Gute Idee, kein Geld

von Christiane Abelein 11. März 2014

Das Startup Termin2go aus der Prenzlauer Allee steht noch ganz am Anfang. Doch die drei Gründer haben Großes vor: Sie wollen den Markt für Online-Terminbuchungen erobern. Der größte Konkurrent sitzt nur zwei Straßen weiter.

Schuhe aus, heißt es am Eingang zu den Räumen des Startups Termin2go. Das hat einen einfachen Grund: Das Büro ist kein Büro, sondern eine Wohnung in der Prenzlauer Allee 220. Zwei der drei Gründer leben hier, ganz oben in einem angenehm teilsanierten Haus. Vom Balkon mit frisch gepflanzten Frühlingsblümchen aus eröffnet sich ein wunderbarer Blick die breite Straße hinunter zur Immanuelkirche.

Im Wohnzimmers liegen faul ein paar Hanteln, aus der Vitrine grüßen von Fotos die Großeltern. Recht hinten in der Ecke, aber im übtragenen Sinne ohne Zweifel im Zentrum des dunkellila gestrichenen Raums: Schreibtisch, Computer, eine große Wandtafel. Das ist die Schaltzentrale von Termin2go – und der Arbeitsplatz von Thomas Schiela, der auf der Homepage der jungen Firma als CTO fungiert, als leitender Ingenieur, oder in diesem Fall als Programmierer. Seine Mitbewohnerin Maria Thien nennt sich CVO, sie liefert die unternehmerischen Visionen für Termin2go.

 

Startup-Idee als gemeinsames Baby

 

Die beiden sind seit Jahren ein Paar und sie machen keinen Hehl daraus. Warum auch, schließlich ist die Idee zu Termin2go in erster Linie wegen dieser privaten Verquickung entstanden, ein wenig wie ein gemeinsames Baby, erzählt Maria: „Thomas hat mich regelrecht genötigt, eine Idee zu haben, die er umsetzen kann. Und so habe ich mich eben gefragt: Was braucht die Welt noch?“

Eines Abends dann der Geistesblitz: Man müsste Termine beim Friseur, beim Zahnarzt oder bei der Werkstatt online buchen können! Über den Computer am Arbeitsplatz, das Tablet oder das Handy, zu jeder Tages- und Nachtzeit und immer diskret. „Ich mag es einfach nicht, wenn die Leute in der Bahn mithören, dass mein Ansatz nachgefärbt werden muss“, sagt Maria. Und es gibt ja noch unangenehmere Termine: den eingewachsenen Zehennagel, schlimmen Durchfall, Mundgeruch – all das könnte man mit Termin2go elegant regeln.

 

Noch kann das Baby nicht laufen

 

Könnte. Irgendwann einmal. Wenn es nach den Machern geht, möglichst bald. Deshalb verbrachte Thomas schon in der Endphase seines Wirtschaftsingenieursstudiums viele viele Stunden damit, das Grundgerüst für sein neues Projekt zu programmieren. Deshalb holte er seinen Studienkollegen Lars Weimann als CEO, also als Geschäftsführer, mit ins Boot, von dem er wusste, dass er bei einem Startup in Kalifornien gearbeitet hatte. Und deshalb haben die beiden Jungs, 27 und 24 Jahre alt, nach dem Bachelor-Abschluss keinen Vollzeitjob angenommen, sondern verdienen nur 20 Stunden die Woche Geld. Den Rest der Zeit investieren sie als Sebstständige – momentan noch ohne Verdienst – in Termin2go.

Trotzdem waren sie nicht schnell genug. Die Idee ist ja nicht ganz neu, in den USA funktioniert sie schon prima. So ist es keine Überraschung, dass auch andere Startups an einem solchen Angebot arbeiteten. Der größte Konkurrent der drei aus der Prenzlauer Allee sitzt nur 500 Meter weiter, in der Kollwitzstraße. Salonmeister.de bietet seine Dienste zwar nur für Friseur- und Schönheitssalons an, hat sich damit aber eine niedrige siebenstellige Investitionssumme eines Medienverlags gesichert, also in jedem Fall mehr als eine Million Euro.

 

David gegen Goliath

 

Für die Crew von Termin2go, die bisher vor allem Zeit und Leidenschaft, aber noch kein Kapital investiert hat, heißt das: Sie führt einen Kampf wie David gegen Goliath. Doch die drei Mitstreiter geben sich auch so unerschrocken wie der biblische Held. Sie glauben, dass „den Anderen“ gutes Personal fehlt – schließlich habe man schon versucht, Thomas abzuwerben. Außerdem bedienten sie selbst eine viel breitere Zielgruppen, und: „Wir arbeiten an Funktionen, mit denen wir uns ganz klar von der Konkurrenz abheben.“ Welche das sind, wird natürlich nicht verraten. Unabhängig davon ist für die drei aber ohnehin klar: Der Markt ist groß genug für mehrere Anbieter auf dem Gebiet.

