Gericht stoppt Teilzeit-Spielstraße

von Anja Mia Neumann 13. Juli 2015

Ein Vorzeige-Projekt Berlins – die wöchentliche Gudvanger-Teilzeit-Spielstraße – ist gestoppt worden. Vom Gericht. Durch den Eilantrag einer Anwohnerin.

Eigentlich sollten Kinder bis Oktober jeden Dienstag auf einem Teilstück der Gudvanger Straße im Humannkiez toben, rollern und kicken. Auf einer temporären Spielstraße, als Test und zum ersten Mal in ganz Berlin. Doch dieses Vorhaben ist vorerst gestoppt. Eine Anwohnerin der Hausnummer 22 an der Straße hatte ein Eilverfahren gegen das Bezirksamt und seine Teilzeit-Spielstraße beantragt. Am Montag erklärte das Verwaltungsgericht Berlin tatsächlich den vorläufigen Stopp.

Begründung: Die Teilzeit-Spielstraße könne nicht auf die von der Behörde herangezogene Vorschrift der Straßenverkehrsordnung gestützt werden. Danach bedürften Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, der Erlaubnis. Um das zu umgehen, hatte das Bezirksamt sich mit einem Trick zu helfen versucht: Die Spielstraße wurde zu einer regelmäßigen Veranstaltung und das Jugendamt Pankow der offizielle Veranstalter.

 

„Man müsste die temporäre Spielstraße auf die richtigen Füße stellen.“

 

Dieser Argumentation erteilte das Gericht nun eine Absage. Ungeachtet dessen sei das Bezirksamt nicht Veranstalter im Sinne der Vorschrift, hieß es in der Begründung. „Denn nicht das Jugendamt, sondern eine Initiative von Anwohnern habe das freie Spielen vorbereitet und organisiert, die selbst aber nicht um Genehmigung nachgesucht habe.“ Außerdem mangele an einer ausreichenden Begründung des öffentlichen Interesses an der Spielstraße.

„Man müsste die temporäre Spielstraße auf die richtigen Füße stellen“, erklärte Gerichtssprecher Stephan Groscurth den Prenzlauer Berg Nachrichten. Denkbar seien etwa Schilder, die ein Parkverbot an bestimmten Tagen und zu bestimmten Uhrzeiten auswiesen. Wie bei einem Wochenmarkt.

 

Anwohnerin äußert sich nicht zu dem, was sie antreibt

 

Ähnlich sieht das auch Matthias Groh von der Inititative Spielstraße Gudvanger. „Bei einem Wochenmarkt wird ja auch eine Lösung gefunden“, sagte Groh. Für ihn hat es eine klare Kooperation mit Bezirksamt und Jugendamt gegeben, die sich um die Genehmigung kümmern sollten. Er hält die temporäre Spielstraße nach wie vor für eine „geniale Idee“, die einstimmig in der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen worden war und eben nur dann Parkplätze wegnimmt, wenn Menschen auf der Arbeit sind.

„Es ist gar nicht so klar, welcher Schaden für die Anwohnerin entsteht“, sagte Groh. Versuche von der Inititative mit ihr in Kontakt zu kommen, seien stets gescheitert. Namentlich möchte sie in der Berichterstattung nicht genannt werden.

Auch das Bezirksamt hat nur schriftlich mit der Antragstellerin Kontakt gehabt. Elf von 14 Mitparteien in dem Haus standen nach Angaben von Ordnungsamtsstadtrat Torsten Kühne (CDU) hinter dem Eilantrag und hatten Unterschriftenlisten geschickt. „Darin wird die Unterversorgung mit Spielplätzen bestritten“, erklärte Kühne. Welche Motivation hinter dem Kampf gegen die temporäre Spielstraße stecke, werde nicht klar. Vermutlich – so sagen alle Beteiligten – geht es um wegfallende Parkplätze und um gefühlte Lärmbelästigung.

 

Zu viele Kinder für zu wenige Spielplätze

 

Kühne hatte sich im Vorfeld noch optimistisch geäußert, dass der Test der Spielstraße bis Oktober weiterlaufen könne. Denn es mangele in Prenzlauer Berg an Spielplätzen und Spielflächen. Der angrenzende Humann-Spielplatz zum Beispiel ist regelmäßig überfüllt.

Von der Entscheidung des Gerichts war Kühne überrascht: „Es ist sehr bedauerlich“, sagte er. „Kinder und Jugendliche müssen in Pankow warten bis sie weitere Spielflächen bekommen.“ Die Argumentation des Gerichts sei sehr klar und stelle offenbar grundsätzlich in Frage, dass Kinder auf der Straße spielen sollten.

 

Unklare Rechtssituation auch in Frankfurt und Bremen?

 

Die Straßenverkehrsordnung als Bundesrecht ist demzufolge kein Mittel, um temporäre Spielstraßen zu ermöglichen. Zumindest so, wie die StvO aktuell formuliert ist. Wie das in Frankfurt am Main und Bremen aussieht, wo es ebenfalls temporäre Spielstraßen gibt? „Wo kein Kläger, da kein Richter“, meinte Kühne.

Die temporäre Spielstraße in der Gudvanger Straße als Pilotprojekt Berlins geht auf die Inititative von Kitas, Anwohnern und der Verkehrs-AG der Wilhelm-von-Humboldt-Schule zurück. Sie war im Februar von der Bezirksverordnetenversammlung Pankow beschlossen und nach einigem Hin und Her und dem Ringen nach einer rechtlichen Grundlage im Mai gestartet. Das Bezirksamt kann Beschwerde gegen den Beschluss des Gerichts einreichen. Der Stadtrat wird sich dazu mit seiner Rechtsabteilung beraten.

 

Update 13./14. Juli 2015: Der Artikel ist um Stellungnahmen des Stadtrats und der Spielstraßen-Inititative erweitert worden.

 

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