Ordnung muss sein

von Thomas Trappe 20. Juni 2013

Zwei Anwohner der Kopenhagener Straße treiben das Ordnungsamt vor sich her. Es soll gegen Blumen, Bänke und Flohmärkte vorgehen. Das Amt ist machtlos – es muss durchgreifen.

Die Sitzmöglichkeiten an dieser Stelle der Kopenhagener Straße, ungefähr auf Höhe der Kohlenquelle, sind zahlreich. Eine Bank. Ein ausrangierter Sessel. Ein Dixi-Klo. Hier wie auch anderswo in der Straße haben sich Anwohner und Händler mit dem Umstand arrangiert, dass ihr Bürgersteig überdurchschnittlich breit ist und damit Raum bietet für ein verlängertes Wohnzimmer. Die berühmte Badewanne mit den Blumen soll in der Kopenhagener geboren sein, man sieht bepflanzte Bürgersteige und um Bäume gehämmerte Sitzmöbel. Alles schön, könnte man denken und viele in der Kopenhagener Straße denken das auch so vor sich hin. Bis auf mindestens zwei Ausnahmen beziehungsweise Anwohner. Und die machen dem Ordnungsamt derzeit Beine. Das muss in der Straße hart durchgreifen. Gegen den eigenen Amtswillen, wenn man dem zuständigen Stadtrat glaubt.

Zuletzt war es am vergangenen Wochenende soweit. Schon seit Jahren findet in der Kopenhagener Straße ein Nachbarschaftsflohmarkt statt. An Tischen verkaufen Anwohner Nippes, es geht vor allem um die Geselligkeit. „Eigentlich ist es mehr ein Kinderflohmarkt“, berichtet Anwohnerin Sabine Reeder, die sich jetzt an die Redaktion wandte, weil eben jener Flohmarkt dieses Jahr erstmals vom Ordnungsamt aufgelöst wurde. Drei Mitarbeiter, berichtet sie, hätten sich kurz nach dem Aufstellen des ersten Tisches an deren Inhaber gewandt und darauf hingewiesen, dass sie gleich wieder einpacken könnten. 

Die Amtsleute hätten darauf verwiesen, dass auf den zuvor ausgehängten Flyern kein Ansprechpartner angegeben worden sei und außerdem keine Sondergenehmigung vorliege, so Reeder. „Das mag ja formal richtig sein“, sagt sie. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Auflösung eines Flohmarkts Priorität im Bezirk haben sollte.“ Sie spricht damit wohl für viele Anwohner. Zumal die Stimmung gegenüber der Bezirksverwaltung in der Straße sowieso schon angespannt ist. Im Mai bekamen diverse Anwohner und Gewerbetreibende Post vom Bezirk. Darin wurden sie aufgefordert, Bänke, Blumen und anderen Unrat von der Straße zu beseitigen oder entsprechende Genehmigungen einzuholen.

 

„Zwei sehr aktive Beschwerdeführer“

 

Exerziert das Ordnungsamt in der Kopenhagener jetzt eine exzessive Law-and-Order-Politik? Der zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) bestätigt alle geschilderten Maßnahmen – und macht deutlich, dass sich die Ohnmacht eines Amtes ab und an eben auch in exzessiver Pflichterfüllung manifestieren kann. „Es gibt in der Kopenhagener Straße zwei sehr aktive Beschwerdeführer“, sagt Kühne, und Beschwerden müsse ein Amt nun mal nachgehen. Seit September vergangenen Jahres, so Kühne, würden sowohl Polizei als auch Ordnungsamt von den Beschwerdeführern angehalten, ihrer Aufgabe nachzukommen, und zwar ordentlich. 

In aller Regel geht es dabei um Verstöße gegen das Bordstein-Reinheitsgebot und Zusammenrottungen, zum Beispiel bei Flohmärkten. Faxe mit Paragrafen und entsprechenden juristischen Erörterungen würden laut Kühne verschickt, Wortprotokolle über Gespräche, die mit Polizisten geführt wurden. Besonders provoziert werden die besagten Anwohner offenbar durch nachlässige Ordnungsamtsmitarbeiter. Oft kämen Beschwerden, „dass sie ihre Arbeit nicht richtig machen“, sagt Kühne, gegen Amtsleiter würden Dienstaufsichtsbeschwerden eingereicht. Und Kühne selbst wollte einer der beiden Beschwerdeführer wegen dessen Nachsichtigkeit anzeigen. Das scheiterte aber offenbar an Formalien.

 

Nach einer Stunde ein neuer Anruf

 

Kühne hat Erfahrung mit Menschen, die die Arbeit des Ordnungsamts überwachen. Schon bei den Spätis schaffte es vor nicht allzu langer Zeit ein Einzelner, den Bezirk zum harten Durchgreifen zu zwingen, obwohl der eigentlich so wie alle anderen stillschweigend die Verletzung von Auflagen hinnehmen wollte, des lieben Frieden willens. „Der Bürger ist weiter unterwegs“, sagte Kühne damals und meinte damit, dass das Amt zur Reaktion verpflichtet ist. So auch jetzt. „Wir können das nicht unter den Tisch fallen lassen.“ Denn auch diesmal ist der Bürger streng, wie sich am Sonntag zeigte. Die Mitarbeiter des Ordnungsamts hätten gegen elf Uhr die Kopenhagener verlassen – gegen zwölf sei der Anruf vom Bürger gekommen, es ging um die wieder aufgeflammten Flohmarkt-Bewegungen in der Straße. Sowas ist inzwischen die Regel in der Kopenhagener, nicht die schrullige Ausnahme.

Stadtrat Kühne will jetzt Rechtssicherheit, um den Beschwerdeführern nicht weiter ausgeliefert zu sein. „Wir werden ganz generell klären müssen, was im öffentlichen Straßenland möglich ist und was nicht.“ Nach seiner Einschätzung müsste es Spielraum geben, „so dass wir vieles irgendwie genehmigen können“. Auch den Betreibern des Flohmarktes hätte seine Mitarbeiter bereits Tipps gegeben. Erstens, dass eine Sondergenehmigung beantragt werden könne. Und zweitens, dass ein Verkauf aus einen Hausflur hinaus nicht gegen die Regeln verstoße. Vermutlich hat Kühne sich damit schon die nächste Anzeige eingehandelt.

 

 

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