„Pankow klagt auf hohem Niveau“

von Juliane Schader 28. Oktober 2013

Ob Parkpflege oder Personal, Pankow fehlt es an Geld, heißt es stets aus dem Bezirksamt. Der Senat halte die Bezirke zu kurz. Ganz im Gegenteil, meint Staatssekretär Klaus Feiler im Interview.

Im Bezirk Pankow fehlt es an Personal: Grünflächen können nicht mehr gepflegt werden, das Ordnungsamt kommt mit den Kontrollen nicht hinterher, in einem Brandbrief wurde mehr Mitarbeiter für Jugendarbeit eingefordert. Stets heißt es aus dem Bezirksamt: Der Senat hält uns zu kurz, wir stehen vor dem Personalkollaps. Wie begegnen Sie diesen Vorwürfen? 

Klaus Feiler (SPD), Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Finanzen: Wir haben im letzten Jahr eine regelrechte Revolution bei der Personalbewirtschaftung gehabt: Die Bezirke haben die letzten Schritte bei den Personaleinsparungen akzeptiert und im Gegenzug dafür die Freiheit bekommen, wieder Personal einstellen zu dürfen, ohne dass die Finanzverwaltung das jeweils genehmigen muss. Alle Bezirke zusammen müssen in dieser Legislaturperiode noch gut 1400 besetzte Vollzeit-Stellen einsparen. Pankow gehört mit gerade einmal 38 zu denen, die dem Ziel besonders nah sind.

 

Aber der Personalnotstand wird dadurch ja nicht besser. Vielmehr fallen noch einmal 38 Stellen weg, wobei laut Bezirk schon jetzt das Personal nicht reicht.

Noch einmal: Schon jetzt können die Bezirke im Rahmen ihrer Personalkonzepte frei werdenden Stellen nach eigenen Prioritäten und Schwerpunkten nachbesetzen, und sie haben auch das Geld dafür.
Es ist ja bekannt, dass wir nicht im Geld schwimmen. Das Land Berlin hat 63 Milliarden Euro Schulden. Das wirkt sich natürlich auch in der Haushaltspolitik aus. Ich akzeptiere, dass alle sagen: Das Leben ist schwer. Ich akzeptiere aber nicht, wenn einzelne sagen: Wir können nichts mehr machen. Das können sie nämlich sehr wohl.

 

Was schlagen Sie vor?

Die Bezirke können und müssen Schwerpunkte setzen. Das fällt einigen nur furchtbar schwer, weil sie dem einen Amt sagen müssen: Du darfst von deinen frei werdenden Stellen nur die Hälfte besetzen, weil wir in einem anderen Amt Personal aufbauen wollen. Friedrichshain-Kreuzberg hat zum Beispiel im vorigen Jahr entschieden, im Jugendamt gar nicht zu sparen und die Einsparungen an anderer Stelle zu erbringen. Ich will jetzt nicht Friedrichshain-Kreuzberg generell als Vorbild darstellen, aber in diesem Punkt hat der Bezirk eine klare Prioritätsentscheidung getroffen.

 

Das heißt im Gegenzug, in Pankow fehlt dieser Wille bisher?

Fehlenden Willen möchte ich niemandem unterstellen. Aber Pankow ist wirklich kein Problembezirk, Pankow klagt auf relativ hohem Niveau. Ich glaube, wenn dort einige Prioritätsentscheidungen getroffen würden, dann könnte der Bezirk relativ schnell einige Probleme lösen.

 

Können Sie das konkreter machen?

Da mische ich mich nicht ein. Der Ball liegt jetzt bei den Bezirken.

 

Nun ist das Personal nur das eine Problem. Das andere ist das Geld, das zugeteilt wird. Auch da wird gejammert.

Die Bezirke bekommen seit Jahren Zuweisungen, und diese Zuweisungen steigen kontinuierlich. Die Bezirke haben zwar mehr Ausgaben, bekommen aber auch mehr Geld vom Land. 2008 waren es für die Bezirke insgesamt 4,5 Milliarden Euro, jetzt sind wir bei fast 6 Milliarden. Wir haben also in sieben Jahren einen Anstieg um 50 Prozent. Natürlich haben die Bezirke auch mehr Ausgaben, zum Beispiel für Soziales. Das Land bezahlt die Sozialausgaben aber nahezu komplett. Das heißt: Wenn das Geld am Jahresende nicht reicht, bekommen die Bezirke das ausgeglichen.

 

Aus dem Bezirk hören wir genau das Gegenteil. Kritisiert wird vor allem das System der Kosten-Leistungs-Rechnung (KLR), nach dem das Land seine Zuweisungen an die Bezirke errechnet. Dabei stehen diese in einer Art Spar-Wettbewerb zueinander – für eine Leistung wie eine Angebotsstunde im Jungendbereich gibt es nur so viel Geld, wie die Bezirke im Mittel benötigen. Wer weniger ausgibt, darf die Differenz behalten. Der Vorwurf lautet, dass so eine Sparspirale in Gang gesetzt wird, die erst zum Stillstand kommt, wenn kein Bezirk mehr Geld ausgibt.

Dieser Vorwurf ist, ich sage es so deutlich, dummes Zeug. Wir messen die Zuweisungen ja nicht am Besten, sondern wir messen sie am Median*, am mittleren Wert. Der wird finanziert.

Es gibt Bezirke, die sparsamer sind und ihre Aufgaben effizienter erledigen. Diese Bezirke können sogar ein Plus machen bei der Zuweisung. Das heißt: Sie bekommen den Median aller Bezirke, und wenn sie weniger ausgeben, können sie sich den Rest in die Tasche stecken beziehungsweise ihn für andere Vorhaben verwenden.

