Fröbelstraße und der Satz mit x

von Juliane Schader 30. Januar 2013

Alles andere als geplant lief die Umstrukturierung der Immobilien des Bezirks durch SPD und Grüne in Pankow. Waren sie vorschnell, leichtsinnig oder doch unfähig? Ein Blick zurück.

Es ist zugegebener Maßen etwas verwirrend, was derzeit von den Plänen des Bezirks nach außen dringt, der seine Verwaltungsstandorte neu sortieren will. Ein kleiner Rückblick soll helfen, den Überblick zurück zu gewinnen.

Bereits kurz nach der letzten Wahl im Oktober 2011 ist klar, dass Pankow in der kommenden Legislaturperiode durch die Abwicklung von Standorten Geld einsparen möchte. In der Kooperationsvereinbarung– eine Art Koalitionsvertrag auf Bezirksebene – von SPD und Grünen ist die Aufgabe und Umnutzung ganzer Standorte als klares Ziel vorgegeben. Folgerichtig verabschiedet die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) bei ihrer Tagung am 14. Dezember 2011 einen Antrag der beiden Parteien, laut dem das Bezirksamt prüfen soll, in wie weit durch Verdichtung oder Umzüge der Verwaltung Geld gespart werden könne. Bis Februar soll ein Ergebnis vorliegen, was sich für die zuständige Abteilung für Immobilien jedoch als unrealistischer Zeitplan erweist. Die ausführliche Antwort liefert sie erst Ende April.

 

Kleines Zeitfenster, große Pläne

 

Da haben die aktuellen Ereignisse eine fundierte Überprüfung durch das Amt längst überrollt. Denn im Januar 2012 macht plötzlich eine Streichliste die Runde, die diversen kulturellen und sozialen Einrichtungen mit ihrer Abwicklung droht. Plötzlich weiß ganz Berlin, dass der Bezirk Pankow dringend sparen muss. Eine gute Gelegenheit, in dieser Stimmung gleich die eh geplante Abwicklung von Verwaltungsimmobilien über die Bühne zu bringen. Am 19. Januar bringt Cornelius Bechtler als Fraktionsvorsitzender der Grünen gegenüber dieser Zeitung das erste Mal ins Spiel, dass das Bezirksamt in der Fröbelstraße abgegeben und das gesparte Geld zum Erhalt der Kultureinrichtungen genutzt werden könne. Obwohl die Fachleute des Amtes für Immobilien noch prüfen, steht damit plötzlich ein konkreter Plan im Raum.

Danach geht es ganz schnell: Ende Februar wird im Finanzausschuss ein Modell präsentiert, das die Abgabe der Fröbelstraße an den Liegenschaftsfonds vorsieht, welcher die Immobilie verkaufen soll. Für den 12. März laden SPD und Grüne zu einer Pressekonferenz und verbessern diesen Vorschlag noch, indem sie nach der Übertragung an den Fonds statt eines Verkaufs nun die behutsame Umwandlung in bezahlbaren Wohnraum angestreben. Zudem wird die Abgabe des Kulturareals Ernst-Thälmann-Park an die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) ins Spiel gebracht.

Zwei Tage später wird dieser Vorschlag von der BVV angenommen. SPD, Grüne und die Mehrheit der Piraten stimmen dafür, CDU und Linke geschlossen dagegen. Die Übertragung der Fröbelstraße an den Liegenschaftsfonds soll nun spätestens bis zum 1. Juli erfolgen. Im Windschatten dieser Entscheidung wird ebenfalls die Abwicklung der Verwaltungsstandorte in der Berliner Allee 100, Darßer Straße 203-205, Storkower Str. 97 sowie des ehemaligen Rathauses Weißensee in der Berliner Allee 252-260 angestrebt. In der Fröbelstraße und damit in Bürgernähe sollen lediglich das Bürgeramt, ein Teil des Jugendamtes und die Parkraumbewirtschaftung verbleiben. Dafür soll entweder ein Gebäude des großes Komplexes behalten oder ein Neubau errichtet werden.

 

1,4 Millionen Euro Umzugskosten

 

Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bezirkspolitiker gibt es noch keine abschließende Beurteilung der eigenen Immobilien durch das Amt. Dennoch sind einige Zahlen öffentlich – nicht zuletzt als Antworten der Immobilienstadträtin Christine Keil (Linke) auf zahlreiche kleine Anfragen der Bezirksverordneten im Vorfeld des BVV-Beschlusses.

