Der Bezirk hat die Anwohner nach ihrer Meinung zu den Vorhaben am Thälmann-Areal befragt. 236 Anmerkungen kamen zusammen. Mittwoch wurden sie erörtert. Einzeln. Ein Drama.
Über ein Jahr lang wurde im Auftrag des Bezirks das Areal um den Thälmann-Park analysiert und mit Beteiligung der Bürger ein Konzept erarbeitet, wie es sich in den kommenden Jahren entwickeln könnte. Bereits im Oktober wurden erste Ergebnisse vorgestellt und danach öffentlich ausgelegt. Ziel der Auslegung war, noch einmal Meinungen und Anmerkungen von Bürgern zu den Plänen zu erhalten. Was da zusammengekommen ist, wurde am Mittwochabend im BVV-Saal präsentiert.
Um einen Eindruck zu vermitteln, wie das ablief, haben wir die Berichterstattung ausnahmsweise mal als Drama konzipiert. Nicht alles wurde wortwörtlich genau so gesagt; die inhaltliche Richtigkeit ist aber gewährleistet.
Personen
JENS-HOLGER KIRCHNER, Stadtrat für Stadtentwicklung in Pankow (Grüne)
CHRISTHOPH SPECKMANN, Gruppenleiter Stadterneuerung im Stadtentwicklungsamt Pankow
ROSIE SCHMIDT*, Anwohnerin Ella-Kay-Straße
ANDREAS HÖPFNER, Anwohnerinitiative Thälmann-Park
RÜDIGER HORN*, Anwohner Lilli-Henoch-Straße
Es ist 17 Uhr und der Saal, in dem in Pankow sonst die Bezirksverordneten tagen, ist zur Hälfte gefüllt. Vorne ist ein Podium aufgebaut, an dem drei Personen sitzen, darunter Christoph Speckmann. Alle haben Mikrophone vor sich. An der Seite steht ein Rednerpult, daran Jens-Holger Kirchner. Im Hintergrund wird per Beamer etwas in Schriftgröße 8 an die Wand geworfen – das sind die Einwendungen der Bürger, die im Folgenden mündlich behandelt werden.
KIRCHNER. Ich freue mich, nach einem langen Prozess der Diskussion und Beteiligung nun mit ihnen die Ergebnisse der Voruntersuchung zum Ernst-Thälmann-Park erörtern zu können. Im Dezember letzten Jahres haben wir den Bericht öffentlich ausgelegt. Daraufhin haben wir 65 Einreichungen mit insgesamt 236 Hinweisen erhalten. Die sollen nun alle einzeln aufgerufen werden. Wir werden alle eineinhalb Stunden eine Pause machen. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass an dieser Stelle keine Debatte mehr stattfindet.
Wir haben die Hinweise in Themenbereiche aufgeteilt. Wir beginnen mit: Allgemeines.
Unter Punkt 1 haben wir eine Anfrage von Frau Rosie Schmidt aus der Ella-Kay-Straße. Frau Schmidt, sind Sie da?
SCHMIDT. Ja, hier.
KIRCHNER. Sie schreiben, dass der Bericht dem großen Potential an Kultur- und Freizeitstätten des Ernst-Thälmann-Parks nicht gerecht werde. Für die überlastete Infrastruktur in den angrenzenden Kiezen sei der Park als Ausgleichsfläche notwendig und müsse erhalten bleiben. Ist das so richtig wiedergegeben?
SCHMIDT (Antwortet von ihrem Platz aus, wird dann aber gebeten, sich an eins der Saalmikrophone zu begeben.) Naja, ich finde halt, dass die Freiflächen im Ernst-Thälmann-Park freigehalten werden sollen für den Bau von notwendiger Infrastruktur, anstatt mit Neubau neuen Bedarf an Infrastruktur zu schaffen. Wir brauchen doch Schulen, Krankenhäuser und so.
KIRCHNER: Wir sind ja hier noch beim Thema Allgemeines, zu Schulen kommen wir später.
Herr Speckmann, bitte.
SPECKMANN: Es ist vorgesehen, dass die Parkflächen als Parkflächen erhalten und qualifiziert werden. Es ging aber auch darum, Entwicklungspotentiale aufzuweisen. Möglichst viele der Wohnpotentialflächen sollen an städtische Wohnungsbaugesellschaften gehen. Die Wohnungsbaugenossenschaft Zentrum hat da schon Interesse bekundet.
