaum mehr Sinn.
Genau wie Hannemann erklärte Bezirksstadtrat Nelken gegenüber der Redaktion, dass es Ziel seines Amtes sei, möglichst viele Prenzlauer Bergern davon zu überzeugen, vorzeitig zurückzuzahlen, das Geld werde ja dringend benötigt zur weiteren Sanierung. Man wundere sich, auch da sind sich Hannemann und Nelken einig, dass so wenig Eigentümer von der Möglichkeit Gebrauch machen.
Bezirkspolitiker ahnen schon länger, dass Millionenverluste drohen
Die Verwunderung verwundert, betrachtet man die Antwort Nelkens auf eine kleine Anfrage des Bezirksverordneten Johannes Kraft (CDU). Sie wurde im Januar dieses Jahres gegeben. Kraft wollte wissen, ob allen Immobilienbesitzern die vorzeitige Ablösung von Ausgleichsbeiträgen angeboten wurde. Nelken erklärte dazu, dass „vorrangig“ in Fällen „umfassender Sanierungsmaßnahmen“ ein Angebot gemacht wurde, bei kleineren Maßnahmen wie Dachausbauten „in der Regel nicht“.
Am Kollwitzplatz gab es laut Nelkens Auskunft ein erstes Informationsschreiben im Jahr 2007 – also zwei Jahre vor Aufhebung und damit, macht man sich die Argumentation der Stern zu eigen, viel zu spät, um als Immobilienbesitzer Geld zu sparen. Besser erging es den rund 2.500 Besitzern in den Gebieten Wins- und Bötzowstraße: Sie erhielten 2007 ihre Briefe, vier Jahre vor Aufhebung in diesem April. Auch am Teutoburger Platz, er wird voraussichtlich im kommenden Jahr aufgehoben, wurden bereits 2007 Briefe verschickt.
Bleibt der Helmholtzplatz. Auch hier soll nach derzeitigen Stand 2012 die Sanierungszeit beendet sein. Zwei Drittel der Immobilienbesitzer erhielten hier ebenfalls das erste Mal 2007 Post. Ein Drittel aber eben nicht, was immerhin rund 1.300 Betroffene sind, von denen insgesamt rund neun Millionen Euro verlangt werden. In diesem Jahr sollen sie informiert werden, wurde Anfang des Jahres von Nelken angekündigt.
Im Gespräch und im intensiven Schriftwechsel mit den Prenzlauer Berg Nachrichten machte Nelken deutlich, dass er das Thema nicht nur für kompliziert, sondern auch einer Erörterung unnötig erachtet. Breite Unterstützung seitens der Bezirksverordnetenversammlung kann er für diese Position nicht erwarten, wo einigen Mitgliedern offenbar schon bange ist, dass dem Bezirk Millionenverluste drohen. Cornelius Bechtler (Grüne) stellte gerade die Anfrage, ob in Nelkens Amt inzwischen die avisierten 15 Vollzeitstellen zur Erhebung von Ausgleichsbeiträgen geschaffen wurden. Am Freitag kam nun die Antwort: Im September, so Nelken, sind alle Stellen besetzt. Außerdem seien zwei studentische Hilfskräfte eingesetzt worden.