Pankow: Sechs, setzen!

von Constanze Nauhaus 1. Juni 2017

In keinem anderen Bezirk werden in den nächsten Jahren so viele Schulplätze fehlen wie in Pankow. Der Stadtrat fordert „kreative Lösungen“ und kritisiert die Komplexität von Neubauplanungen.

„Die gute Nachricht zuerst: Wir haben wieder alle Schulanfänger untergekriegt!“, verkündet Stadtrat Torsten Kühne (CDU) gleich zu Beginn der Sitzung. Doch sowohl sein eigener als auch der Enthusiasmus der Mitglieder des Schulausschusses hält sich in Grenzen, denn alle wissen: Es kommt noch richtig dicke. Oder, wie es der bezirkliche Schulplaner Andreas Kusserow ausdrückt: „Das wird knackig.“ Sanft formuliert. Die nackte Wahrheit ist: In den nächsten sechs Jahren werden in Pankow knapp 4.000 Grundschulplätze fehlen. Das sind locker zehn Grundschulen.

Die Botschaft an diesem Mittwochabend ist nicht überraschend, dennoch überascht es immer wieder, wie dieser Negativtrend nicht abbricht. Same procedure as every year. Erst im vergangenen Jahr verfasste die damalige Vorsitzende des Pankower Bezirksschulbeirats (BSB) einen Brandbrief an den Senat, in dem sie der Stadt einen Mangel an vorausschauender Schulpolitik, an geeigneten Flächen und Investitionen in Schulen attestiert. „Wir haben kein Analyse-, sondern ein Umsetzungsproblem“, betont der Stadtrat auch in dieser Sitzung noch einmal. Und wirft zur Veranschaulichung ein Schaubild an die Wand über die einzelnene Verfahrensschritte für Schulneubauprojekt im Land Berlin. 22 Schritte sind es, Dauer: durchschnittlich neun Jahre. Involviert sind allein drei bis fünf Senatsverwaltungen „Zu viele“, findet Kühne.

 

Drei neue Grundschulen für Pankow

 

Die blanken Zahlen liefert der Pankower Schulplaner Andreas Kusserow, und man merkt ihm an, dass er dies seit Jahren tut. Als Karikatur ihrer selbst prangt die Bevölkerungsprognose von 2012 an der Wand: 425.000 Einwohner sollte Pankow demnach 2030 erreichen. Dann folgt die nachgebesserte Prognose von 2016: 446.000 Einwohner. „Und zwar vor allem Familien, also für uns relevante Bevölkerungsgruppen.“ Dass damals schon klar war, welch eine schwindende Ressource Schulplätze dereins sein werden, ginge auch aus alten Berichten des Schulamtes hervor. „Da hat eine wahre Schulkassandra die Feder geführt!“

Mit der Schulbauoffensive 2017-2026, die momentan in Phase I steckt, scheint die Stadt nun tatsächlich an Lösungen zu arbeiten. 5.5 Milliarden Euro nimmt sie in die Hand, für Neubauten und die Sanierung von Bestand. Zudem wird in einem beschleunigten Verfahren bereits in diesem Jahr mit zehn Neubauten begonnen, allein drei davon in Pankow: in der Rennbahnstraße und in Weißensee und in der Cotheniusstraße in Prenzlauer Berg. Für ein Neubauprojekt in der Heinersdorfer Straße in Blankenburg kippelt die Finanzierung noch. Zwar fehlt es im Bezirk auch an Gymnasien, doch Priorität haben die Grundschulen. Denn hier sieht der Gesetzgeber eine wohnortnahe Versorgung vor, während Oberschüler auch Bezirksgrenzen überschreiten können.

 

Die Grafik zeigt den kurzfristigen Bedarf an Schulplätzen, Klassen und Zügen bei den Grundschulen in den fünf Prenzlauer Berger Schulregionen bis zum Schuljahr 2019/20. In den beiden Schulregionen Prenzlauer Berg Süd/Ost und Prenzlauer Berg Nord/Ost wird ein leichter Überschuss an Schulplätzen erwartet, der Mangel in den restlichen drei Regionen liegt deutlich höher.

 

Bei allem Lob für die Schulbauoffensive spart Kühne nicht mit Kritik am Senat und dessen Art der Kommunikation mit den Bezirken. Zum Einen wünscht er sich einen großen Topf, den der Bezirk in die Hand bekommt anstatt vieler einzelner, zweckgebundener Töpfchen. „Wir könnten das dann hier im Bezirk besser selbst umschichten.“ Und natürlich mehr Geld, mehr Flexibilität. Und klare Zuständigkeiten. Bislang würden auf Senatsebene „Zuständigkeiten gern zwischen einzelnen Ressorts hin- und hergeschoben.“ Auch kritisiert er die Beschleunigungsmaßnahmen. Demzufolge will der Senat künftig nur noch erweiterte Vorplanungsunterlagen prüfen lassen, nicht mehr die finalen Bauplanungsunterlagen. Ein Schritt gespart. Vermeintlich, sagt Kühne. „Die konkreten Baukosten haben wir erst in der finalen Bauplanungsunterlage, die sind naturgemäß höher als bei der Vorplanung. Und dann heißt es wieder: Kostenrahmen überschritten.“

Kühne weiß ebenso wie die Stadt, dass zehn neue Schulen bis 2023 utopisch sind. Deshalb fährt der Bezirk mehrgleisig. „Wir brauchen kreative Lösungen“, sagt der Stadtrat, und spricht von Modularen Ergänzungsbauten (MEBs), Hybridbauten aus Holz und Beton, die schnell hochgezogen seien, Containerreserven, die angeschafft werden sollen, um den Unterricht während der Sanierung von Schulen sicherzustellen. Und natürlich: Die Ausreizung des Bestandes. Mit der Kritik daran darf sich Ilka Wagnitz herumschlagen, Zunächst verkündet die Leiterin des Pankower Schulamtes noch verhalten freudig: Alle Pankower Kinder haben auch in diesem Jahr einen Schulplatz bekommen. „Herzlichen Dank an die Grundschulen, die sich ins Zeug gelegt und zusätzliche Klassen geschaffen haben.“ Dann kritische Nachfragen aus dem Ausschuss: Ob die Grundschulen denn wirklich freiwillig zusätzliche Züge aufmachen? „Wir bitten sie eindringlich“, erklärt nach kurzem Zögern Schulplaner Kusserow. „Letztendlich liegt die Verantwortung beim Schulträger, also dem Bezirk.“ Klare Ansage. Und Wagnitz‘ Antwort auf die Frage, wieviele Schulen denn mittlerweile über ihrer eigentlichen Kapazitätsgrenze lägen, lautet lapidar: „Kann man sich ausrechnen.“ Auch, betont Kusserow, dienten die vorgesehenen 11,5 Klassenräume pro Zug (je Klasse 1 bis 6) nur der Orientierung. Zwar gebe es dazu keine Zahlen, doch die Aussage ist klar: Von zwei Räumen pro Klasse kann Pankow nur noch träumen.

 

Heute schon was fürs Karma getan? Wie wärs hiermit: Unabhängigen Lokaljournalismus unterstützen!

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar