Eigentlich soll das Grünflächenamt die Pflanzenwelt pflegen. Stattdessen hat es dem Urban Gardening brutal den Garaus gemacht. Tulpen-Massaker in Prenzlauer Berg.
Wo gerade noch ein buntes Blumenbeet blühte, klafft nur noch das gewöhnlich triste Braun: Die Baumscheiben in der Belforter Straße hat es erwischt. Baumscheiben, so heißen die kleinen Beete, die rund um Straßenbäume angelegt sind. Vielerorts in Prenzlauer Berg werden sie von engagierten Anwohnern bepflanzt, die das Straßenbild verschönern möchten. Seit Donnerstag allerdings nicht mehr in der Belforter Straße. Da kamen die Arbeiter des Tiefbauamts und pflügten die kleinen Gärtchen einmal um, bis nur noch erwähntes Braun zu sehen war.
Empörung bei den freiwilligen Stadtgärtnern
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Sehr zum Entsetzen der Anwohner. „Ich kann über diese Entscheidung nur den Kopf schütteln, den fleißigen Einsatz von Bürgern im Sinne des Straßenbildes zunichte zu machen“, schrieb uns unser Leser Herr L. Die Räumungen der Beete seien vorher nicht angekündigt worden. „Die Arbeiter sagten, das werde die nächsten Wochen im ganzen Bezirk so weitergehen“, berichtet Herr L. In der Knaackstraße, wo ebenfalls Blumenbeete geräumt wurden, reagieren die Anwohner mit schwarzem Humor. Ein Leser schickte uns dieses Foto eines frisch beschilderten Straßenbaums: „Diese Braunfläche wurde vom Bauamt gesichert, renaturiert und erfüllt jetzt wieder ihre ursprüngliche Funktion als städtisches Hundeklo“, heißt es dort.
„Braunfläche“ mit Hinweisschild in der Knaackstraße. (Foto: privat)
Und in der Tat verblüfft der Akt der Staatsgewalt im Blumenbeete. Denn eigentlich freut sich das Grünflächenamt ob chronischen Geld- und Personalmangels über den Einsatz der verschönerungswilligen Bürger. Allerdings unter Berücksichigung einer ganzen Liste von Regeln: Die Baumscheibenpflege muss vorher beim Amt angemeldet werden, die Pflänzchen dürfen maximal 50 Zentimeter hoch sein, und auf eine Einfassung möge man lieber verzichten – so lauten nur einige der Vorgaben des Amts. Durch die Bepflanzungen dürfe die Verkehrssicherheit nicht gefährdet werden.
„Am Mittwoch sollte die Oderberger Straße dran sein“
„Die Hinweise wurden von den PfanzerInnen überwiegend nicht beachtet“, erklärt der zuständige Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne). Das Straßen- und Grünflächenamt habe deshalb wie bereits in den Vorjahren im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht angefangen, die Baumscheiben in Prenzlauer Berg zu beräumen – „aber ohne mich vorher gesondert zu informieren“. Den Unmut könne er nachvollziehen, denn das Amt habe nicht nur keine Kapazitäten, die Grünflächen selber zu pflegen, sondern auch nicht für die Information der Bevölkerung vor eventuellen Räumaktionen.
In der Verlautbarung des Stadtrats weht bereits der sanfte Hauch des heraufziehenden Wahlkampfs: „Ich habe – auch als Grüner Politiker – daher am Dienstag früh die Baumscheibenaktionen gestoppt“. Ab sofort würden nur noch gravierende Verstöße geahndet, alles Weitere erfolge dann erst nach der Vegetationsperiode. Wer also noch ein intaktes Beet vor der Haustür hat, hat vorerst Glück gehabt. „Am Mittwoch sollte die Oderberger Straße dran sein“, so der Stadtrat. Der Auftrag sei angehalten worden.
Stadtrat stoppt Baumscheibenmassaker
Gerade für die Eigeninitiative der Hobbygärtner rühmt übrigens die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Oderberger Straße. Dort ist zu lesen: „Kleine Läden, Cafés und Restaurants in den inzwischen überwiegend sanierten Gründerzeithäusern, zusammen mit den von Anwohnern angelegten Beeten, bepflanzten Baumscheiben und Blumenkübeln geben der Straße ihr ganz eigenes Flair.“ Fast wäre dieses Flair auch von Amts wegen Schaufel und Schubkarre zum Opfer gefallen.
Voraussichtlich besinnt sich das Amt nun wieder mehr auf seine pflegenden Aufgaben, für die allein bereits Geld und Arbeitskraft fehlen, anstatt weiterhin dem brutalen Jäten zu frönen. Mit dem Streit um überdimensionierte Pflanzenkübel vor Prenzlauer Berger Gaststätten aus dem letzten Sommer hat das Baumscheibenmassaker übrigens nichts zu tun. Damals erzürnten Gastronomen mit einer Leidenschaft für überbordendes Grün die Ordnungamtsgemüter – und setzten letztlich ihre Interessen durch.
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