Gärtnern mit Kafka

von Juliane Schader 24. September 2012

Wo wenig gegrillt wird, braucht man seltener den Rasen zu mähen – nach dieser Logik verteilt der Senat Geld zur Parkpflege an die Bezirke. Ein System, nur mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.

Die Kosten-Leistungs-Rechung hat sich Franz Kafka noch persönlich ausgedacht. So erscheint es zumindest, wenn man sich das System, nach dem das Land Berlin seinen Bezirken die Haushaltsmittel zuteilt, mal in aller Konsequenz zu Ende denkt. Das Pankower Ausschuss für Stadtentwicklung und Grünanlagen hat sich den Spaß einmal gemacht, als er in der vergangenen Woche darüber diskutierte, warum eigentlich Pankows Grünflächen so struppig aussehen.

Ob bei den Rabatten am Bezirksamt oder den Klettergerüsten auf Spielplätzen, überall fehlt es auf den Grün- und Freizeitflächen des Bezirks an der ordnungsgemäßen, regelmäßigen Pflege. Als Grund für diese Missstände werden immer fehlendes Geld und Personal angeführt. Und da kommt nun Kafka ins Spiel.

 

Veredelte Einwohner sind weniger wert

 

Wie viel Geld jeder Bezirk für die Unterhaltung seiner Grünflächen zugewiesen bekommt, das richtet sich nach der Einwohnerzahl und der Parkfläche – allerdings nicht so, wie Sie jetzt denken. Zwar ist Pankow der einwohnerstärkste der Berliner Bezirke, und der mit der größten Grünfläche. Auf die Zuweisung wirkt sich beides aber negativ aus.

Zum einen liegt das daran, dass die Pankower einen zu guten sozialen Hintergrund haben und daher nicht 100 Prozent der Einwohner in die Berechnung einfließen, sondern nur 91 Prozent – veredelte Einwohnerzahl heißt das dann. Zum anderen befinden sich Pankows Grünflächen zu einem großen Teil am Stadtrand und werden daher als nicht so pflegebedürftig eingestuft. Wo keine Touristenhorden täglich grillen, muss der Rasen einfach seltener gemäht werden, ist in etwa die Logik, die da hinter steckt. Alles in allem führt es dazu, dass Pankow für seinen Bedarf zu wenig Geld bekommt. Womit die zweite Stufe der Absurdität zündet.

 

Von der Mangelwirtschaft zur Vorbildfunktion

 

Weil es Pankow nämlich an Personal und Geld für die Pflege seiner Parks mangelt, gibt es folglich auch weniger dafür aus als andere Bezirke. Wenn dann Ende des Jahres verglichen wird, welcher Bezirk am sparsamsten war, steht Pankow in der Liste ganz oben. Was jedoch nach der Logik der Kosten-Leistungs-Rechung dazu führt, dass der Senat im kommenden Jahr noch weniger Geld für Grünflächen ausschüttet: Denn wenn Pankow mit so wenig Geld auskommt, dann sollen die anderen Bezirke das wohl auch schaffen.

Nun entspricht die Sparspirale, die so in Gang gesetzt wird, schon der ursprünglichen Idee dieser Haushaltsführung. Allerdings spielt dabei gar keine Rolle, wie es den Parks derweil ergeht. Nach diesem Muster könnten wir jetzt auch alle aufhören, Wintermäntel zu tragen, schließlich gibt es Menschen in der Stadt, die auch keinen besitzen. Im ersten Augenblick spart das natürlich den Einkaufspreis. Nach der ersten Lungenentzündung samt Arztkosten und Verdienstausfall sieht die Sache allerdings etwas anders aus.

 

Mit den eigenen Waffen schlagen

 

Was uns zurückbringt zu den Grünanlagen und ihrem Ausschuss, deren Vorsitzender Roland Schröder (SPD) als Konsequenz aus dem beschriebenen Dilemma meint: „Wir müssen an den Mechanismen arbeiten.“ Denn wenn ein System diesen Grad der Absurdität erreicht hat, braucht es nur wenige Handgriffe, damit es nicht länger gegen Dich arbeitet, sondern für Dich.

Für Pankow bedeutet das konkret, aus dem eigenen Haushalt einfach mehr Geld für Grünflächen auszugeben. Das zieht den Mittelwert aller Bezirke nach oben und sorgt für höhere Zuweisungen im Folgejahr. An anderen Stellen fehlt das Geld dann zwar, aber wenn Pankow darüber verarmt, kann sich das mittelfristig nur positiv auswirken – Stichwort veredelter Einwohner. Alles in allem haben wir dann in sagen wir 20 Jahren vorbildliche Grünflächen. Was gut ist, damit mittellose Pankower dort dann in Ruhe schlafen können. Nach dem Sinn des Ganzen sollten Sie zwar besser nicht fragen. Aber Kafka wäre stolz. 

 

 

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