Jägerschnitzeltest, Teil 3: Deponie

von Thomas Trappe 21. Dezember 2012

In der Hufelandstraße speisen offenbar nur Bonzen. Wie soll man bitte Spaghetti aufspießen können?

Wie beim Hitler. Muss man auch erst mal schaffen, einen Jägerschnitzeltest so zu eröffnen, und hiermit ist es gelungen. Wie bei Hitler ist diese Kälte, genauer gesagt, wie damals in Stalingrad. Die drei Herren am Tisch links im Raum haben sich gerade dieses Themas angenommen, als ich die Deponie betrete. Die Deponie ist eine Kneipe in der Hufelandstraße, und die Männer reden gerade über Gott und die Welt, und wie das in solchen Fällen oft ist, landen sie irgendwie beim Zweiten Weltkrieg. Kalt also sei es draußen, so der eine Herr, und der andere dann so, dass Kälte ja nicht nur ein globales, sondern auch ein zeitübergreifendes Phänomen sei. Damals in Stalingrad sei es bekanntlich auch recht frostig zugegangen, und wie wäre es denn ausgegangen, wenn es wärmer gewesen wäre, fragt der eine Herr. Eher so rhetorisch. „Das hat auch noch keiner untersucht“. Stimmt. Ich werde es auch nicht tun. Denn ich bin hier nicht wegen des Führers, sondern wegen des großen Jägerschnitzeltests. Teil drei. 

In der Deponie sitzen insgesamt sieben Herren, und sie schauen misstrauisch, als ich den Raum betrete. Alle trinken sie, am hellichten Tage, ein großes Bier. Ich trinke kein Bier, dafür trage ich, ausgerechnet heute, eine dieser anstrengenden roten Hosen. Besser konnte ich es nicht verhageln, wenn ich in eine Kneipe namens Deponie gehe. Hab ja nicht mal ein Tattoo. 
Wie sieht es aus in der Deponie? An der Wand hängen Bilder mit Hirschen und Alpen. Und ein hässlicher Adliger. Vielleicht ist es auch Luther, ich vermag das nicht zu erkennen. Die Wand ist voll damit, ein Glück gibt es noch andere Wände, an eine hat man ein Neues Deutschland platziert. Die Ausgabe dürfte vergriffen sein, denn sie ist von 1989 und titelt mit der Schockerschlagzeile „Die Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik wird auch in Zukunft das Werk des ganzes Volkes sein.“ Oder eben nicht. Ich bestelle. 

 

Das lange dünne, das ist für Bonzen

 

Denn in der Deponie kommt die Frau Wirtin noch an den Tisch, um Wünsche aufzunehmen. Der Ton ist bestimmt, aber nicht berlinerisch beleidigt. Sehr schön. Die Jungs am anderen Tisch scheinen mich nun wirklich gar nicht zu mögen, ich versuche inzwischen von meiner roten Hose abzulenken. Der Plan, das mir wenige Minuten später vorgesetzte Jägerschnitzel mit dem Handy zu fotografieren, ist dazu zwar ganz gut geeignet, führt aber nicht gerade dazu, dass ich hier in gewohnt anonymer Atmosphäre panierte Jagdwurst spachteln kann. Aber hier läuft gerade sowieso einiges schief. Spaghetti!

Tatsächlich. Die beiden Jägerschnitzel werden in der Deponie mit Spaghetti serviert. Spaghetti ist nun wirklich nichts, was es früher gab. Spaghetti ist Bonzen-Essen. Die da oben essen Spaghetti, am besten noch mit Sardellen – aber doch nicht ich, hier mit meinen Jungs, in der Deponie. Jägerschnitzel mit Makkaroni muss auch in Zukunft das Essen des ganzen Volkes sein. Hier in der Deponie begeben sie sich auf einen gefährlichen Pfad! Ich esse trotzdem, wenn ich einmal hier bin.

 

Fast wie in Amerika

 

Nun, die Nudeln haben natürlich keine Chance. Sie sind viel zu lang, ich bekomme sie nicht auf meine Gabel, und wie soll ich die denn bitte schön aufspießen? Wenigstens sind sie nicht so hart wie bei diesen neumodischen Al-Dente-Köchen, aber trotzdem, ich bin ein bisschen sauer. Die Soße ergibt sich den Umständen – schmeckt aber irgendwie nach echten Tomaten. Zu allem Überfluss liegt auch noch ein Deko-Salatblatt und eine Tomatenscheibe auf dem hohen Teller. Wie in Amerika.

Die Jägerschnitzel sind gut. Sie werden frisch zubereitet, das ist mal was Anderes. Eine etwas zu dünne Kruste, sonst ist nichts zu meckern. Kleiner Tipp: Die Spaghetti in den Mund stopfen, das Jägerschnitzel hinterher, erst dann kauen. Ist fast so gut wie die Alles-auf-eine-Gabel-Taktik, aber auch komplexer. 

 

Fazit

Ach, was soll das Genöle? In der Deponie gibt es Jägerschnitzel, und das ist es, was zählt. Vielleicht haben die Spaghetti irgendwas mit Weihnachten zu tun. Und außerdem schaffen es die Männer am anderen Tisch, innerhalb einer Minute Stalingrad, den sechsten Parteitag, Oskar Lafontaine und schließlich Sahra Wagenknecht zu besprechen. Allein das lohnt den Besuch. Auch wenn die 5,50 Euro für das Jägerschnitzel eher Ritz-Carlton-Niveau haben.

 

Deponie „Die Kleine“, Hufelandstraße 31, geöffnet montags bis freitags 10 bis 20 Uhr, Samstag ab 11 Uhr. Link.

 

Lesen Sie hier den ersten Teil des Tests in der Fleischerei Gottschlich.

Und hier den zweiten in der Zollkantine.

Sie fragen sich, was das hier soll? Lesen Sie hier, warum das Jägerschnitzel (Ost) ein Kulturgut ist und bleiben muss.

 

 

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