Eine Frage der Ehre

von Juliane Schader 13. März 2014

Eigentlich soll es eine Ehre sein, wenn eine Straße nach einer Person benannt wird. Der Zustand mancher Straßen ihm Kiez stellt dieses Konzept jedoch in Frage.

Wie hoch darf eigentlich der Anteil an Schlaglöchern im Verhältnis zur Asphaltdecke sein, damit eine Straße offiziell als Straße und nicht etwa als Feldweg gelten kann? Diese Frage stellt sich jedem, der einmal mit dem Rad oder einem nicht so geländegängigen Auto die Anton-Saefkow-Straße befahren hat.

Benannt ist diese nach dem KPD-Politiker, Widerstandskämpfer und Nazi-Opfer Anton Saefkow. An ihn zu erinnern und sein Tun zu ehren kann man wohl als Motiv bei der Namenswahl unterstellen. Aber ist es noch eine Ehre, wenn eine derart kariöse Schlaglochpiste den eigenen Namen trägt?

 

Dann doch lieber Zahlen

 

Diese Frage kam in der vergangenen Woche bei der Tagung der Pankower Bezirksverordneten auf. Eine Anwohnerin aus Karow stellte sie, wo derzeit ein paar bislang nur durchnummerierte Straßen nach ehrenwerten Pankowerinnen benannt werden sollen. „Kennen Sie den Zustand dieser Straßen?“, fragte sie. Wenn das Bezirksamt diesen unbedingt Namen geben wolle, dann doch besser Schlamm- oder Buckelpiste. Mit Ehre habe das nichts zu tun.

Beim Bezirk sah man das pragmatisch – der Zustand der Straße sei bei der Namenswahl nicht entscheidend, sagte Jens-Holger Kirchner (Grüne), Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung.

Und was sollte er auch anderes sagen? In Pankows Parks ist das Grün durch Müll und Ratten ersetzt, Gehwege müssen aufgrund ihres schlechten Zustands gesperrt werden und in den Schulen muss man sich zwischen Toiletten und einem funktionierenden Brandschutz entscheiden. Überall fehlt das Geld zur Sanierung. Wenn hier wirklich der Zustand ausschlaggebend für die Benennung wäre, könnte man im Bezirk ganz nach Karower Vorbild gleich alle Namen durch Nummern ersetzen.

 

Berliner Romantik mit Ratten

 

Beispiel gefällig? Nehmen wir den Arnimplatz, benannt nach Achim von Arnim, Autor der Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ und bedeutender Vertreter der Heidelberger Romantik. Er gibt seinen Namen her für einen Platz, auf dem selten der Rasen gemäht wird und sich dafür die Ratten umso wohler fühlen. „Dit is halt Berliner Romantik“, könnte man zynisch behaupten. Oder den Ort in „Platz 1“, was jedoch auch missverständlich wäre, oder alternativ „Platz der fröhlichen Ratten“ umbenennen.

Der Universalgelehrte Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz muss ertragen, dass sein Name genannt wird in Diskussionen um Toiletten und Freunde des billigen Biers. Käthe Kollwitz ist der Tatsache ausgeliefert, dass sie nun immer in einem Satz mit steigenden Mieten, Gentrifizierung und Spätzlen auftaucht. Und Friedrich Fröbel, verständnisvoller Pädagoge und Erfinder des kindgerechten Kindergartens, muss hinnehmen, dass ein zunehmend baufälliges Bezirksamt mit lecken Wasserleitungen und undichten Fenstern seinen Namen trägt.

 

Neue Namen für alte Straßen

 

Keine 25 Jahre ist es her, da wurde auch in Prenzlauer Berg diskutiert, ob die Namensgeber von Straßen diese Ehre noch verdient hätten. Der Bulgarische Kommunist Georgi Dimitrow, SED-Funktionär Franz Dahlem und KPD-Politiker Wilhelm Florin verschwanden damals aus dem Stadtbild. Sie alle erschienen damals den nach ihnen benannten Straßen nicht mehr die angemessene Ehre zu erweisen.

Angesichts der Schäbigkeit mancher Straßen könnte sich die Frage nun umgekehrt stellen.

 

 

NEWSLETTER: Damit unsere Leserinnen und Leser auf dem Laufenden bleiben, gibt es unseren wöchentlichen Newsletter. Folgen Sie uns und melden Sie sich hier an!

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar