Schule auf die grüne Wiese?

von Juliane Schader 3. Februar 2014

Die alte Schule in der Pasteurstraße soll wieder in Betrieb genommen werden. Doch das birgt Probleme. Kritiker fordern daher, die alte Idee eines Schul-Neubaus auf der Werneuchener Wiese wiederzubeleben.

Es ist eine einfache Rechenaufgabe: Wenn in Prenzlauer Berg in den vergangenen Jahren zwei neue Grundschulen gegründet sowie diverse bestehende Grundschulen erweitert wurden – wie lange dauert es, bis eine neue Oberschule her muss?

Eine der Antworten auf diese Frage steht in der Pasteurstraße 9-11 und derzeit leer. Im Herbst dieses Jahres soll mit der Sanierung des einhundert Jahre alten, denkmalgeschützten Schulgebäudes begonnen werden. 20 Millionen Euro sind dafür eingeplant; ab 2017 soll es als Gymnasium genutzt werden können.

 

Keine Schule ohne Schulsport

 

Doch das Vorhaben birgt Probleme. Denn die neue Schule erfordert den Bau einer Sporthalle in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße, für den der Bezirk noch ein Grundstück kaufen muss, was sich als schwierig erweist. Zudem machen derzeit die Anwohner gegen diesen Neubau mobil. Im Bezirk möchte sich niemand festlegen, wann dort einmal Sport getrieben werden kann. (Mehr dazu steht hier.)

Darüber hinaus sind Schulen heute laut Pankows Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) im Idealfall wandelbar: Je nach Bedarf können sie als Grund- oder Oberschule genutzt werden. Bei den schwankenden Kinderzahlen im Bezirk erscheint das sehr vernünftig. Nur wurde schon vor Jahren festgestellt, dass sich das alte Gymnasium in der Pasteurstraße nicht als Grundschulstandort eignet. Außerdem ist der Pausenhof dort nach heutigen Vorstellungen viel zu klein.

Für die Anwohner der Dietrich-Bonhoeffer-Straße als Kritiker des Projektes bietet das eine Steilvorlage. In einem Schreiben an den Bezirk fragen sie nun: Warum ein altes, unflexibles Gebäude für viel Geld sanieren und an den Bau einer Sporthalle koppeln, von der niemand weiß, ob sie sich jemals realisieren lässt, wenn sich in den Aktenschränken des Bezirks seit Jahren ein Alternativkonzept befindet?

 

Schulneubau statt Tankstelle

 

Die Rede ist von einem Schul- samt Sporthallenneubau auf der sogenannten Werneuchener Wiese, etwa 600 Meter von der Schule in der Pasteurstraße entfernt. Heute kann man auf der direkt am Volkspark Friedrichshain gelegenen Fläche zwischen Virchow-, Kniprode-, Danziger und Margarete-Sommer-Straße (früher: Werneuchener Straße) Beachvolleyball spielen und tanken. Doch bis zum zweiten Weltkrieg standen dort Häuser.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Areal mit Wohnhäusern bebaut. Im Krieg erlitten diese einige Bombenschäden; komplett zerstört wurden sie aber im April 1945 durch die SS. Diese brauchte ein freies Schussfeld vom Flakbunker im Friedrichshain auf die Rote Armee, die über die Kniprodestraße Richtung Stadtmitte vordrang. Zurück blieb eine Trümmerwüste, deren Überreste später auf den Ruinen des gesprengten Flakbunkers aufgeschüttet wurden und heute den kleinen Berg im Park bilden.

Für die Nutzung der zurückgebliebenen Freifläche gab es bis zur Wende die unterschiedlichsten Ideen: Mal sollte mit ihr der Volkspark erweitert werden, mal ein „Palast der Jugend“, mal neue Wohnungen gebaut werden. Sogar als Standort für den Fernsehturm soll die Wiese im Gespräch gewesen sein. Realisiert wurde aber keines der Vorhaben.

 

Bebauen oder Nicht-Bebauen, das ist hier die Frage

 

1993 tauchte dann erstmals die Idee auf, auf der landeseigenen Fläche eine neue Grundschule zu errichten. Der Antrag kam von der SPD, die in den Folgejahren immer wieder Vorstöße zur Bebauung der Wiese einbrachte. Doch schon damals, so wie in den Folgejahren, hielt vor allem die Linke, damals noch als PDS, dagegen: Sie favorisierte, das Areal unbebaut zu lassen und als Park, Spielplatz oder anderweitige Erholungsfläche zu erhalten.

Dass die Wiese bis heute eine Wiese ist, scheint zu belegen, dass sich die Linke in diesem politischen Streit bisher behauptet hat. Allerdings gab es Mitte der 90er Jahre einen Etappen-Sieg der SPD, als ein Bebauungsplan auf den Weg gebracht wurde, der den Bau einer Schule und einer Sporthalle vorsah.

Doch als sich abzeichnete, dass die Kinderzahl im Bezirk vorerst zurückging, gab es eine Planänderung. Im Frühjahr 1997 schlug das Landesschulamt vor, die Wiese vorübergehend als Grünfläche zu sichern. So könnte gewährleistet werden, dass sie nicht anderweitig bebaut würde und später einmal für eine neue Schule genutzt werden könnte, hieß es in dem entsprechenden Schreiben. Das Schulamt des Bezirks plädierte daraufhin für eine Zwischennutzung als Grünfläche für die nächsten 15 Jahre.

 

Schul-Neubau teurer als Sanierung

 

Dementsprechend wurde der Bebauungsplan-Entwurf für die Fläche geändert; abgeschlossen wurde das Verfahren aber bis heute nicht. Folgerichtig kramte die SPD 2009, als die Kinderzahl im Bezirk wieder zunahm, die alte Idee wieder hervor. Sie beantragte, noch einmal zu prüfen, ob die Werneuchener Wiese nicht jetzt ein guter Standort für eine Schule wäre. Zudem sollte geklärt werden, ob das damals bereits für die Sanierung der Pasteurstraße vorgesehene Geld nicht in einen Neubau umgeleitet werden könnte.

Doch der Antrag kam nie über Beratungen im Ausschuss hinaus, wobei die Gründe hierfür nicht ganz klar sind: Der Finanzausschuss tagte zu dem Thema hinter verschlossenen Türen; im Stadtentwicklungsausschuss wurde der Antrag nach Verweis auf den Bebauungsplan-Entwurf, der dort eine Grundfläche vorsieht, zurückgezogen. Dass diese vor einigen Jahren bewusst als Zwischennutzung angelegt worden war, wurde nicht diskutiert.

Roland Schröder (SPD), damals wie heute Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, meint, aufgrund der Randlage im Bezirk sei die Werneuchener Wiese als Schulstandort nicht ideal. Zudem sei ein Neubau viel teurer als die Sanierung der Pasteurstraße für 20 Millionen Euro. Zum Vergleich: der Neubau der Gemeinschaftsschule am Pankower Rangierbahnhof soll 61 Millionen Euro kosten.

Vor allem hat man im Bezirk wohl Angst, die neue Schule mit Friedrichshain teilen zu müssen. 

 

Rewe aus der Pasteurstraße zieht auf die Wiese

 

Die Senatsverwaltung für Bildung erklärt, dass der Bezirk im Sinne der Nachhaltigkeit eine gute Entscheidung getroffen habe, als er sich für die Sanierung der Pasteurstraße entschied. Christine Keil, Stadträtin für Immobilien (Linke), hält die Wiese für eine erhaltenswerte Freifläche. Und Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) findet auch einen Neubau zusätzlich zur Sanierung der alten Schule nicht abwegig. Allerdings fehle eine politische Mehrheit für die Bebauung der Wiese.

Dennoch tut sich etwas auf der Fläche: Im April soll laut Jens-Holger Kirchner (Grüne), Stadtrat für Stadtentwicklung, dort der Rewe-Markt aus der Pasteurstraße sein provisorisches Verkaufszelt aufstellen. Während an seinem jetzigen Standort ein Wohnhaus mit Platz für den Markt im Erdgeschoss neu gebaut wird, können die Bewohner des Bötzowkizes dann dort einkaufen. Mindestens zwei Jahre soll das Zelt bleiben. Als ersten Schritt zur Bebauung der Fläche will Kirchner das aber nicht verstanden wissen.

 

 

NEWSLETTER: Damit unsere Leserinnen und Leser auf dem Laufenden bleiben, gibt es unseren wöchentlichen Newsletter. Folgen Sie uns und melden Sie sich hier an!

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar