Immer mehr Rumänen verkaufen die Obdachlosenzeitung „Straßenfeger“. Das führt zu Unmut unter den deutschen Verkäufern, die Spannungen wachsen. Jetzt wird über eine Quote nachgedacht.
Es wird kein Klischee ausgelassen. Der Rumäne, die Bande, der Protzschlitten, die bettelnden Kinder und Frauen, der Pascha zuhause. Schwarze Schrift auf grünem Papier, nicht zu übersehen sind die Aushänge, die seit Neuestem Prenzlauer Berger Laternenmäste zieren. In etwas unbeholfenem Deutsch, aber doch mit eindeutiger Botschaft, wird dort ein zunehmender Konkurrenzdruck unter den Verkäufern der in Prenzlauer Berg produzierten Obdachlosenzeitung „Straßenfeger“ und dem Kreuzberger Pendant „Motz“ skizziert: „Rumänische Banden“, so heißt es dort, versuchten „mit allen Mitteln unsere armen Mitbürger“, gemeint sind Straßenzeitungsverkäufer mit deutschem Pass, „von ihren Verkaufsplätzen zu vertreiben“. Frauen und Kinder würden vorgeschickt, teilweise mit „vorgetäuschten Schwangerschaften“, gebracht würden sie „von ihren Anführern in Nobelautos“, nur um später „in Samt und Seide“ zu wandeln. Der Aushang ist Symptom einer Entwicklung bei den Straßenzeitungsverkäufern: Nationalistisch geprägte Revierkämpfe nehmen zu.
„Wir kriegen da kein Problem“, sagt Andreas Düllick, Chefredakteur des Straßenfegers, „wir haben es schon längst“. Düllick ist gleichzeitig Vorstand des Vereins „mob“, der den Straßenfeger rausgibt und in seinem Vereinshaus der Prenzlauer Allee eine Obdachlosenunterkunft betreibt. Düllick weiß auch, dass unter Obdachlosen für diese Unterkunft inzwischen die nicht anpreisend gemeinte Bezeichnung „Hotel Bukarest“ kursiert. Zwar gäbe diese Zuschreibung die Besucher-Statistik nicht her, betont Düllick, der subjektiven Wahrnehmung unter den deutschen Bewohnern tut das aber kein Abbruch. Von größeren Konflikten aufgrund nationaler Heterogenität ist im Heim auch nichts bekannt – der droht aber jetzt bei den Straßenzeitungsverkäufern.
30 bis 40 Prozent der Verkäufer sind Rumänen
1.600 Straßenzeitungsverkäufer werden laut Düllick von der Prenzlauer Berger Zentrale mit Zeitungen versorgt, er schätzt, dass inzwischen 30 bis 40 Prozent von ihnen Rumänen sind, meist Roma. Dass Ausländer Straßenzeitungen verkaufen, ist nicht selbstverständlich, so Düllick, die meisten anderen Vereine in anderen Städten würden dies nicht zulassen. „Wir haben uns bewusst für die Öffnung entschieden“, so Düllick. Mittlerweile zeige sich aber, dass dabei Konflikte nicht vermieden werden können. Verkäufer, die teilweise schon seit Jahrzehnten am gleichen Platz ihre Zeitung verkaufen, sähen sich auf einmal zusätzlicher Konkurrenz ausgesetzt; viele empfänden das als Vertreibung. Die es faktisch nicht geben kann: Denn Straßenzeitungsverkäufer haben laut Düllick in Berlin keine festgelegten Verkaufsstandorte und damit auch kein Recht auf einen Stammplatz.
Inzwischen überlege man nun auch im mob. e.V., ob die Zahl der ausländischen Verkäufer nicht doch kontrolliert werden sollte. „Es stellt sich schon die Frage, wieviel rumänische Verkäufer das System aufnehmen kann, ohne dass es zu unüberbrückbaren Problemen kommt“, sagte Düllick. Konkrete Beschlüsse gebe es allerdings noch nicht, das Thema komme aber demnächst auf die Tagesordnung im Vorstand.
Kinder dürfen nicht verkaufen
Die in Prenzlauer Berg ausgehängten Flyer sind Düllick noch nicht zu Gesicht gekommen. Die dort geäußerten Vermutungen über die rumänischen Verkäufer hält er für Mythen, die leider nicht aus der Welt zu schaffen seien. „Natürlich sind viele der Verkäufer besser organisiert, weil sie im Familienverbund auftreten. Das heißt aber nicht, dass es eine Mafia ist. Und dass man mit dem Verkauf von Obdachlosenzeitungen Reichtum anhäufen kann, ist sowieso Blödsinn. Da reicht es, einfach mal durchzurechnen.“
Dass es Verfehlungen unter Verkäufern – deutschen wie ausländischen gleichermaßen – gibt, ist laut Düllick nicht vermeidbar. Allerdings gebe es dafür Sanktionsmöglichkeiten. So müsse jeder Verkäufer, bevor er Zeitungen verkaufen kann, eine Selbstverpflichtung unterschreiben, sie gibt es auf Deutsch, Polnisch und Rumänisch. In der Verpflichtung ist unter anderem festgehalten, dass Kinder keine Zeitungen verkaufen dürften und Betteln verboten sei. Bei Verstößen droht ein Entzug der Verkaufslizenz. „Wenn man solche Verstöße beobachtet kann man das melden“, so Düllick. Auch müssten sich Verkäufer jederzeit als solche ausweisen können.
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