Inmitten von Kitas und Spielplätzen wurde an der Schivelbeiner Straße berlinweit der dritthöchste Wert von Stickoxid gemessen. Besonders für Kinder sind die Diesel-Abgase ein Gesundheitsrisiko.
„Eigentlich müsste man Atemschutzmasken verteilen und dazu raten, den Arnimplatz zu meiden“, findet Karin Reiter. Die Anwohnerin aus der Seelower Straße meint die schlechte Luft im Kiez. Die ist seit Bekanntgabe der neuesten Messergebnisse von Greenpeace auch offiziell bestätigt. Greenpeace hat im letzen September Messgeräte vor Schulen und Kindertagesstätten in sechs deutschen Städten aufgehängt und zwei Wochen lang die Konzentration des Stickoxids NO₂ gemessen, wie der rbb kürzlich berichtet hat.
20 Mikrogramm über dem Grenzwert
Mit 60,8 Mikrogramm pro Kubikmeter wurde an der EKT Bullerbü berlinweit die dritthöchste Konzentration von NO₂ gemessen. Diese Konzentration übersteigt den europäischen Grenzwert von 40 Mikrogramm deutlich. Höher als an der Kita Bullerbü waren die Werte in Berlin nur noch in der Oranienstraße in Kreuzberg und in der Kaiserin-Augusta-Allee in Charlottenburg. Laut einer Gesundheitsstudie von Greenpeace steigt beispielsweies das Risiko für Asthmaerkrankungen und Lungenkrebs durch das Abgas, das vor allem von Dieselfahrzeugen ausgestoßen wird, erheblich. Weil Kinder sich auf Auspuff-Niveau bewegen, wo die Konzentration der Abgase in der Luft besonders hoch ist, sind die hohen NO₂-Werte für sie besonders schädlich.
Für Reiter ist das viele NO₂ die direkte Konsequenz des Umleitungsverkehrs, der die Schivelbeiner Straße seit der Sanierung der Bösebrücke belastet. Reiter kämpft schon länger dagegen, dass viele Autos statt der vorgesehenen Umleitung über die Malmöer zurück auf die Bornholmer Straße den Weg über die Schivelbeiner Straße und damit mitten durch das Wohngebiet nehmen – bisher ohne Erfolg. Der „falsche“ Umleitungsverkehr sorgt für Dauerstau in Richtung Schönhauser Allee, Unfälle und Verkehr in den Nebenstraßen, sagt Reiter – und eben zu schlechter Luft. Für so viel Verkehr sei sie schlichtweg zu schmal und nicht geeignet.
Über zehn Kitas in der näheren Umgebung
Besonders an den hohen NO₂-Werten an der Schivelbeiner Straße ist, dass sie mitten in einem Familienkiez und nicht etwa an einer Hauptverkehrsstraße oder einem Industriegebiet gemessen wurden. Rund um den Arnimplatz wimmelt es ganz klischeetypisch für Prenzlauer Berg nur so vor jungen Mitbürgern im Vor- und Grundschulalter. Karin Reiter, die um die zehn Kitas rund um die Schivelbeiner Straße gezählt hat, möchte diesen Zustand nicht hinnehmen. „Gerade jetzt, wo die Spielplatz-Saison vor der Tür steht, müsste schnell etwas passieren“, sagt Reiter. „Oder man sollte zumindest den Kitagruppen und Eltern Bescheid geben, dass sie besser auf andere Spielplätze ausweichen.“
Reiter hat deswegen einen Brief an Verkehrsstaatssekretär und Ex-Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) aufgesetzt. Darin fordert Sie einen Katalog für Sofortmaßnahmen, um die akute Abgasbelastung um den Arnimplatz zu mindern. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sieht dagegen weniger Grund zur Sorge. Bei dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Quadratmeter handele es sich um ein Jahresmittel, heißt es vom Sprecher Matthias Tang. „Die Messungen von Greenpeace sind damit kaum vergleichbar, denn sie erstrecken sich nur über einen sehr kurzen Zeitraum von zwei Wochen“, sagte Tang den Prenzlauer Berg Nachrichten auf Anfrage. Innerhalb dieser kurzen Zeit können, zum Beispiel bei windschwachen Wetterlagen, durchaus höhere Werte auftreten, auch dann, wenn, wie in diesem Fall, der Grenzwert eingehalten wird“, so Tang weiter.
Jahresdurchnitt laut Senatsverwaltung deutlich geringer
Es gebe zwar keine eigenen Messstelle in der Schivelbeiner Straße, die Senatsverwaltung berechne das Jahresmittel an Stickoxid aufgrund der Befahrung aber auf lediglich 22 bis 29 µg/m³. Am Arnimplatz dürfe die Belastung dank der freien Fläche und der Entfernung zur Straße noch deutlich geringer sein, so Tang. Man nehme das Problem mit dem Stickoxid natürlich trotzdem ernst und setze sich für eine Verbesserung der Luftqualität ein, indem man künftig versuchen werde, Dieselfahrzeuge aus der Innenstadt zu verbannen und mehr Menschen zum Umsteigen auf Fahrrad und ÖPNV zu bewegen.
Bleibt also zu hoffen, dass die Berechnungen der Senatsverwaltung richtig sind. Ansonsten hieße es für die Arnimkiez-Bewohner bis zur Fertigstellung der Bösebrücke, möglichst viel die Luft anzuhalten. Das Beispiel zeigt jedenfalls: Es braucht mehr Messstationen in Wohngebieten, damit die Stickoxid-Werte künftig regelmäßiger und zuverlässiger überpüft werden können.
Wir haben den Artikel am 9. Mai aktualisiert, nachdem wir die Stellungnahme der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz erhalten haben.