So schlimm sei das mit der Finanzmisere in Pankow gar nicht, meint der Senat. Oh doch! tönt es einstimmig aus dem Bezirk. Wie sich das Land die Bezirksfinanzen angeblich schönrechnet, steht hier.
Alles halb so wild. So lässt sich der Blick des Senats auf die finanzielle Situation Pankows zusammenfassen, den Klaus Feiler (SPD), Staatssekretär für Finanzen, im Interview Anfang dieser Woche vermittelte (Teil 1/Teil 2). Personalmangel? Pankow darf doch wieder einstellen! Kein Geld für die Sanierung der Fröbelstraße? Da wird falsch geplant! Die Bezirke bekommen immer weniger Geld? Im Gegenteil!
Im Bezirk sind diese Ansichten über alle Parteigrenzen hinweg auf Unverständnis gestoßen. Matthias Köhne (SPD), für Finanzen zuständiger Bezirksbürgermeister in Pankow, findet deutliche Worte. So sei es schlicht falsch, dass die Bezirke ausreichend Personal hätten. Vielmehr sei die Zielvorgabe von 20.000 Vollzeitstellen in allen Bezirken vom Senat völlig willkürlich gesetzt. „Würden diese 20.000 ausreichen, dann gebe es keine stundenlangen Wartezeiten im Bürgeramt, keine zu langen Bearbeitungszeiten bei Baugenehmigungen, Wohngeldanträgen usw., keine verwahrlosten Grünanlagen und keine abgebauten Spielgeräte, die nicht mehr repariert werden können“, meint Köhne.
Die Taschenspieler-Tricks Thilo Sarrazins
Zudem sei es zwar richtig, dass die Ausgaben des Senats für die Bezirke stiegen – das zusätzliche Geld stände aber nicht zur freien Verfügung, sondern sei vor allem für höhere Sozialleistungen fest eingeplant. Was daran problematisch ist, erklärt Köhne am Beispiel eines Schülers, der 70 Euro Taschengeld im Monat bekommt, von dem aber 45 Euro für die Monatskarte draufgehen. „Die Monatskarte wird im folgenden Jahr teurer, kostet dann 55 Euro im Monat und das Taschengeld wird auf 75 Euro erhöht. Standen vor der Tariferhöhung 25 Euro zur freien Verfügung, sind es danach nur noch 20 Euro, obwohl das Taschengeld doch erhöht wurde.“ Die Argumentation des Senats, dass die Ausgaben doch stiegen, nennt Köhne einen Taschenspieler-Trick aus den Zeiten Thilo Sarrazins.
Nur bei der Kosten-Leistungs-Rechnung sind sich die beiden SPD-Politiker Köhne und Feiler einig: „Sie ist ein durchaus geeignetes Instrument, um das den Bezirken zur Verfügung gestellte Geld systematisch zu verteilen“, meint Pankows Bürgermeister. Es gebe nur ein Problem: Es werde einfach zu wenig verteilt.
„Einfach nur zynisch“
Bei den Pankower Grünen, die gemeinsam mit der SPD die Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) stellen, ist man ebenfalls nicht glücklich mit den Ansichten des Staatssekretärs. „Ich finde das einfach nur zynisch“, meint Cornelius Bechtler, Vorsitzender der Grünenfraktion der BVV. Am Beispiel der Jugendarbeit erklärt er das finanzielle Dilemma der Bezirke bei den Sozialleistungen. So seien in den letzten Jahren die Kosten für Ausgaben wie die Hilfen zur Erziehung massiv gestiegen, die der Bezirk bezahlen muss. Darunter hätten freiwillige Leistungen wie Freizeitangebote für Jugendliche gelitten. „Dort, wo wir präventiv tätig werden können, fehlt das Geld“, meint Bechtler.
Mittlerweile sei der Bezirk so in Personal- und Finanznot, dass manche Gesetze nicht mehr umgesetzt werden könnten, etwa die regelmäßige Kontrolle zur Einhaltung von Hygienevorschriften bei Lebensmitteln. „Da wird mit der Gesundheit der Menschen gespielt, und der Senat macht sich noch über uns lustig“, so Bechtler. Auch die Kritik am baulichen Zustand der Fröbelstraße findet er unpassend. Schließlich berücksichtige der Senat bei seinen Zuweisungen für den baulichen Unterhalt nicht den großen Sanierungsbedarf der Gebäude. „In vielen Bezirken haben die Verwaltungsgebäude keinen Standard wie in einem Industrieland.“
Eine Partei, zwei Meinungen
Gleiches kritisiert auch Jan Schrecker, Fraktionsvorsitzender der Piraten. Zudem führt er an, dass der Bezirk neue Aufgaben ohne zusätzliches Personal oder finanzielle Mittel übernehmen müsse. Derzeit stelle sich das Problem bei der neuen Trinkwasserverordnung, laut der das Gesundheitsamt nun auch noch Legionellen-Untersuchungen durchführen muss. „Ich finde, der Senat redet sich vieles schön“, meint Schrecker.
Darüber hinaus spricht der Pirat noch das elementare Problem in der Diskussion zwischen Bezirken und Landesebene an: „Bei vielen Parteien fehlt der Draht ins Abgeordnetenhaus.“ Er als Pirat könne zwar nicht klagen, aber vielfach hätten die Mitglieder des Abgeordnetenhauses wenig Verständnis für die Sorgen auf Bezirksebene. Womit diesen dort eine Lobby fehle.
Tatsächlich stellt sich die Frage, warum angesichts des riesigen Schuldenbergs Bezirk und Land nicht gemeinsam statt gegeneinander arbeiten. Immerhin sind Bürgermeister Köhne und Staatssekretär Feiler in einer Partei.
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