Darin dürften sie sich sogar mit Salonmeister einig sein. Dessen Mitgründer Louis Pfitzner schätzt, dass der gesamte deutschsprachige Raum etwa 175.000 Friseur- und Schönheitssalons umfasst – und die meisten von ihnen arbeiten noch mit Papier-Kalender, Stift und Telefon. Diese Salons davon zu überzeugen, dass sie ihre Terminplanung komplett ins Internet verlegen sollen, das ist wohl die größte Aufgabe für Firmen wie Termin2go. Deshalb holen sich Thien, Schiela und Weimann nun Marias Cousine ins Boot: Sie soll Vertriebsarbeit leisten, sprich die meist kleinen Lädchen abklappern und ihnen die Vorzüge von Termin2go nahebringen.

 

Mehr Zeit für den Kunden

 

Welche das sind? Die Mitarbeiter müssten nicht dauernd zum Telefon greifen, sie könnten sich mehr auf die Kunden konzentrieren und gerade die ohne eine eigene Homepage würden ihren Bekanntheitsgrad mit einem Schlag erhöhen. „Im Idealfall wird so die Stammkundschaft vergrößert und die Laufkundschaft nimmt wegen unserer Umkreissuche zu.“ Die Endkunden können damit schnell einen freien Termin in ihrer Umgebung finden.

Für sie, die Suchenden, liegen die Vorteile sowieso auf der Hand. Oder kennen Sie das nicht? Tage-, manchmal wochenlang schleppt man Zettelchen mit sich, piepen immer wieder Handyerinnerungen, dass man einen Termin bei wem-auch-immer vereinbaren sollte. Wenn Kopf und Kalender endlich frei dafür sind, ist bei Zahnarzt, Werkstatt oder Masseur kein Mensch zu erreichen. Und falls doch braucht man mehrere Anläufe, bis ein Tag und eine Stunde für beide Seiten optimal ist.

 

Die kleine Idee braucht Geld

 

Doch was in der Theorie so großartig klingt, funktioniert auf der Homepage von Termin2go (noch) nicht. Die Suche nach einem Friseur in Berlin-Prenzlauer Berg liefert einen Treffer – in Lübben, das liegt im Spreewald. Insgesamt kann das kleine Startup gerade einmal 15 Dienstleister anbieten, die meisten davon aus Familie und Bekanntschaft der drei. Es ist ein Teufelskreis: Die Dienstleister wollen erst mehr Kunden erreichen, bevor sie sich auf Experimente einlassen – und die Kunden kommen nicht ohne mehr Angebote.

Eine App fürs Handy wäre vielleicht der Durchbruch, überlegt Thomas. Doch er hat schlicht keine Zeit dafür, sie zu programmieren. „Wir bräuchten einen zweiten Fachmann auf dem Gebiet.“ Doch dafür fehlt das Geld. Den nötigen finanziellen Spielraum soll nun ein Crowdfunding-Projekt einbringen, das in ein paar Tagen starten wird. Noch ist unklar, wann, wo und wie genau. Sicher ist nur: 25.000 Euro müssten schon reinkommen.

 

Mensch im Mittelpunkt

 

Mindestens. Selbst wenn das klappt, bleibt für CEO Weimann und die anderen beiden wichtig: Ums dicke Konto geht es bei dem Projekt nicht. Im Wohnzimmer hoch über der Prenzlauer Allee lockt nicht die vermeintliche Hochglanz-Welt erfolgreicher IT-Unternehmen. Hier liegen in der Luft: jede Menge Spaß, viele berufliche Erfahrungen und die Aussicht auf Anteile an einem hoffentlich irgendwann einmal erfolgreichen Unternehmen

Noch ist es nicht so weit. Noch sitzen die drei Gründer bei Gebäck zusammen auf der großen dunkelbraunen Ikea-Couch wie eine kleine Familie. Sie wirken nicht wie Träumer, die eine abgehobene Idee haben. Und falls Thomas vor dem Bildschirm doch einmal etwas Abgefahrenes eingefallen ist, unterzieht es seine Freundin Maria dem Praxistest. Die 29-Jährige gelernte Automobilkauffrau, die momentan zur Verwaltungsfachangestellten umsattelt, achtet darauf, dass ihre Idee für den ganz normalen Anwender verständlich und zugänglich bleibt.

Der Mensch soll immer im Mittelpunkt bleiben, das haben sie sich vorgenommen. Auch für die Zeit, wenn ihr Unternehmen einmal groß und erfolgreich ist. Dass es so weit kommen wird, davon sind die drei überzeugt.

 

Unter dem Titel „Von hier – Geschäftsideen aus Prenzlauer Berg“ stellen wir Unternehmen aus dem Kiez vor. Bisher erschienen Texte über

den Quetschobst-Hersteller „Erdbär – Freche Freunde“,

die Taschen-Entwickler von „Tausche Tasche“,

den Online-Brillenhändler „Mister Spex“,

den Spielekisten-Versand „Tollabox“,

die vegane Supermarkt-Kette „Veganz“,

die frühere DDR-Schuhmarke „Zeha“

und das Frauen-Wirtschaftsmagazin „BizzMizz“.

 

 

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