Nichts geht mehr

von Juliane Schader 14. Juli 2015

Schimmelnde Schulen, lange Wartezeiten im Bürgeramt, ungeleerte Mülleimer – alles, wofür in Berlin die Bezirke verantwortlich sind, funktioniert nicht. Das ist aber nicht ihre Schuld. Ein Kommentar.

Berlins Schulen sind in einem schlimmen Zustand. Die Fassaden bröckeln, die Klos sind eine Zumutung, der Brandschutz ist ungenügend, und angesichts steigender Schülerzahlen fehlt es an Platz. Zwei Milliarden Euro müssten stadtweit investiert werden, um allen Schülern angemessene Lernverhältnisse bieten zu können, haben die Bezirke errechnet. Schlechte Aussichten in einer chronisch klammen Stadt.

Doch zum Glück hat man beim Tagesspiegel einen Ausweg aus der Misere gefunden: „Keine Macht den Bezirken“ forderte die Kollegin Susanne Vieth-Entus in einem Kommentar am Wochenende. „Wo aber blieben die Alarmrufe der Bezirksbürgermeister, als der Spardruck der vergangenen 20 Jahre begann, deutliche Spuren zu hinterlassen? Warum haben sie nicht zumindest den Bedarf ermittelt, um Argumente gegen die Sparauflagen in der Hand zu haben?“, schreibt sie. Den Bezirken fehle nicht nur das Geld, dringen nötige Instandsetzungen durchzuziehen, sondern auch das Personal in den Bauämtern, diese zu planen. In Folge dessen müsse das Land den Bezirken die Verantwortung für die Schulen wegnehmen und sich selbst übertragen, meint Vieth-Entus.

Wenn man dieser Argumentation konsequent folgte, müsste man die Bezirke allerdings ganz auflösen.

 

System fährt auf Verschleiß

 

Nach dem Berliner System übernehmen sie die meisten Aufgaben, die uns direkt im Alltag betreffen: Sie kümmern sie darum, dass wir einen Personalausweis bekommen und uns kein maroder Baum auf den Kopf fällt. Sie kontrollieren die Lebensmittelhygiene in Restaurants, sorgen für Schulen, Sporthallen und Spielplätze, verteilen Kita-Gutscheine und ahnden Falschparker. Sie installieren Fahrradständer, sanieren Gehwege und genehmigen neue Bauten. Das alles finanzieren sie mit einem fixen Betrag, den der Senat ihnen einmal im Jahr als Haushaltsgeld überweist. Schulden aufnehmen oder durch Steuern zusätzliches Geld einnehmen ist für die Bezirke nicht möglich. Seit Jahren klagen sie, dass diese Zuweisungen nicht ausreichen – seitdem die Bevölkerungszahlen in Berlin wieder steigen, wird es noch schlimmer.

Wie sehr das System mittlerweile auf Verschleiß fährt, merken wir selbst jeden Tag am ungemähten Rasen, an nicht geleerten Mülleimern und spielzeuglosen Spielplätzen. Wir merken es an den zwei Monaten Wartezeit auf einen Termin zur Anmeldung im Bürgeramt, die man nach geltendem Recht innerhalb von zwei Wochen durchzuführen hat. Wir merken es am Verbleib der Ferienwohnungen in der Nachbarschaft trotz deren Verbot, weil das Personal zur Kontrolle fehlt. Und wir merken es beim Besuch von Schulen, in denen Gründschüler mit ihren Stühlchen auf blankem Beton sitzen.

 

Bezirke haben finanziell kaum Spielraum

 

Uns fehlt das Geld, uns fehlt das Personal – ich weiß nicht, wo oft ich diese Klage schon von unseren Stadträten quer durch alle Ressorts gehört habe. Doch der Senat bleibt hart. „Pankow klagt auf relativ hohem Niveau. Ich glaube, wenn dort einige Prioritätsentscheidungen getroffen würden, dann könnte der Bezirk relativ schnell einige Probleme lösen“, sagte Klaus Feiler (SPD), Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Finanzen dazu 2013 im PBN-Interview .

So einfach ist es aber nicht. Jedes Jahr stehen dem Bezirk Pankow etwa 800 Millionen Euro zur Verfügung. Ein Großteil des Geldes muss er für Leistungen ausgeben, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist – Hartz IV, Ausbildungsförderung, Sozialleistungen. Der Spielraum für alles darüber hinaus – Bibliotheken, Jugendclubs, Seniorentreffs – wird immer kleiner. An Investitionen in die Zukunft ist gar nicht zu denken. Aktuell verschenkt der Bezirk sein Amt in der Fröbelstraße an das Land, weil ihm das Geld für die Sanierung fehlt. Jahrelang hat er die denkmalgeschützten Altbauten herunterkommen lassen, weil er vom Senat für Sanierungen zugestandenes Geld lieber in Schulen steckte.

Es geht also nicht darum, dass die Bezirke nicht wüssten, wo sie dringend investieren sollten. Sie können es nur schlichtweg nicht, weil der Senat sie wie Kinder behandelt, die ihr Taschengeld schon wieder zum Monatsanfang verschleudert haben.

 

Der Senat kann nicht alles besser

 

Pankows Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) ist keiner der Politiker, der mit knalligen Worten in die Öffentlichkeit drängt. Der Tagesspiegel-Kommentar hat ihn jedoch auf die Palme gebracht. „Wenn zentralistische Strukturen in Berlin das Allheilmittel wären, stellt sich die Frage, warum zentrale Behörden wie die Verkehrslenkung Berlin (VLB) oder das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) ständig in der öffentlichen Kritik stehen. Die Antwort ist ganz einfach und dieselbe, wie bei der Kritik an den Bezirken: Personal und Aufgaben stehen in einem exorbitanten Missverhältnis“, schrieb er noch am Sonntagabend auf seiner Facebookseite.

Er hat recht. Berlin hat aus gutem Grund Bezirke, die inhaltlich näher dran sind an den Themen und Menschen in den Kiezen der Stadt. Doch ohne die nötige finanzielle Ausstattung können sie diesen Job nicht machen. Bislang investiert die Landesebene lieber in Großprojekte mit Strahlkraft. Die Basis rottet ihr derweil unter den Füßen weg.

Jemandem mit solcher Prioritätensetzung noch mehr Verantwortung zu übertragen, erscheint irrwitzig. 

 

Wir sind eine werbefreie Mitgliederzeitung. Wenn Sie den Erhalt der Prenzlauer Berg Nachrichten sichern und Mitglied werden wollen, bitte hier entlang. Vielen Dank!

Wenn Sie schon Mitglied sind, können Sie den Link unten im Kasten teilen und diesen Artikel so Ihren Freunden zum Lesen schenken.

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar