Einmal im Monat aus Salzteig ein Skelett oder mit Kleister und Luftballon eine Lampe bauen, das geht mit dem Abo der Tollabox. Spielerisch lernen soll man mit ihr, sagen die Gründer. Werden hier wieder Kinder optimiert?
War ja klar: Da wundert man sich noch, warum etwas für Kinder einen Namen in so falschem Deutsch trägt. Und dann ist es doch Latein. Tolla, das ist also nicht die Ghetto-Steigerungsform von „toll“, sondern kommt von „tollere“, zu übersetzen mit „aufnehmen“, aber auch „ermutigen“. Die Verbindung aus beidem soll die Tollabox liefern – eine Kiste voller Spiele mit Lerneffekt, die man im monatlichen Abo für seine Kinder bestellen kann.
Auf dem Markt ist die Tollabox seit Herbst 2012; die kleine Firma mit ihren zwölf Leuten sitzt in der Lychener Straße, Hinterhaus, 4. Stock mit einem dieser Aufzüge, der ausschließlich den Besitzern eines Schlüssels dafür vorbehalten ist.
Das Büro sieht aus wie eine Mischung aus Kita und Werbeagentur: Um einen großen Holztisch sitzen die Mitarbeiter mit ihren Laptops. Daneben stapeln sich alte Boxen, Spiele und Bastelarbeiten, die noch Spiele werden sollen. Von der Decke hängt eine Lampe mit vielen Armen, an die unzählige Sinnsprüche gepinnt wurden. „Der Mensch hat keine Zeit, wenn er sich nicht Zeit nimmt, Zeit zu haben.“ „Kinderlachen ist die schönste Musik.“ „Erziehung ist Beispiel und Liebe. Sonst nichts.“
Na dann.
Playducation für zu Hause
Die beiden Gründerinnen Béa Beste und Sarah Petzold sitzen in der Küche und schenken Filterkaffee aus. Natürlich wird sich sofort geduzt, ist ja Prenzlauer Berg hier. Béa erzählt, wie sie einst die bilingualen Phorms-Schulen gründete, sie 2011 abtrat und sich auf eine Bildungsexpedition durch Asien, Australien und die USA aufmachte. In vier Monaten besuchte sie 127 Lernorte, um sich von deren unterschiedlichen Konzepten inspirieren zu lassen. Nach Hause kam sie mit einer Idee, die sie „Playducation“ nennt: „Ich habe mir überlegt, wie man entspanntes Lernen in die Familien bringen kann“, sagt sie. Die Lösung: Man steckt Spiele, die Spaß machen und gleichzeitig bilden, in eine Box und schickt sie den Familien monatlich nach Hause.
Auf diese Idee folgten ein paar Monate, in denen sie ein kleines Team zusammenstellte und viel ausprobiert wurde: Spiele und Basteleien wurden ausgedacht und von Pädagogen auf ihren Lern- und von Kindern auf den Spaßeffekt getestet. Was schult die motorischen Fertigkeiten, was das räumliche Denken? Außerdem galt es, Lieferanten für die vielen Kleinteile zu finden, die eine Tollabox ausmachen, sowie jemanden, der das ganze zusammenstellt. Das wird nun in einer Kreuzberger Behindertenwerkstatt erledigt. Aber welches Programm braucht man für einen Abo-Shop im Internet?
Drei Spiele und mehrere tausend Abonnenten im Monat
Am 13. September 2012 ging das Angebot online. Seitdem wird jeden Monat eine Box mit komplett neu erdachten Spielen zu einem Thema verschickt. Im Januar ging es etwa um Licht und Optik: Mit Tapetenkleister, einem Luftballon und einem Stofftuch konnten sich die Kinder selbst eine Lampe basteln; mit einem Spiegel, einem Plaste-Schnapsglas und bunten Klebepunkten ein Kaleidoskop. Dazu gab es eine Karte mit optischen Täuschungen und eine 3D-Brille mit Bilden.
Drei Spiele, eine Geschichte, ein Hörspiel und ein Zettel mit Tipps für die Eltern liegen jeder der Boxen bei. Sie sind so konzipiert, dass Kinder zwischen drei und zehn Jahren alle etwas damit anfangen können. Mehrere tausend Abonnenten hat sie Box deutschlandweit mittlerweile. Genauere Zahlen mögen die Macher nicht nennen.
„Bei uns geht es um Spielen mit Zeug statt Spielzeug“, meint Béa. Viele der Materialen seien Alltagsgegenstände, die sich verbrauchten. Direkt steigt sie auf einen Stuhl und holt vom Schrank ein Modell, das ein wenig an das Atomium in Brüssel erinnert und aus Erbsen und Zahnstochern gebaut wurde. Aus dem Nebenraum schleppt sie noch ein Skelett aus Salzteig an, das es in der Halloween-Box zu bauen galt. „Das Überangebot, das heute in Kinderzimmern herrscht, bremst die Kreativität. Dem wollen wir uns entgegenstellen – es geht um den Verblüffungseffekt, was man aus alltäglichen Materialen so alles bauen kann“, erklärt sie. Folgerichtig stammt so manche Inspiration für die Spiele von Großeltern.
Play-Curriculum – muss das sein?
„Die Kinder sollen das mit Freude machen. Nur durch Spaß lernen sie“, erzählt Béa weiter. „Ich spiele, also lerne ich“, sei die Philosophie dahinter.
Aber müssen Kinder eigentlich immer lernen? Können Sie nicht einfach mal völlig funktionslos spielen? Oder, anders gesagt: Ist die Tollabox nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zum optimierten Kind, das schon im Alter von drei Jahren Geige und Chinesisch lernen muss, um später fit für den Weltmarkt zu sein? hier weiterlesen (im 2. Teil)
Teil 1: „Tollabox: Spielen im Abo“
Teil 2: „Play-Curriculum, muss das sein?“
Unter dem Titel „Von hier – Geschäftsideen aus Prenzlauer Berg“ stellen wir Unternehmen aus dem Kiez vor. Bisher erschienen Texte über
den Quetschobst-Hersteller „Erdbär – Freche Freunde“,