KIRCHNER. Haben Sie noch eine Nachfrage? Nein? Dann zum nächsten Punkt. Zweitens: Ein Herr Meyer aus dem Winsviertel bemerkt: Die Fotos in dem Bericht sind unscharf und bei den Karten fehlt die Legende. Herr Meyer, ist das so korrekt dargestellt? Herr Meyer ist wohl nicht da. Herr Speckmann, bitte.
SPECKMANN: Wir bitten das zu entschuldigen.
KIRCHNER. Kommen wir zu Drittens: Die Anwohnerinitiative Thälmann-Park bemängelt, eine Voruntersuchung sei nicht ergebnisoffen, wenn im Vorfeld die Bedingung formuliert wird, dass Wohnbebauung kommt. Ist jemand von der Anwohnerinitiative hier?
HÖPFNER. Ja. Das bin dann wohl ich.
KIRCHNER. Habe ich ihre Frage richtig wiedergegeben?
HÖPFNER: Ja.
KIRCHNER: Herr Speckmann, bitte.
SPECKMANN: Es ist vorgesehen, dass die Parkflächen als Parkflächen erhalten und qualifiziert werden. Es ging aber auch darum, Entwicklungspotentiale aufzuweisen. Möglichst viele der Wohnpotentialflächen sollen an städtische Wohnungsbaugesellschaften gehen. Die Wohnungsbaugenossenschaft Zentrum hat da schon Interesse bekundet.
Der Versuch Höpfners, hier noch einmal in die Diskussion zu gehen, wird von Kirchner unterbunden mit dem Verweis, hier werde jetzt nicht mehr diskutiert.
KIRCHNER: Kommen wir zum nächsten Punkt. Ein Anonymus fragt – wir behandeln hier ja auch die Einreichungen von anonymen Personen, auch wenn ich es seltsam finde, dass man Beteiligung und Transparenz fordert und dann nicht die Traute hat, seinen Namen zu nennen. Naja. Auf jeden Fall bemerkt dieser Anonymus: Bei der Auslegung gab es nicht genug Stifte und Papier. Außerdem sei die Box für die Anmerkungen nicht abschließbar gewesen. Herr Speckmann, bitte.
SPECKMANN: Die Stifte wurden öfter geklaut. Aber wir waren oft vor Ort und da waren immer noch ausreichend vorhanden. Außerdem wurde die Box regelmäßig geleert.
KIRCHNER: Kommen wir zum nächsten Punkt.
Der sich leerende Zuschauerraum. Foto: Ann-Kathrin John
So geht es weiter. Um halb sieben, kurz nach Punkt 20, gibt es die angekündigte Pause. Als es nach zehn Minuten weitergeht, ist etwa die Hälfte der Besucher gegangen.
KIRCHNER: Ich wurde in der Pause danach gefragt, aber: Wir machen jetzt hier jeden einzelnen Punkt. Wir haben gar keine andere Chance, als jeden einzelnen aufzurufen. Nächster Punkt: Rüdiger Horn aus der Lilli-Henoch-Straße spricht sich gegen Neubauten aus. Herr Horn, habe ich das so richtig wiedergegeben?
HORN (kämpft sich zum Mikrophon durch, hat Probleme, dieses anzuschalten, irgendwann funktioniert es dann). Ja.
KIRCHNER. Herr Speckmann, bitte.
SPECKMANN: Wie gesagt: Es ist vorgesehen, dass die Parkflächen als Parkflächen erhalten und qualifiziert werden. Es ging aber auch darum, Entwicklungspotentiale aufzuweisen. Möglichst viele der Wohnpotentialflächen sollen an städtische Wohnungsbaugesellschaften gehen. Die Wohnungsbaugenossenschaft Zentrum hat da schon Interesse bekundet.
In dieser Art geht es weiter. Als die Veranstaltung nach vier Stunden um neun Uhr abgebrochen wird, ist man bei Punkt 86. Die verbliebenen 150 Anmerkungen werden in einer Folgeveranstaltung abgearbeitet. Genaueres steht noch nicht fest.
Am Donnerstagabend wird das Ergebnis der Voruntersuchung im Stadtentwicklungsausschuss präsentiert. Im Laufe der nächsten Monate sollen die Bezirksverordneten aus dem Bericht konkrete politische Handlungsanweisungen ableiten.
Vorhang
*Name geändert
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