Wie wild ist der Westen?

von Juliane Schader 29. April 2014

Ein Jahr lang hat Filmemacherin Karin Rothe die Diskussion um das Thälmann-Areal mit der Kamera begleitet. Heute Abend läuft ihre Dokumentation im Rbb.

Ernst-Thälmann-Park – was da nicht was? Etwas mit Investoren, Bürgerbeteiligung, Neubauten und Bodenverseuchung? Für alle, die die Diskussion der vergangenen Monate nicht mehr ganz so präsent haben, gibt es gute Nachrichten: Heute Abend läuft die Zusammenfassung der Ereignisse im Rbb. (Hier geht’s zum Film in der Mediathek.)  „Wildwest im Thälmannpark“ heißt die 45-minütige Dokumentation der Filmemacherin Katrin Rothe – bekannt durch und seit Neuestem auch Grimme-Preis ausgezeichnet für ihren Film „Betongold“, mit dem sie die Sanierung und Entmietung ihres Wohnhauses in der Bergstraße begleitet hat.

Über ein Jahr lang war Rothe mit der Kamera im Thälmannpark unterwegs. Nun erzählt sie noch einmal die Geschichte des Parks, der zum 100. Geburtstag von Ernst Thälmann 1986 als sozialistische Vorzeigesiedlung auf dem Gelände eines ehemaligen Gaswerks eröffnet wurde. Man erfährt, dass hier die Mieten günstig und die Bewohner alteingesessen sind, und wie empfindlich diese darauf reagieren, als plötzlich in ihrer Nachbarschaft Neubaukomplexe entstehen.

 

„Wir müssen was bewirken“

 

Rothe dokumentiert, wie sie sich daraufhin zur Anwohnerinititative Thälmannpark zusammenschließen. Man sieht, wie sie ihre Teddy 2.0-Idee von einem langen Grünstreifen vom Thälmann- bis zum Anton-Saefkow-Park entwickeln. Wie sie bis zur Brust im Wasser den Teich pflegen, wie sie Müll sammeln und wie sie mit Politikern und Investoren diskutieren. „Wir müssen was bewirken. Sonst wohnen wir hier nicht mehr“, erklärt eine Anwohnerin. „Die Anwohnerinitiative wird sich in Zukunft überall einmischen“, prophezeit Rothe aus dem Off.

Auch die vom Bezirk in Auftrag gegebene Voruntersuchung, die die Potentiale und Schwachstellen des Areals identifizieren soll, wird begleitet. Der Workshop vom Juni, die Podiumsdiskussion vom Herbst letzten Jahres, alles kann man noch einmal nachvollziehen. So wird nicht nur festgehalten, wie vehement sich die Anwohner gegen Neubauten wehren, wie abgeklärt ein Vertreter der Investoren über ihre Sorgen hinweggeht und wie schwer es der Politik fällt, zu vermitteln. Es wird auch sichtbar, welche Herausforderung eine Bürgerbeteiligung darstellt, bei der sich wirklich alle mitgenommen fühlen.

 

Investor, das unbekannte Wesen

 

Das festzuhalten ist sicher eine der Stärken der Dokumentation. Die größte Schwäche ist, dass sie die vermeintlichen Gegenspieler nicht zu Wort kommen lässt. Ein Statement der Investoren fehlt ebenso wie die Sicht der Menschen, die in die Neubauten ziehen. Die Angst der aktuellen Bewohner vor steigenden Mieten und Verdrängung wird mehr als deutlich. Das, wovor sie sich fürchten, bleibt jedoch verborgen hinter mit Abscheu ausgesprochenen Worten wie „Immobilienentwickler“ oder „Investor.“

Was sind das für Typen, diese vermeintlich knallharten Kapitalisten? Tragen sie Zylinder? Essen sie Kinder? Und haben sie vielleicht ihre ganz eigene Vision für das Areal, die zu hören doch immerhin nicht schaden könnte? Auch von den Menschen, die jetzt zuziehen, wüsste man gerne mehr: Haben sie wirklich goldene Wasserhähne, einen ausklappbaren Golfplatz auf dem Dach und einen lukrativen Job bei der Atomindustrie oder im Landminenvertrieb?

 

Gentrifizierung als Dämon

 

Wir erfahren es nicht. Was schade ist. Auch die andere Seite zu hören hätte dem Film noch mehr Tiefe geben können. So bleibt die Gentrifizierung, vor der sich hier alle fürchten, ein gesichtsloser Dämon. Der sich, so vermittelt es das „Wildwest“ im Titel, im Thälmannpark grenzenlos auszutoben scheint. (Obwohl Bezirkspolitiker mehrmals darauf verweisen, dass alle Neubaupläne geltendem Baurecht entsprechen.)

„Wie viel Demokratie verträgt Marktwirtschaft? Oder müsste man nicht umgekehrt fragen?“ sind die Fragen, die Rothe sich am Schluss ihres Films noch stellt.

Ihr Bericht endet im Frühjahr dieses Jahres mit der überraschenden Nachricht, dass der Thälmannpark unter Denkmalschutz gestellt wird. Für Anwohner, Politiker und Investoren geht es derweil weiter. Nächster Termin ist der 27. Mai. Dann wird die Erörterung der Bürger-Einwände zu den Planungen am Park fortgesetzt.

 

„Wildwest im Thälmannpark“, am Dienstag, 29. April um 21 Uhr im Rbb. 

 

 

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