 

Aber sie sagen damit ja, dass das System einen Anreiz gibt, zu sparen. Wenn alle Bezirke dauerhaft sparen, dann rutscht der Median immer weiter nach unten und es gibt für jede Leistung immer weniger Geld.

Wenn Sie recht hätten, wie wären dann die steigenden Ausgaben zu erklären? Seit 15 Jahren behaupten die Bezirke, es würde immer weiter nach unten gehen, und am Ende zeigt die Entwicklung genau das Gegenteil.

 

Sie sprechen von der Gesamtsumme. Die könnte auch gestiegen sein, weil die Anzahl der Produkte zugenommen hat. Etwa, weil es mehr Einwohner oder zusätzliche Kostenfaktoren wie den Kita-Ausbau gibt.

Das ist auch wahr. Unter dem Strich sind aber alle Ausgaben der Bezirke gestiegen.

Dass die KLR Druck nach unten macht ist ein Märchen, das alle zwei, drei Jahre mal wieder auftaucht. Wenn es die KLR nicht gäbe, bräuchte man andere Kriterien, nach denen man Mittel zuweist. So, wie wir sie auch auf Landesebene haben. Da muss jeder, der Geld ausgeben will, immer mit der Finanzverwaltung darüber verhandeln, wieviel Geld er bekommt. Ich glaube, manchmal sind die Bezirksbürgermeister ganz froh, dass sie ein so objektives Instrumentarium haben wie die KLR.

 

Sie sagen also, der Median rutscht nicht immer weiter runter, es gibt nicht immer weniger Geld für bestimmte Leistungen?

Natürlich ist jeder Bezirk in der Verantwortung, seine freiwilligen Leistungen – zum Beispiel die Ausleihe von Büchern oder eine Volkshochschulstunde – kostengünstig zu erbringen. Er kann auch nicht beliebig viele Leute einstellen. Das stimmt, weil er dann beim Kostenvergleich Probleme bekäme. Aber wenn wir etwa Lohnerhöhungen haben, dann berücksichtigen wir das natürlich. Unabhängig vom System: Mit 63 Milliarden Euro Schulden müssen wir die Kasse zusammenhalten.

 

Sie sagen selbst, alle müssen sparen. In Pankow sprechen wir von über 100 Millionen Euro Investitionsstau bei Schulen, die Grünflächen verlottern: Und das Land Berlin gönnt sich eine neue Landesbibliothek und einen neuen Flughafen.

Wir haben das Schulsanierungsprogramm auf 64 Millionen pro Jahr erhöht und werden das auch jetzt im Doppelhaushalt wieder machen. Für Pankow steht zudem ab 2015 richtig viel in der Investitionsplanung: Da zahlen wir jedes Jahr zweistellige Millionen-Beträge – so viel wie in keinem anderen Bezirk. Wir haben da Prioritäten gesetzt.

 

Kommen wir noch einmal auf die Ausgaben der Bezirke im Vergleich zurück. Wo ist Pankow denn besonders sparsam, und wofür gibt der Bezirk zu viel aus?

Die Zeiten, in denen Pankow große Schulden ausgehäuft hat, sind seit sechs Jahren vorbei. Seitdem geht es finanziell bergauf. Schwierig ist sicherlich die Sozialverwaltung. Da liegt der Bezirk um fünf Prozent über dem Durchschnitt und weist einen Effizienznachteil von 5,6 Millionen Euro auf. Dafür macht er aber zum Beispiel bei den Natur- und Grünflächen einem Überschuss von 1,6 Millionen. Auch bei Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Wirtschaft und allgemeiner Verwaltung hat der Bezirk einen Überschuss von 1,3 Millionen.

 

Was mich noch interessiert: Gegenüber der Presse schimpft man im Bezirk viel über den Senat. Stehen die Stadträte denn mal hier auf der Matte? Oder kommen die Beschwerden gar nicht bei Ihnen an?

Wir haben ein ganz entspanntes Verhältnis zu den Bezirken. Sie wissen, was sie von uns erwarten können. Dass wir bei großen finanziellen Belastungen wie zuletzt im Kita-Bereich ohne mit der Wimper zu zucken nachfinanzieren.

 

Der Bezirk vermittelt oft den Eindruck, als könne er den Betrieb gerade noch so aufrecht erhalten. Natürlich erwarte ich von gewählten Bezirkspolitikern, dass sie sich in einer so brisanten Situation an das Land wenden, um die Probleme zu lösen.

Wenn Sie sich nie bei Ihnen melden, scheint es ja so schlimm nicht zu sein.

Wir haben hier in Berlin ein System, das funktioniert. Man kann zwar keine großen Sprünge mit ihm machen, aber es ist nicht per se unfair oder verletzend. Das wissen beide Ebenen.

 

Aus Ihrer Sicht ist das Verhältnis also ganz gut?

Ja. 

 

* Der Median ist ein Mittelwert, der oft, aber fälschlicher Weise mit dem Durchschnitt verwechselt wird. Denn während beim Durchschnitt alle Werte zusammengerechnet und durch die Anzahl geteilt werden, ist der Median der Wert, der in der Mitte steht, wenn man alle Werte der Größe nach sortiert. Klingt kompliziert, ist es aber nicht, wie das Beispiel zeigt:

Wir haben fünf Kinder, die bekommen unterschiedlich viel Taschengeld: 2, 5, 6, 8 und 20 Euro. Der Median liegt bei 6 (2, 5, 6, 8, 20). Im Durchschnitt sind das (2+5+6+8+20/5) 8,20 Euro.

 


Manchmal arbeiten Senat und Bezirk auch zusammen, zum Beispiel bei Immobilienfragen, zum Beispiel beim Bezirksamts-Areal in der Fröbelstraße. Wie es da aussieht, steht im zweiten Teil des Interviews, das Sie hier finden

 

 

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