Zeha Berlin: „Irgendwas mit Leisten“

von Juliane Schader 12. Februar 2014

Von Schuhen hatte Alexander Barré lange keine Ahnung. Andernfalls hätte er sich kaum getraut, vor zehn Jahren die vergessenen DDR-Schuhe von Zeha neu auf den Markt zu bringen.

Um von der Prenzlauer Allee in die 1960er Jahre zu gelangen, muss man nur ein Altbau-Stockwerk erklimmen. Schreibtisch, Schrankwand, Sesselchen, im Büro von Alexander Barré könnte man direkt eine Folge Mad Men drehen. Sogar der uralte Metalltresor in der Zimmerecke passt ins Bild. Deutlicher kann eine Firma nicht zeigen, dass sie Wert auf Design legt und dabei ein Herz für Historisches hat. Genau darum geht es bei Zeha Berlin.

Zeha, diesen Markennamen kennt jeder, der in der DDR Sport trieb. Denn Zeha (später: VEB Spezialsportschuh Hohenleuben) war der Sportschuhhersteller der DDR, Ausstatter der Olympiamannschaft und folglich so begehrt, dass es die Schuhe oft nur als Bückware gab. Produziert wurden sie im thüringischen Hohenleuben; ihren Namen verdankt die Firma den Initialen des Gründers Carl Häßner, CH.

Auch Alexander Barré, der am Müggelsee aufwuchs, spielte als Jugendlicher in Zeha-Schuhen Fußball – allerdings nur zu besonderen Anlässen. „Beim Turnier wurden sie ausgeteilt und danach wieder eingesammelt“, erzählt er. Das war das Schuh-Schonprogramm der Mangelwirtschaft.

 

Museumsstück Bobanschubschuh

 

Dann kam die Wende, und mit ihr füllten sich die Läden mit Adidas, Puma und Nike. Zeha wollte keiner mehr. 1993 ging das Unternehmen, wie so viele, ein. Doch einige Paar Schuhe überlebten, etwa im Schrank von Freunden von Freunden von Barré.

An deren Füßen entdeckte er die alten Zeha-Treter im Jahr 2002 wieder und begeisterte sich gleich für deren Retro-Design. Die erste Geschäftsidee – alte Schuhbestände ausfindig machen und verkaufen – war geboren. Und musste nach ein wenig Recherche gleich wieder beerdigt werden. Denn außer einer ausgeweideten Fabrik im thüringischen Wald und einer Sammlung Schuhmodelle im Heimatmuseum von Weida, wo die Marke Ende des 19. Jahrhunderts gegründet worden war, war nichts übrig geblieben.

Doch gerade die Vielfalt und Gestalt der Modelle – vom Bobanschubschuh bis zum Kugelstoßerschuh war alles dabei –  ließ Barré und seinen damaligen Geschäftspartner Torsten Heine nicht mehr los: Wenn es keine alten Schuhe mehr gibt, muss man eben neue produzieren, dachten sie sich. Da die Markenrechte gerade abgelaufen waren, meldeten sie Zeha als Unternehmen auf ihren Namen wieder an. Fehlte nur noch der Schuh.

 

Irgendwas mit Leisten

 

Studiert hat Barré einmal Maschinenbau. 2002 verdiente er sein Geld als Berater und Booker. Von Schuhen hatte er folglich keine Ahnung, als er ins Schuhgeschäft einstieg. „Ich wusste nur: irgendwas mit Leisten“, erzählt er. Das war dann aber schon mal der richtige Ansatz.

Über das Telefonbuch fand er einen Experten in Pirmasens, der schon für Rudi und Adi Dassler, die Gründer von Puma und Adidas, als Leistenmacher gearbeitet hatte. Nach einem alten Zeha-Schuh designte er Barré und seinem Kollegen die nötigen Leisten und gab den zwei Berliner zudem zwei Weisheiten mit auf den Weg. „Ich wisst gar nicht, was ihr da macht. Nur deshalb habt ihr diese Idee“, lautete die eine. „Jungs, wenn ihr bei einem Produzenten seid und der sagt ,Kein Problem’, dann habt ihr ein Problem“, die andere.

„Er hatte recht“, meint Barré.

Denn tatsächlich bereitet die Produktion der Firma lange Sorgen. Erst stimmte die Qualität der Schuhe nicht, dann wurde nicht rechtzeitig geliefert. Andere gingen nicht sorgsam mit dem Material um. Heute werden die Zeha-Schuhe in der Slowakei und Portugal gefertigt. Mittlerweile gehören neben Sneakern auch klassische Lederschuhe zum Programm. Verkauft werden sie in sechs eigenen Läden sowie über andere Händler und im Internet.

 

Gürtel für eine rundere Marke

 

Investiert haben Barré und Heine erst ihr eigenes Geld, dann das Geld von Freunden und später das eines Investors, der das Unternehmen bis heute unterstützt. Zahlen möchte Barré nicht nennen, doch er lässt durchblicken, dass es ganz so einfach alles nicht ist. 2013 hat Zeha Berlin Insolvenz angemeldet; derzeit stellt sich die Firma aber neu auf: Mitgründer Torsten Heine ist ausgeschieden, Alexander Barré ist nun alleiniger Geschäftsführer. Auch das Design der Schule, das er für ein paar Jahre zwei Profis überlassen hatte, macht er nun wieder selbst. Zudem möchte er in Zukunft auch mehr Accessoires wie Gürtel oder Taschen anbieten. „Damit die Marke ein wenig runder wird“, meint Barré.

Dazu passt auch der Umzug des Unternehmens nach zehn Jahren aus der Heinrich-Roller-Straße in das 60er-Jahre-Gedächtnis-Büro in der Prenzlauer. Die Möbel stammten übrigens aus dem Keller der Eltern, erzählt Barré. Zurück in die Zukunft ist halt Programm: „Natürlich sind die Schuhe für mich auch ein Stück Kindheit“, sagt er. Mit Ostalgie habe das aber nichts zu tun. „Es ist einfach ein Schuhdesign, das ich gut finde.“

 

 

Unter dem Titel „Von hier – Geschäftsideen aus Prenzlauer Berg“ stellen wir Unternehmen aus dem Kiez vor. Bisher erschienen Texte über

den Quetschobst-Hersteller „Erdbär – Freche Freunde“,

die Taschen-Entwickler von „Tausche Tasche“,

den Online-Brillenhändler „Mister Spex“,

den Spielekisten-Versand „Tollabox“

und die vegane Supermarkt-Kette „Veganz“.

 

 

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