Die Teilzeit-Spielstraße in der Gudvanger Straße wurde gestoppt. Von einer Anwohnerin. Nun bekommt die Idee ein pädagogisches Konzept, das sie retten soll: Die Straße als Entdeckungsraum in der Stadt.
Darum geht’s:
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Die Initiative Temporäre Spielstraße Gudvanger kämpft dafür, dass ihre Teilzeit-Spielstraße als Veranstaltung anerkannt wird, nachdem sie durch eine Anwohnerin vor Gericht gestoppt wurde.
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Helfen soll dabei ein Konzept, das die Straßen in der Stadt als Entdeckungs-, Begegnungs- und Bildungsraum beschreibt.
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Am Dienstag (13. Oktober) wird demonstriert: Für freies Spiel auf der Straße und mit der Forderung an die Berliner Straßenverkehrsbehörde, temporäre Spielstraßen zuzulassen.
„Freies Kinderspiel ist genauso bedroht wie die Kreuzkröte“: Mit diesem Zitat von der Tagung „Spielen ist Kinderrecht“ beginnt das Konzept der Initiative temporäre Spielstraße. Die Bedrohung gilt besonders für den urbanen Raum, heißt es – und zu dem zählt die Gudvanger Straße im Humannkiez wohl ganz sicher. Und um die geht es schließlich.
Das Konzept, das der PBN-Redaktion vorliegt, ist verfasst von zwei Absendern: der Drachenreiter GmbH, die eine Kita an der Gudvanger Straße betreibt, als Vertreterin der Anwohner-Initiative, und vom Jugendamt Pankow.
Die zehn Seiten sollen die Rettung sein für die erste Berliner Teilzeit-Spielstraße.
Spielplätze sind nicht für alle attraktiv
„Gerade bei älteren Kindern sind Spielplätze einfach nicht mehr attraktiv“, erklärt André Schumacher von Drachenreiter und Vertreter der Gudvanger-Initiative. „Außerdem sind sie immer vorgestaltet.“ Wirklich freies Spiel sei da schwierig.
Was war passiert? Immer dienstags startete die temporäre Spielstraße in diesem Frühling als Pilotprojekt, ohne Autos und komplett gesperrt vor den Hausnummern 16 bis 22 (im Gegensatz zu anderen Spielstraßen, die dauerhaft ausgewiesen sind).
Doch der Unmut einer Anwohnerin brachte die Idee vor das Verwaltungsgericht. Das urteilte: Die rechtlichen Rahmenbedingungen reichten nicht aus, um die Spielstraße in der Form zu betreiben. Eine Veranstaltung muss es werden – betrieben von der Initiative aus Anwohnern und angrenzenden Einrichtungen, die sie ins Leben gerufen hat.
Freiräume nicht nur für Autos
Das Urteil hat zwar mit den Beweggründen der Anwohnerin wenig zu tun Die sollen sein: Unlust auf Kinderlärm und der Unwille jeden Montag das Auto umzuparken, wie zu hören ist. Sie selbst hält sich in der Öffentlichkeit bedeckt. Die Entscheidung des Gerichts zwingt die Initiative aber zum Handeln: Vorerst müssen die Schilder zur temporären Spielstraße verdeckt bleiben. Nun muss eine Lösung her.
Die steht im Konzept: Straßen sind Freiräume in der Stadt, aber nicht nur für Autos, sondern auch für Kinder. Denn hier ist ein bisschen mehr und anderes Toben und Raumerleben möglich, als woanders.
Den Ausweg von der Bedrohung des freien Spiels im dicht besiedelten Prenzlauer Berg? Den biete die Straße als neuer „Entdeckungs-, Bildungs- und Begegnungsraum“, findet die Initiative.
Keine Kinder nirgends. Aber auch keine Autos. So sieht die Gudvanger Straße im Bereich der temporären Spielstraße momentan aus. Foto: Anja Mia Neumann
Klar, so völlig frei wie im Wald kann das Spielen in der Stadt nicht sein. Aber: „Wir wollen einen Ort für neue Entdeckungen und für soziale Begegnungen schaffen“, sagt André Schumacher. Generationsübergreifend. Auch Nachbarn oder Rentner sind willkommen.
Auf der Straße gehe vieles, was sonst schwierig sei. Kreide-Sprüh-Events, Parcours-Klettern und -Springen, ein Spielmobil und Musik etwa. Die Straße ist einfach ein Raum, der gefüllt werden kann.
Raum für kindliche Phantasie auf dem Asphalt
„Kinder werden im urbanen Raum verdrängt auf separate, eigens für Spielzwecke eingerichtete Areale“, heißt es im Konzept. „Alle Räume sind eingezäunt. (…) Die meisten Räume lassen sich nicht verändern bzw. neu gestalten.“ Ein langweilige Teerstraße bietet da mehr Möglichkeiten für die Phantasie, die ja bei Kindern bekanntermaßen blühend ist.
Die Unterstützung durch den Bezirk Pankow ist groß. Mit einer Behelfskonstruktion hatte die Spielstraße beim Start als Veranstaltung vom Jugendamt gegolten. Aber das scheiterte vor Gericht.
„Komplett vom Verkehr abhängen können wir das Stück Straße nicht“, sagt Torsten Kühne (CDU), als Stadtrat verantwortlich für Verkehr. Wichtig sei nun, dass es „eine Veranstaltung mit pädagogischer Komponente“ werde. Getragen von der Initiative. Ähnliche temporäre Spielstraßen gibt es bereits in Bremen und Frankfurt am Main.
Die Hoffnung auf den Dominoeffekt
So ganz überschauen kann die Initiative noch nicht, was auf sie zukäme, sollte sie tatsächlich Veranstalter werden. „Das ist auch eine Kostenfrage“, sagt Schumacher. Anmeldung, Versicherung, Reinigung – daran hänge viel.
Einen finanziellen Unterstützer der Idee hatte es aber zu Beginn schon gegeben: Das Deutsche Kinderhilfswerk spendete 5000 Euro.
Sollte die Gudvanger Straße als temporäre Spielstraße juristisch und gesetzlich fest geregelt werden, könnten andere Berliner Initiativen mit ihren Straßen nachziehen. „Wir wollen ein Modell bieten, dass die temporäre Spielstraße auch für andere Stadtteile möglich macht“, sagt Schumacher. Die große Hoffnung ist der Dominoeffekt.
Die Initiative Temporäre Spielstraße Gudvanger Straße hatte für den Dienstag, 13. Oktober 2015 zu einer Demonstration auf der Straße aufgerufen.
Die Unterstützer fordern eine Rücknahme der einstweiligen Verfügung durch das Verwaltungsgericht, eine Zulassung von temporären Spielstraßen durch die Berliner Verkehrsbehörde und ein bundesweites Straßenrecht, das die Kommunen freier entscheiden lässt, wie sie ihre Straßenflächen nutzen.
Hier der Aufruf zur Demonstration.
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