Tucholsky-Bibliothek bekommt Aufschub

von Thomas Trappe 18. Juni 2013

Morgen werden nun doch keine Bücher von Amts wegen aussortiert. Der Stadtrat will mit dem Bibliotheksverband Gespräche führen.

Seit mehreren Tagen trommeln die ehrenamtlichen Betreiber der teils öffentlich finanzierten Kurt-Tucholsky-Bibliothek in der Esmarchstraße um Unterstützer: Sie sollen eine amtliche Bereinigung des Buchbestands verhindern, indem sie massenhaft Bücher ausleihen, und zwar bis morgen. Für diesen Mittwoch nämlich waren vier Bibliothekare des Bezirksamts angekündigt, sie sollten 15 Prozent des rund 24.000 Bücher umfassenden Bestands aussortieren, damit dieser danach aktualisiert werden kann (wir berichteten hier).  Nun teilte der zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) mit, dass die Bibliothek Aufschub bekommt. Der Besuch der Bibliothekare werde ausgesetzt, erklärte er auf Anfrage.

Die Aussortierungen sind bibliothekarischer Standard, die Tucholsky-Bibliothek könnten sie aber in Existenznot bringen, da Geld für Neuanschaffungen fehlt. Gleichzeitig, so die Befürchtung, drohe der Ausschluss aus dem Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlin (VÖBB), wenn man sich der Aussortierung verweigere. Auch dies würde die Bibliothek in ihrem Bestand gefährden, da sie dann kaum noch ein attraktives Angebot für Nutzer hätte. Kühne will jetzt mit dem VÖBB sprechen, „welche Spielräume es gibt und was in der Tucholsky unbedingt nötig ist, um im VÖBB zu bleiben“. Bereits gestern erklärte der Verbund gegenüber dieser Zeitung, dass es Quote zur Aussortierung nicht gebe. Das sei allein Bezirksangelegenheit, hieß es. 

 

„Großer Rechtfertigungsdruck“

 

Kühne gehe es jetzt auch darum, „Luft aus der Diskussion zu lassen“. So habe es bereits Vergleiche mit der Bücherverbrennung durch die Nazis gegeben. „Das ist kränkend für die professionellen Bibliothekare, die diese Arbeit machen.“ Auch Klaus Lemmnitz, Vorsitzender des Vereins Pro Bötzowkiez, Träger der Bibliothek, erklärte, dass solche Vergleiche „dumm“ seien und die Diskussion vergiften. „Wir sollten eher darüber reden, warum denn Menschen in unserem Kiez offenbar kaum noch die Klassiker ausleihen und diese deswegen erst durch solche Aktionen gerettet werden müssen.“ 

Die derzeitige Diskussion über die Aktualisierung des Bestandes in der Esmarchstraße ist für die meisten Beteiligten nur der Anfang einer Grundsatzdebatte darüber, wie es generell mit der Tucholsky-Bibliothek weitergehen soll. Die Bücherei gerate im Vergleich zu anderen Standorten zunehmend ins Hintertreffen, ist beim VÖBB zu hören. Und Stadtrat Kühne verweist darauf, dass der Bezirk nicht zulassen kann, dass aus Bibliotheken „Bücher-Museen“ werden. Er befinde sich zudem inzwischen „unter großem Rechtfertigungsgrund, da die Tucholsky eine von zwei ehrenamtlichen Einrichtungen in ganz Berlin ist, die trotzdem Geld bekommt wie eine bezirkliche Einrichtung“. In der sogenannten Kosten-Leistungs-Rechnung der Bezirke wirkt sich das vorteilhaft für Pankow aus – und unter Umständen negativ auf andere Bezirke. Entsprechende Diskussionen über die Daseinsberechtigung der Tucholsky-Bibliothek würden damit wohl demnächst von außen an ihn herangetragen, fürchtet Kühne.

 

 

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