Auf der Werneuchener Wiese soll eine neue Rettungsstelle entstehen. Theoretisch. Es gibt da nur ein paar Ungereimtheiten.
Wenn es um das Thema verzögerte Bauprojekte geht, braucht sich die Feuerwehr Prenzlauer Berg nicht zu verstecken, auch nicht vor dem Klassenstreber BER. Eine ganze Generation ist es jetzt her, dass die riesige Prenzlauer Berger Rettungsstelle abgerissen wurde; und vielleicht sollte man an dieser Stelle kurz in Erinnerung rufen, dass es so etwas gab, abseits des historischen Standorts Oderberger Straße – eine zentrale Rettungsstelle von beträchtlichem Ausmaß. Und zwar dort, wo heute glückliche Kinder spielen, an der Marienburger Straße, einem der größten Spielplätze der Stadt. Hier nämlich befand sich bis 1994 das Prenzlauer Berger Rettungsamt, 6.000 Quadratmeter groß und in einem desolaten Zustand. Das Gebäude wurde abgerissen, ein Neues sollte gebaut werden. Es kam, wie man weiß, anders. Der Plan, eine neue Prenzlauer Berger Rettungsstelle zu bauen, existiert allerdings nach wie vor. Theoretisch jedenfalls. Auf der Werneuchener Wiese, Ecke Kniprodestraße, Danziger Straße.
Historischer Exkurs: Dass die Wache nach dem Abriss nicht neu gebaut wurde, lag an den Kosten, dem Land fehlte das nötige Geld für die Investition. Stattdessen wurde das Gelände an der Marienburger Straße zunächst für zehn Jahre zur „grünen Zwischennutzung“ an die ansässige Betroffenenvertretung, die damals in den Sanierungsgebieten gegründet wurden, übergeben. Eine Art Kiezgarten entstand, mit der Perspektive auf einen Spielplatz, wie er dann auch entstand. Nur blieb das Problem, dass das Gelände immer noch der Berliner Feuerwehr gehörte. Nach langjährigen Verhandlungen kamen Bezirksamt im Zusammenwirken mit dem Land und Feuerwehr überein, dass man ein neues Grundstück sucht, um es dann zu tauschen. Lange erklärte der Bezirk, es gäbe kein geeignetes, fast zehn Jahre lang. 2005 wurde dann doch eines gefunden: Ein Teilstück der Werneuchener Wiese, eine Grünfläche, auf der bald ein Supermarkt zeltet und sommers Volleyball gespielt wird.
Grünfläche versus Rettungsstelle
Der Grundstückstausch wurde von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht und im Dezember im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Berlin verkündet. Die 6.200 Quadratmeter liegen zwischen Kniprode-, Margarete-Sommer-Straße und Danziger Straße, l-förmig um die dort befindliche Tankstelle. Damit ist der seit den Neunzigern angestrebte Gebietstausch zwar abgeschlossen, etwas fehlt aber immer noch: Ein Bebauungsplan, der eine Feuerwehr oder Ähnliches vorsieht. Die Werneuchener Wiese ist demnach immer noch eine Grünfläche – und offenbar bleibt es dabei erst mal.
Das jedenfalls geht aus dem B-Plan-Verfahren für die Sporthalle an der Bonhoeffer-Straße hervor, abgeschlossen im April des vergangenen Jahres. Dort heißt es: „Diese Freifläche ist ein wichtiges Freiflächenpotenzial, das nach den Zielen des integrierten Stadtentwicklungskonzepts aus dem Jahr 2006/07 als wohnungsnahe öffentliche Grünfläche gesichert und weiterentwickelt werden soll, zumal sich hier auch Vernetzungsmöglichkeiten mit den angrenzenden Grün- und Freiflächen des Volksparks Friedrichshain ergeben.“ Spätestens hier wird es verwirrend: Der Bezirk formuliert das Ziel, die Werneuchener Wiese als Grünfläche zu erhalten, während er gleichzeitig das Gelände der Feuerwehr übergibt, die dort erklärtermaßen eine Feuerwache bauen will. Was ist da los? Um es kurz zu machen: Vom Amt gibt es darauf keine erschöpfende Antwort.
