Die Obdachlosenzeitung „Straßenfeger“ hat neue Verkäuferregeln. Dahinter stecken Betrug und aggressives Betteln – der Missbrauch wächst. Was sagt der Chefredakteur? Der blockt und hat „keine Zeit“.
Es scheint hoch herzugehen in den Redaktionsräumen vom „Straßenfeger“ in der Storkower Straße. Beschwerden über „Betrugsversuche und Betteleien insbesondere auch durch ausländische Verkäufer_innen“ häufen sich. So steht es in einem Artikel der Straßenzeitung, geschrieben von Chefredakteur Andreas Düllick. Unter der Rubrik „Taufrisch & Angesagt“ formuliert er neue Verkäuferregeln.
Die lesen sich wie der Versuch, einen Brand zu löschen, der längst hohe Flammen schlägt. Da wird zum Beispiel festgelegt:
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Alle „Straßenfeger“-Verkäufer müssen immer ihren Verkäuferausweis dabei haben und offen tragen.
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Kein Verkäufer darf einen anderen bedrohen oder verdrängen.
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Der „Straßenfeger“ darf nur in Berlin und Brandenburg verkauft werden.
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Wer sich „unmoralischer und krimineller Methoden“ bedient, wird ausgeschlossen.
Die Idee der Zeitung: eine ehrliche Einnahmequelle für Bedürftige und Wohnungslose. Das läuft anscheinend gehörig aus dem Ruder. Stattdessen steht Missbrauch an der Tagesordnung. Und dagegen schreibt Düllick an: „Betrugsversuche und aggressive Betteleien werden registriert und geahndet.“
„Leider keine Zeit im Moment… Sorry.“
Von wem Aggression und Betrug kommen? Was er mit „unmmoralischen und kriminellen Methoden“ meint? Auf diese Fragen kommt nichts von Düllick: „Leider keine Zeit im Moment… Sorry.“
Antworten auf eine schriftliche Anfrage bleibt er schuldig, ans Telefon geht niemand.
Auch wenn der Chefredakteur blockt, überraschend sind seine Anweisungen nicht. „Wir kriegen da kein Problem, wir haben es schon längst“, hatte Düllick den Prenzlauer Berg Nachrichten im November 2013 auf die Frage nach nationalistischen Revierkämpfen gestanden. 30 bis 40 Prozent der Verkäufer waren seiner Schätzung zufolge damals Rumänen, ungewöhnlich für eine Straßenzeitung. Insgesamt wurden 1.600 Verkäufer von der Zentrale in Prenzlauer Berg, dem Verein „mob“, mit Zeitungen versorgt.
Ein rassistisches Fass und eine Verkäufer-Umfrage
Was hinter dem neuerlichen Hilferuf steckt, hatte sich schon vor eineinhalb Jahren angekündigt: Damals hatten anonyme Schreiber ein rassistisches Fass aufgemacht und sich mit Aushängen über Mitverkäufer beschwert: Auf Laternenmasten in Prenzlauer Berg war damals von „rumänischen Banden“ die Rede, die versuchten andere Verkäufer von ihren Plätzen zu vertreiben und sich mit vorgetäuschten Schwangerschaften Geld erschwindelten. Seitdem haben sich die Revierkämpfe wohl verschärft.
Nun soll eine Umfrage unter den „Straßenfeger“-Verkäufern Aufschluss darüber geben, „welche Probleme ihnen besonders auf den Nägeln brennen und wo sie dringend unsere Hilfe benötigen“, heißt es. Auch über feste Plätze für Stammverkäufer wird nachgedacht und eine Ausländer-Quote. Handeln muss der Verein – das wird nach der Lektüre des neuen Regelwerks klar.
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