Der Preis des Mauerparks

von Juliane Schader 10. August 2012

Das Land Berlin riskiert Schadenersatz-Ansprüche in Millionenhöhe. Bürgerbeteiligung wird mit Füßen getreten. Und demokratisch läuft es auch nicht. Ist die Erweiterung des Mauerparks das wirklich wert?

Carsten Spallek ist gerade im Urlaub. Der Stadtrat für Stadtentwicklung in Mitte (CDU) hat sich damit einen guten Zeitpunkt ausgesucht, um sich ein wenig aus der Schusslinie zu bringen. Denn zu Hause, in Berlin, überschlagen sich gerade die Ereignisse und auch Gerüchte zum Thema Erweiterung des Mauerparks. Ein Überblick.

 

Der Bezirksamtsbeschluss

Ende Juni hat das Bezirksamt Mitte beschlossen, dass die Gewerbefläche westlich des Mauerparks, die seit Jahren für eine mögliche Erweiterung des Parks in Frage kommt, entwickelt werden soll. Im Süden sollen zwei Hektar an die bereits dort ansässigen Gewerbetreibenden wie den Flohmarkt oder den Mauersegler verkauft und fünf weitere Hektar vom Land erworben und in Park umgewandelt werden. So weit, so gut, zumal sich dieser Teil des Beschlusses – mehr oder weniger – mit einer Entscheidung der Bezirksverordneten aus Mitte vom April deckt. Im Gegensatz zu den Plänen, die das Bezirksamt für den Teil des Areals nördlich des Gleimtunnels schmiedet.

Dort sollen auf 3,5 Hektar Land 58.000 Quadratmeter Geschossfläche und damit etwa 600 Wohnungen entstehen. Zum Vergleich: Im Ernst-Thälmann-Park gibt es doppelt so viele Wohnungen auf einem Areal von 25 Hektar. Die Bezirksverordneten hatten stattdessen für eine moderate, ökologische und beispielsweise genossenschaftliche Bebauung plädiert; bei der genauen Planung sollten die Bürger mitreden dürfen. Die Bürgerwerkstatt Mauerpark Fertigstellen, die sich als Form der Bürgerbeteiligung seit zwei Jahren mit der Entwicklung der Fläche beschäftigt, hatte eine maximale Bruttogeschossfläche von 37.000 Quadratmetern gefordert.

Noch fehlt dem Bezirksamtsbeschluss die Zustimmung der Bezirksverordneten. Es gilt jedoch als sicher, dass bei deren nächster Tagung am 23. August die Fraktionen von SPD und CDU, und damit die Mehrheit, dafür stimmen – auch wenn der Beschluss dem bisherigen Kurs der Verordneten widerspricht.

 

Der städtebauliche Vertrag

Während der Bezirksamtsbeschluss noch auf seine demokratische Legitimierung wartet, verhandeln im Hintergrund bereits das Land Berlin und der Bezirk Mitte mit dem Eigentümer der Fläche, der CA Immo. Auch wenn die Gespräche nicht öffentlich laufen, sind mittlerweile einige Details durchgesickert.

So soll der Vertrag in mehreren Stufen in Kraft treten: Direkt nach der Unterschrift soll das Land Berlin kostenlos und im Austausch gegen Baurecht im Norden zwei Hektar südlich des Gleimtunnels zugesprochen bekommen. Das ist wichtig, da das Land noch in diesem Jahr den Mauerpark von seinen bisher acht auf zehn Hektar vergrößern muss – andernfalls müsste es 2,3 Millionen Euro an die Allianz Umweltstiftung zahlen, die in den 1990er Jahren die Anlage des heutigen Mauerparks mit der Auflage unterstützte, dass dieser bis jetzt entsprechend erweitert werde. Zudem sollen Verhandlungen mit den Gewerbetreibenden im Süden aufgenommen werden, die für etwa zwei Millionen Euro zwei Hektar Land kaufen sollen. Damit würde der Bestand von Flohmarkt, Mauersegler, Schönwetter und dem Blumenhandel gesichert.

Im Folgenden soll es dann an die Erstellung eines Bebauungsplans für das Areal nördlich des Gleimtunnels gehen. Wenn dieser bis Ende das kommenden Jahres in trockenen Tüchern wäre, bekäme das Land weitere drei Hektar im Süden als Parkfläche von der CA Immo geschenkt, heißt es. Kritisch ist dabei jedoch, dass die Baunutzungsverordnung nur eine sogenannte Geschossflächenzahl, die das Verhältnis von Wohnfläche zur Größe des Gesamtgrundstückes angibt, von 1,2 vorsieht. Das geplante Bauvolumen kommt aber auf einen Wert von 1,7. Selbst wenn die Bezirksverordneten aus Mitte einen Bebauungsplan mit einer solchen Dichte genehmigten – da es dem bestehenden Recht widerspricht, könnte dagegen geklagt werden. Hier macht sich der Senat besonders angreifbar.