Die Feuerwehr als Platzhalter einer Grünfläche?
Außerdem besteht Uneinigkeit in der Verwaltung, ob überhaupt ein B-Plan-Verfahren seitens des Bezirks für die Werneuchener Wiese nötig ist. 2004 schrieb ein leitender Mitarbeiter des Amtes für Umwelt und Natur in einem der Redaktion vorliegenden Vermerk, dass für den Grundstückstausch auf der Werneuchener Wiese „aus meiner Sicht die Änderung des B-Plans notwendig“ sei, er bitte um weitere Veranlassung. Dass seitdem nichts veranlasst wurde, ist wiederum laut Jens-Holger Kirchner (Grüne), Chef des Stadtentwicklungsamtes, kein Problem. „Ich gehe davon aus, dass das Angelegenheit des Landes und der Feuerwehr ist“, sagt er und verweist darauf, dass der Bau der Feuerwehr in Berliner Zuständigkeit falle. Und Christine Keil (Linke), als Stadträtin für bezirkliche Immobilien zuständig, macht es, nach der Notwendigkeit eines B-Plans und der Zukunft der Werneuchener Wiese gefragt, kurz: „Es gibt dazu keine aktuellen Informationen“.
Man kann davon ausgehen, dass den Verteidigern einer grünen Werneuchener Wiese der Tausch mit der Feuerwehr ganz gelegen kam. Schließlich gab es in den vergangenen Jahren mehrfach Bestrebungen der SPD-Fraktion in der BVV, die Fläche teilweise zu bebauen. 2007 war da der Antrag, ein soziales und ökologisches Baugruppenprojekt auf den Weg zu bringen, 2009 stand der Plan einer Gemeinschaftsschule zur Debatte. Beide Anträge versandeten in den BVV-Ausschüssen oder wurden einfach vertagt, ohne je wieder aufgerufen zu werden. Die Antragssteller von damals erklären auf Anfrage unisono, dass eben die die Mehrheit für einen Erhalt als Grünfläche gewesen wären. Passt da die Übergabe an die Feuerwehr, die ja auch mehrheitlich beschlossen wurde, ins Konzept? Eventuell schon, wenn man berücksichtigt, dass immerhin seit zwanzig Jahren eine neue Rettungsleitstelle geplant ist, aber wegen Geldmangels nicht gebaut wird. Auch diese in Frage formulierte Vermutung beschied Stadträtin Keil im Übrigen mit oben zitierter Antwort.
Wache in der Oderberger Straße bleibt
Bis 2017 jedenfalls wird auf der Werneuchener Wiese erst mal nichts passieren. So lange nämlich läuft noch die aktuelle Investitionsplanung des Landes Berlin, und in ihr ist keine neue Rettungsstelle für diesen oder einen anderen Standort aufgelistet. „Es ist perspektivisch geplant, auf diesem Grundstück einen Neubau für die Berliner Feuerwehr zu errichten“, erklärt Tatjana Pohl, Sprecherin der Senatsverwaltung für Inneres. „Ob das Vorhaben für die kommende Investitionsplanung angemeldet werden wird, kann noch nicht entschieden werden. Zunächst muss der insgesamt bestehende Investitionsbedarf Hochbau ermittelt werden. Die entsprechende Abfrage ist noch nicht abgeschlossen.“ Ein für Neubauprojekte zuständiger Mitarbeiter der Feuerwehr erklärt auf Anfrage, dass ihm von einem entsprechenden Plan in Prenzlauer Berg rein gar nichts bekannt sei.
Irgendwann wird die neue Rettungsstelle stehen, davon ist Stadtrat Kirchner trotzdem überzeugt. „Ich gehe davon aus, dass die Pläne weiter verfolgt werden. Und wenn es dann losgeht, wird es sicher auch sehr schnell gehen“, länger als zwei Jahre sollte der Bau nach seiner Einschätzung nicht dauern. Dass dann übrigens die traditionsreiche Wache in der Oderberger Straße aufgegeben würde, sei unwahrscheinlich. „Dafür ist der zentrale Standort in Prenzlauer Berg zu wichtig.“
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