Zettel dran: „Zu verschenken“

von Anja Mia Neumann 22. Februar 2016

Sperrmüll kann auch Kunst sein. Nämlich für jemanden, der findet, dass der Bürgersteig den Bürgern gehört. Und der aus den Müll-Ensembles ein Kartenspiel-Quartett macht.

 

Oliver Fabel ist Künstler und wann immer er an Sperrmüll auf dem Bürgersteig vorbei kommt, macht er Fotos. Die meisten Motive seines Müll-Quartetts, das im März erscheint, stammen aus Prenzlauer Berg. Genauer aus dem Nordischen Viertel, wo er wohnt.

„Typisch Berlin“ findet Fabel den Tauschhandel vor den Haustüren und charmant, solange eine Matratze nicht „vor sich hingammelt“. Und mancher Müll entwickelt sich für ihn gar zum Mahnmal.

 

Du hast ein Sperrmüll-Quartett ersonnen. Wieso?

Oliver Fabel: „Ich habe in den letzten zwei Jahren immer diese Ensembles fotografiert, die Leute rausstellen. Das ist ja der Trick: Man hängt einen Zettel dran, auf dem steht: „Zu verschenken“. Damit tut man so als wäre das eine offizielle Geschichte. Ob das Zeug noch brauchbar ist oder nicht, Hauptsache es hängt ein Zettel dran. Irgendwann kam ich auf die Idee, daraus ein Quartett-Kartenspiel zu machen.“

 

Mit Größe und Gewicht oder wie?

„Natürlich gibt es auch verschiedene Kategorien. Zum Beispiel den Begehrtheitsgrad: Röhrenfernseher braucht keiner mehr. Da sind die Leute nur zu faul, die zur BSR zu bringen. Ein Stuhl dagegen ist sehr begehrt, wenn der noch okay ist. Dann gibt die Kategorie Stil: von super geschmackvoll und Design-Klassiker zu völlig geschmacklos und ramschig.“

 

Woher sind die Motive?

„Ich habe immer Fotos gemacht, wenn ich mal dran vorbeigefahren bin. Die meisten Motive sind aus Prenzlauer Berg. Ich wohne im Nordischen Viertel unterhalb der Bösebrücke und da ist es schon ein bisschen gammeliger. Aber in der Kopenhagener Straße sieht man das auch oft, die ja eigentlich schon ein bisschen schicker ist. In den ganz edlen Ecken wie am Kollwitzplatz ist Zeug auf der Straße seltener. Ansonsten ist es schon ziemlich gang und gäbe hier.“

 

Wie findest Du diesen Tauschhandel auf der Straße?

„Das ist ein typisches Berlin-Ding. Das kenne ich aus keiner anderen Stadt, dass Leute etwas rausstellen und diesen Zettel ranhängen. Vieles wird ja tatsächlich auch noch genommen. Eigentlich ist das ja auch illegal. Aber ich bin da nicht so kritisch: Wenn es jetzt nicht gerade eine Matratze ist, die da ein halbes Jahr im Winter steht und vor sich hingammelt, finde ich persönlich das nicht schlimm.“

 

Sondern gut?

„In Berlin gehört der Bürgersteig den Bürgern. Es gibt die kleinen Flächen um die Bäume, wo sonst die Hunde hinscheißen, dort pflanzen die Leute etwas an. Davor werden Sachen ausgetauscht. Das ist ja auch etwas Schönes, etwas Zivilgesellschaftliches, dass Menschen sich den Bürgersteig erobern. Ich komme aus Kassel. Da kenne ich das nur von Umzügen. In Berlin ist das alles ein bisschen lockerer, woanders denkt man sofort: Was denken die Nachbarn von mir? Hier ist alles etwas anonymer und insgesamt ist Berlin, glaube ich, auch so dreckig, dass die Leute sich das trauen.“

 

Ende März erscheint Dein Quartett. Hast Du ein Lieblingsmotiv?

„Das Cover ist schon so mein Lieblingsding. Da stehen drei Katzenbäume, ein Apothekenschrank, ein kleines Regal und ein Fernseher. Und das sieht so aus als wäre es wirklich Kunst, so schön arrangiert. Wie ein Mahnmal für irgendetwas.“

(Das Cover findet Ihr neben anderen Motiven in der Bildergalerie.)

 

Was man mit seinem alten Schrott eigentlich machen sollte, lest Ihr hier.

 

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