Jägerschnitzel, schön mit Kruste

von Thomas Trappe 10. Dezember 2012

Die panierte Jagdwurst mit Nudeln und Tomatenpampe ist eine Spezialität. Die Curry-Wurst der Herzen. Doch wo gibt es das Zeug eigentlich noch? Der große Jägerschnitzel-Test (Ost!).

Manche Dinge kann man nicht erklären, ohne sich zuvor zu rechtfertigen. Es ist mit regionalen Eigenheiten zu argumentieren, und mit frühkindlicher Prägung. Und vor allem muss erst mal die Frage beantwortet werden: Warum, um Himmels fucking Willen, heißt das Zeug hier Jägerschnitzel? Das besteht doch mehr aus Bitterfeld als aus Schwein? Okay, fangen wir an. 

Am besten mit dem Namen, denn da geht es ja schon los. Unter Jägerschnitzel versteht ein nicht zu vernachlässigender Teil der Menschheit ein Schnitzel, Kalb oder Schwein, mit schön dick Pilzsauce drüber. Ein bisschen Tier, ein bisschen Wald, lecker. So weit, so gut. Es gibt aber auch Gourmets, die wissen, was ein echtes Jägerschnitzel sein muss. So, wie es sich die Erfinder des Escalope à la chasseur gedacht haben: Eine dicke Scheibe Jagdwurst, paniert mit Bröseln und dazu lecker Spirelli, schön durch. Und Tomatensauce. Das traditionelle Gericht, aus Frankreich stammend und in der DDR in die endgültige Fassung gebracht, ist in den vergangenen Jahren etwas in Vergessenheit geraten – aber glücklicherweise nicht verschwunden.

Und wir machen uns jetzt auf die Suche, beginnen die Schnitzeljagd nach dem besten Jägerschnitzel (Ost!) in Prenzlauer Berg, der sich in dieser Hinsicht, wir sind uns da ganz sicher, als echter Trendbezirk (im Sinne von 1980) erweisen wird. 

 

Jägerschnitzel nur, wenn die Ratten alle sind

 

Das ist was Persönliches. Ich muss von mir sprechen, also von frühkindlicher Prägung. Im Kindergarten wurde ich offenbar das erste Mal mit diesem nationalen Montagsgericht konfrontiert, und offenbar passierte das, was allen Kindern passiert, denen Nudelwaren mit Tomatensauce vorgesetzt wird – sie vertilgen es, ohne Rücksicht auf Beiwerk. So wurde ich an die panierte Jagdwurst herangeführt wie der spätere Alkoholiker an sein erstes Bier. Unzählige panierte Wurstscheiben folgten, bis dann irgendwann die Wende kam und mit ihr Mama Miracoli. Ich vergaß die Wurstscheibe (heute würde ich sagen, ich habe sie verraten). Irgendwann, es war an der Uni, tauchte sie in meinem Leben gleich der Hornbrille wieder auf aus den Untiefen des untergegangen geglaubten Wurststaates. Der Alkoholiker kann ewig trocken sein – ein Schluck, und er kommt zurück. Mit panierten Wurstscheiben ist es ganz ähnlich, müssen Sie wissen.

 

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Die Reaktionen meines Umfeldes auf meine Leidenschaft sind gespalten. Die einen empfinden Ekel, andere wiederum einfach nur Mitleid. Für sie ist das DDR-Jägerschnitzel das, was man isst, wenn die Ratten alle sind. Überzeugen konnte ich die Skeptiker nie. Ich muss das sagen: DDR-Jägerschnitzel-Skeptiker sind meistens aus dem Westen. Warum mögen es so viele Ostdeutsche? Keine Ahnung. Vielleicht hat das Ganze ja auch was mit dem Stockholm-Syndrom zu tun.

 

Der Kenner isst Augen mit

 

Was ist ein gutes Jägerschnitzel? Es ist komplex. Am wichtigsten: Es muss scheiße aussehen. Das ergibt sich bei dem Rezept aber meistens von alleine. Grundlage ist die Jagdwurst, und jetzt wird es gleich richtig kompliziert. Wichtig, jedenfalls nach meiner Erfahrung, sind dabei die Senfkörner. Laut Wikipedia wird eine Jagdwurst mit Senfkörnern, für mich der Inbegriff der DDR-Lebenswurst, als „Stuttgarter“ bezeichnet. Müssen Sie jetzt mal drauf klar kommen! Die Wurstscheibe, sie kann ruhig ein bisschen glänzen und schon gelegen haben, muss in feine, daumendicke Scheiben geschnitten sein. Nicht zu dünn! Bei der Wahl der Jagdwurst sollten sie nicht wählerisch sein, es kann ruhig die billigere sein. Der echte Jägerschnitzelkenner isst Augen mit. 

Die Panade besteht aus Ei, Mehl und Brösel. Da kann nicht viel schief gehen.

Die Nudeln, nur Spirelli, sollten gekocht werden, bis sie al dente sind. Und dann noch fünf Minuten. Erst dann schmiegen sie sich richtig an Teller und Schnitzel.

Die Sauce birgt die meisten Gefahren. Viele vergessen die wichtigste Zutat: Wasser. Das wird der Tomatensauce, auch hier ruhig die billigere, zugefügt. Wenn noch Paprika rumliegt, ruhig dran damit. Wird sonst schlecht.

Garniert wird das ganze auf einem weißen Teller. Gegessen wird im Stehen. 

 

Extra-Punkte sind möglich

 

Wir wollen Ihnen in den kommenden Wochen in loser Reihenfolge die besten Jagdwurst-Spots in Prenzlauer Berg vorstellen. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und Objektivität schon gar nicht. Vor allem aber brauchen wir Ihre Hilfe: Wo gibt es Ihr Lieblings-Jägerschnitzel? Sagen Sie Bescheid – denn ich habe das gute Gefühl, dass da draußen eine neue Jägerschnitzelwelt wartet. Ach was. Ein Universum!

Und hier geht es los: Mit dem ersten Jägerschnitzeltest in der Fleischerei Gottschlich.

Teil zwei: Die Zollkantine.

 

 

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