Es scheint so rot-grün-rot

von Anja Mia Neumann 11. Oktober 2016

Linke, Grüne und SPD haben sich in Pankow zusammengerauft. Sie verhandeln über eine Zählgemeinschaft im Bezirk. Bei Erfolg hieße das: Unser Bürgermeister kommt künftig von der Linken und nicht mehr von der SPD.

Hinter den Kulissen der Macht wird getagt: Stundenlang haben Pankows Parteien nach den Wahlen im September und dem Fast-Remis-Ergebnis von Linken (21,1 Prozent), Grünen (20,6 Prozent) und SPD (20,0 Prozent) sowie den fast gleichauf stehenden AfD (13,3 Prozent) und CDU (12,8 Prozent) schon zusammengesessen. Und jetzt geht es erst richtig los.

Denn: Die Aufgabe, die sie von den Pankower Wählern gestellt bekommen haben, ist nicht die einfachste. Nur ein Bündnis aus drei Parteien ermöglicht die sichere Wahl eines Bürgermeisters. Zur Auswahl stehen: rot-grün-rot (wohl mit dem Linken Sören Benn an der Spitze) oder grün-SPD-rot-schwarz (mit dem Grünen Jens-Holger Kirchner ganz oben, der aber auch als ein möglicher Senator für Stadtentwicklung oder Verkehr gehandelt wird). Wichtig dafür: Mit der AfD wollen die anderen Parteien nicht verhandeln; die FDP spielt mit nur zwei Sitzen bei Rechenspielen kaum eine Rolle.

Die SPD – nach den herben Wahlverlusten von über 8 Prozent und dem Verlust des Bürgermeisterpostens erst einmal sprachlos – ist nun das Zünglein an der Waage. Nun scheint sich die Partei für die erste, nämlich rot-grün-rote Variante, entschieden zu haben.

 

SPD: Das klappt stadtentwicklungspolitisch nicht mit der CDU

 

„Wir sehen wenig politische Schnittmengen mit der CDU“, nennt die SPD-Fraktionsvorsitzende Rona Tietje als eine Begründung. „Vor allem stadtentwicklungspolitisch.“ Dagegen habe es nach der Wahl immer konstruktive Gespräche mit Grünen und Linken gegeben. Am Montagabend stimmte denn Fraktion und Kreisvorstand der SPD Pankow einstimmig für die Aufnahme der Verhandlungen mit Linken und Grünen. Am Dienstagabend geht es los – und jeden Abend der Woche weiter.

Der möglicherweise Bezirksbürgermeister in spe Sören Benn verrät den Fahrplan der Verhandlungen: Erst einmal gehe es um „Inhaltspakete“ (die da wären 1. Stadtentwicklung/Infrastruktur, 2. Bürgerbeteiligung/Integration, 3. Schule, 4. Personal/Finanzen, 5. Kultur/Weiterbildung und 6. demokratischer Konsens). Erst danach werde über „Bezirksamtszuschnitte“ und „Personen dafür“ gesprochen.

 

Linke: Eine Zählgemeinschaft nur mit unserem Bürgermeister

 

Benn macht auch noch mal deutlich: „Für eine Zählgemeinschaft, bei der wir nicht den Bürgermeister stellen, stehen wir nicht zu Verfügung.“ Heißt: Rot-grün-rot gibt es in Pankow nur mit Benn an der Spitze.

Am 27. Oktober soll sich die neue Bezirksverordnetenversammlung (als so etwas wie Pankows Parlament) konstituieren. Wenn bis dahin mindestens drei von fünf Stadtratsposten feststehen, kann auch das Bezirksamt mit der Arbeit starten (im Grunde ist das die Bezirksregierung) und das alte mit SPD-Bürgermeister Matthias Köhne ablösen.

Die neue viertstärkste Kraft im Bezirk, die AfD, wird derweil kritisch beäugt. Sie hat durch ihr starkes Ergebnis im Bezirk für ein Berliner Unikum gesorgt: Fünf Posten im Bezirksamt gehen an fünf Parteien. In keinem anderen Bezirk ist das der Fall.

So werden künftig ein Mensch von der Linken, einer von den Grünen, einer von der SPD, einer von der AfD und einer von der CDU nebeneinander auf der Bezirksamtsbank sitzen. Klar ist: Das Bezirksamt spricht mit einer Stimme. Sollte es zumindest. Kirchner von den Grünen drückt es so aus: „Das Bezirksamt ist ein Kollegialorgan. Der Bürger hat das so gewählt auch wenn es dem einen oder anderen vielleicht nicht gefällt.“

 

Und die AfD selbst? Die plant ein Casting mit neun Kandidaten.

 

Derweil wird bei den Verhandlungen heiß diskutiert, welchen Stadtratsposten die AfD wohl bekommen sollte, wie von mehreren Seiten zu hören ist. Die einen meinen: Gebt ihnen einen Posten, auf dem sie nichts kaputt machen können. Die anderen fordern: Sie sollen ruhig zeigen, was sie können und gegebenenfalls durchschaut werden.

Die AfD selbst plant für Samstag ein Treffen mit ihren Stadtratskandidaten – parteiinterne sowie externe. Neun sind es an der Zahl, wie der AfD-Bezirksvorsitzende Ronald Gläser sagt. Darunter auch ein Universitätsprofessor. Ein frisch gewählter Vorstand werde sich die Kandidaten anschauen. „Das läuft etwa im 15-Minuten-Takt.“ Nach diesem AfD-Casting könnte die Entscheidung für den ersten Posten im Bezirksamt schon gefallen sein.

 

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