„Lieber fast zu spät, als gar nicht!“

von Christiane Abelein 28. März 2014

Am Mittwoch beschließt die Bezirksverordnetenversammlung Pankow fünf neue, zum Teil größere soziale Erhaltungsgebiete, in denen das Luxusverbot gelten soll. Die Pressekonferenz dazu gab es schon heute.

Es mag nicht unbedingt demokratisch erscheinen, wenn Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) schon veröffentlicht werden, bevor sie getroffen wurden. Aber zu einer Demokratie gehört eben auch, dass die Mehrheit der Bezirksverordneten entscheidet – und die haben in Pankow SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Und so kommt es, dass eben diese beiden Fraktion bereits heute, also fünf Tage vor der Versammlung der BVV, kundtun: „Am Mittwoch beschließt die Bezirksverordnetenversammlung Pankow über die Verordnung zur Gebietsausweisung von fünf neuen sozialen Erhaltungsgebieten in Prenzlauer Berg.“

Sie tut was? Sie beschließt neue soziale Erhaltungsgebiete. Übersetzt heißt das: Sie weitet die Gebiete aus, in denen die „Prüfkriterien für Anträge in den Erhaltungsgebieten“ gelten. Damit sind zum Beispiel Grundrissänderungen verboten, mehrere Wohnungen dürfen nicht mehr zu einer zusammengelegt werden, der Einbau eines zweiten Bades ist erst ab vier Zimmern erlaubt, Fußbodenheizung oder Innenkamine darf es nicht mehr geben.

 

Luxusverbot wird ausgeweitet

 

Die Regelungen wurden unter dem Schlagwort „Luxusverbot“ bekannt und galten bisher für die zahlreichen Prenzlauer Berger Milieuschutzgebiete mit rund 45.000 Wohnungen. Künftig sollen 78.000 Wohnungen geschützt werden. Die Zahl der betroffenen – und nach Ansicht der Verantwortlichen geschützten – Einwohner steigt von rund 70.000 auf 130.000.

Die Ausweitung des Gebiets beruht auf einer Untersuchung im Auftrag des Bezirksamtes. Das Ergebnis: Aus dem großen Flickenteppich mit bereits ausgerufenen sozialen Erhaltungsgebieten (Teutoberger Platz Süd, Nord, Kollwitzplatz Nord, Helmholtzplatz Ost, Winsstraße Nord und Bötzowstraße), früheren Sanierungsgebieten (Kollwitzplatz, Winsstraße, Bötzowstraße und Teutoburger Platz) sowie dem noch bestehenden Sanierungsgebiet Helmholtzplatz wird ein kleinerer Flickenteppich mit nur noch fünf sozialen Erhaltungsgebieten.

 

„5 Gebiete besser handhabbar als ein großes“

 

Warum nicht ein großer, zusammenhängender Teppich? Darüber hat man im Bezirk laut dem zuständigen Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner (Grüne), lange diskutiert. Er glaubt, dass die fünf kleineren Gebiete leichter handhabbar sind. Auch taktische Überlegungen hätten eine Rolle gespielt: „Denn die Instrumente des Milieuschutzes sind ja hoch umstritten. Wenn eines der Gebiete einmal hinterfragt wird, ist es vielleicht schlauer,  wenn nicht gleich der Gesamtraum fällt, sondern nur das betroffene Gebiet.“

Nun aber werden die neuen Regelungen erst einmal in den neu festgelegten Grenzen eingeführt. Laut Daniela Billig, der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, wird damit das wichtigste Projekt der Legislaturperiode abgeschlossen. Zumindest in der BVV. Das Bezirksamt hat natürlich weiterhin mit der Sache zu tun. Schließlich müssen die Regelungen nicht nur umgesetzt, sondern auch kontrolliert werden. Kein Problem, meint Kirchner: „Wir sind personell gut aufgestellt, und haben die Leute dazu.“

Darüber hinaus werde die Mieterberatung ausgeweitet, damit die Einwohner besser über ihre Rechte Bescheid wüssten. 150.000 Euro wurden dafür im aktuellen Doppelhaushalt bereitgestellt. Im nächsten Plan für die Jahre 2016/2017 sollen die Mittel für die nun größeren Gebiete aufgestockt werden. Auch der Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung, Roland Schröder, gibt sich optimistisch: „Wir haben hier in Prenzlauer Berg ja eine aufgeklärte, aktive Bevölkerung, die sich nicht alles gefallen lässt, und die sich auch artikulieren wird, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie laufen sollen.“

 

Neue Qualität der Verdrängung

 

Das klingt ja alles schön und gut, und das Ziel, eine weitere Verdrängung alteingesessener Mieter zu verhindern und eine durchmischte Bevölkerungsstruktur zu erhalten, würde sicher jeder unterschreiben. Nur: Ist es dafür nicht schon zu spät? Naja, meint dazu Stadtrat Kirchner, „im Bötzowviertel, am Kollwitzplatz oder auch im Winsviertel wäre es sicher schlauer gewesen, wenn das Luxusverbot früher gegriffen hätte“. Aber die zugrundeliegende Studie zeige, dass nun eine zweite Verdrängungswelle anstehe, von der nicht nur die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten betroffen seien, sondern auch der Mittelstand; das sei eine ganz neue Qualität. Und so folgert er: „Lieber fast zu spät als gar nicht“.

Rechtzeitig dran sein will man übrigens außerhalb von Prenzlauer Berg. Deshalb überlegt der Bezirk nun „ernsthaft“, ob es etwa in Weißensee notwendig ist, einzugreifen. Laut Kirchner werden vermutlich noch in diesem Jahr Untersuchungen zur Langhansstraße und zum Komponistenviertel angeleiert. In einem Jahr könnte dann eine Entscheidung fallen. Die Arbeit geht also weiter.

 

 

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