So ist bereits Mitte März bekannt, dass ein Umzug aller 600 Mitarbeiter aus der Fröbelstraße an einen anderen Standort 1,4 Millionen Euro kosten würde. 1,1 Millionen davon würden nur für die Umsetzung der Telefonanlage und die IT-Anbindung fällig, da der zentrale Netzpunkt des Bezirks in der Fröbelstraße liegt. Zudem ist klar, dass Pankow aufgrund anstehender Sanierungen für etwa 10 Millionen Euro einen Standort abwickeln will, in den er allein seit 2006 4,4 Millionen Euro investiert hat – inklusive der Komplettsanierung des Hauses 4. Hinzu kommen Kleinigkeiten wie der im Falle einer Abgabe nötigen Rückzahlung von Fördergeldern für einen Parkplatz in Höhe von 200.000 Euro. Ganz zu schweigen von der über allem schwebenden Frage, ob der Senat jemals seine Zustimmung zu so einem Unterfangen geben wird, dessen vorderstes Ziel es ist, Kosten aus dem Bezirkshaushalt auszulagern und an das Land abzuschieben.

Dennoch ist die Pankower Mehrheit von SPD und Grünen überzeugt von ihrem Konzept. Obwohl es keine umfassende Prüfung aller Immobilien gegeben hat. Obwohl klar ist, dass es nicht die beste Verhandlungsbasis ist, unter Zeitdruck ein Bürogebäude für 600 Mitarbeiter finden zu müssen. Obwohl auch die Lage und Verkehrsanbindung eine Rolle für die Standortwahl spielen, und die sind in der Fröbelstraße ausgezeichnet.

 

Die Stille nach dem Beschluss

 

Nach der Hektik zum Jahresanfang wird es ruhig um das Thema. Ende April wird bekannt, dass der Bezirk ausgerechnet das besonders sanierungsbedürftige Haus 6 in der Fröbelstraße gerne behalten möchte, um dort Bürger-, Gewerbe- sowie Teile des Ordnungs- und Jugendamts unterzubringen. Die Wahl fällt nicht zuletzt auf dieses Haus, weil sich dort die zentrale Telefonanlage befindet. Zudem ist erstmals von einer Anmietung des großen Bürohauses in der Prenzlauer Promenade die Rede. Mitte Juni wird mit dem Berliner Landeshaushalt auch der des Bezirks verabschiedet. Doch von der schnellen Abgabe der Fröbelstraße an den Liegenschaftsfonds ist plötzlich nichts mehr zu hören. Im August sagt Pankows Bürgermeister Matthias Köhne bei uns im Sommerinterview, der Bezirk müsse „die Abgabe des Verwaltungsgebäudes Fröbelstraße vom Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses genehmigt bekommen. Wenn das nicht passiert, würde das große finanzielle Probleme schaffen.“

Heute wissen wir, dass Köhne zu diesem Zeitpunkt schon gewusst haben muss, dass die Landesebene bereits nach einer ersten kurzen Prüfung die Immobilienpläne des Bezirks als unwirtschaftlich für den Landeshaushalt einschätzte. Ob die Pankower nicht in der Lage waren, bei ihren Berechnungen die Perspektive des Senats mit einzuplanen? Haben sie geglaubt, unter dem künstlichen Zeitdruck der Abgabe bis zum 1. Juli würde niemand so genau draufsehen? War all dies einkalkuliert? 

 

Arbeit hinter und Schweigen vor den Kulissen

 

Schwer zu sagen. Zwar scheint hinter den Kulissen von Bezirk, Senat und Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) schwer gearbeitet zu werden. Doch an die Öffentlichkeit dringen soll das nicht. So sickert die Tatsache, dass ein Gutachten der BIM die Abwicklung der Fröbelstraße als Verwaltungsstandort ausschließt, erst über zwei Monate, nachdem der Bezirk informiert wurde, durch. Eine Stellungnahme des Bezirks zu seinen gescheiterten Immobilienplänen steht immer noch aus. Zwar gibt es diverse Zwischenstandsmeldungen aus dem Amt der Immobilienstadträtin, die als Politikerin der Linken die Pläne von SPD und Grünen durchdrücken muss, obwohl ihre Partei dagegen war. Allerdings gehen die Berechnungen immer von einer Abgabe bezirklicher Immobilien aus, die nun vom Tisch ist. Die personellen Ressourcen, die das in den sonst stets über Personalmangel klagenden Ämtern gebunden hat, mag man sich gar nicht vorstellen.

So bleiben zwei Fragen: Wie kann es dem klammen Pankow und dem nicht weniger knapp bei Kasse seiendem Land Berlin gemeinsam gelingen, effiziente Verwaltungsstandorte zu schaffen, die den Mitarbeitern der Ämter moderne Arbeitsplätze bieten und gleichzeitig die Geschichte der Häuser berücksichtigen. Das Areal in der Fröbelstraße steht schließlich nicht nur unter Denkmalschutz, sondern hat als Folterkeller des sowjetischen Geheimdienstes NKWD sowie des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR auch eine Vergangenheit, der Rechnung getragen werden muss.

Und wann steht Pankows Zählgemeinschaft aus SPD und Grünen endlich dazu, dass ihr erster großer politischer Coup nach der Wahl völlig fehlgeschlagen ist?

 

 

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