Denn falls bis Ende 2013 die 58.000 Quadratmeter Geschossfläche nicht baurechtlich abgesichert wären, soll die CA Immo den kompletten Deal platzen lassen können. Dann müsste der Senat nicht nur die zwei zusätzlichen Hektar Land im Süden zurückgeben und die Strafe an die Allianz Umweltstiftung begleichen, sondern auch mit Schadenersatzzahlungen rechnen. Angeblich enthält der städtebauliche Vertrag sogar eine entsprechende Klausel, die der CA Immo Ausfallzahlungen zusichert. Zudem wird spekuliert, dass weitere 1,2 Millionen Euro vom Senat an den Eigentümer als Ausgleich dafür gezahlt werden sollen, dass dieser über mehrere Jahre sein Grundstück nur noch teilweise als Gewerbefläche vermietete, weil die Zukunft des Areals nicht geklärt war. Alles in allem eine Gemengelage, in der es mit der CA Immo nur einen Gewinner gibt.

 

Die Bebauung

Eine massive Bebauung im Norden soll kommen, das macht der Bezirksamtsbeschluss deutlich. Doch wer soll da eigentlich bauen und wohnen? Laut Informationen der Prenzlauer Berg Nachrichten plant die CA Immo, das Gelände selbst zu entwickeln und blockweise weiterzuverkaufen. Ein Fünftel der Wohnfläche soll an städtische Wohnungsbaugesellschaften gehen, ein Fünftel an Genossenschaften. Der Rest soll an Baugruppen und als Eigentumswohnungen verkauft werden.

Besonders interessant ist dabei, dass die städtischen und genossenschaftlichen Teile im Norden des Grundstücks, also direkt an der S-Bahn, entstehen sollen, während die Baugruppen und einzelnen Eigentümer im ruhigeren Südosten Richtung Kinderbauernhof untergebracht werden sollen. Nutzungskonflikte zwischen den neuen Bewohnern und den alteingesessenen Kindereinrichtungen scheinen da vorprogrammiert.

Auf Nachfrage, ob eigentlich die bestehenden Baugenossenschaften SelbstBau und Möckernkiez, die im März Interesse an der Entwicklung einer Wohnsiedlung nördlich des Gleimtunnels gezeigt hatten, in Verhandlungen mit der CA Immo seien, sagte Severin Höhmann von der SelbstBau: „Da wir in diesem Fall nicht selbst Entwickler, sondern Nachkäufer von der CA Immo wären, kommt das für uns nicht mehr in Frage.“ Unter den gegebenen Bedingungen könnten sie einfach keine vertretbaren Mieten mehr verlangen. „Zudem stehen wir nicht als genossenschaftliches Feigenblatt für ein derartiges Projekt zur Verfügung.“

 

Die Bürgerbeteiligung

Völlig düpiert werden mit diesen Entscheidungen die Ehrenamtlichen der Bürgerwerkstatt. „Wir sollen uns ausschließlich in die Gestaltung der Grünfläche im Süden einbringen, hat uns am Mittwoch die Senatsverwaltung wissen lassen“, sagt deren Sprecher Alexander Puell. Anders als etwa noch im April von den Bezirksverordneten angedacht, soll die Entwicklung des Gebiets im Norden komplett ohne Beteiligung der Werkstatt ablaufen. „Wir müssen uns jetzt erstmal in der Gruppe zusammensetzen und unser zukünftiges Vorgehen besprechen. Ich als Sprecher kann aber nur empfehlen, sich diesem Diktat nicht zu unterwerfen und als Reaktion auf diese neuen Voraussetzungen die konstruktive Zusammenarbeit einzustellen“, so Puell. Mit der Ansage von Senat und Bezirk werde nicht nur die ehrenamtliche Arbeit als Bürgerwerkstatt diskreditiert und damit der Bürgerbeteiligung vor den Kopf gestoßen, sondern auch ein weiterer Wunsch der BVV Mitte übergangen, die in ihrem Beschluss vom April ausdrücklich die Mitwirkung der Bürgerwerkstatt im Süden wie im Norden gefordert hatte.

 

Die Baustellenzufahrt

Auch die Anwohner des Gleimviertels sind in heller Aufruhr, weil sie befürchten, dass die Großbaustelle im Norden durch ihr Viertel beliefert werden soll. Zwar gibt es eine offizielle Stellungnahme von Christian Gaebler (SPD), Staatssekratär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der die Erschließung der Baustelle über die bestehende Gewerbestraße auf dem Gelände der CA Immo in Aussicht stellt. Diese führt aber über den denkmalgeschützten Gleimtunnel, was die Anwohner für nicht praktikabel halten: „Wir haben Informationen aus der zuständigen Senatsverwaltung, dass der Gleimtunnel diese Traglast nicht hält und ein Gutachten dieses bestätigen wird“, meint Heiner Funken von der Stiftung Weltbürgerpark, die sich komplett gegen eine Bebauung wehrt und für eine größtmögliche Erweiterung des Parks kämpft. 

Als Alternativen nennt Funken die Baustellenzufahrt über den Kinderbauernhof oder über einen Weg der Deutschen Bahn, der vom nördlichsten Ende der Schwedter Straße abgehend direkt an den Gleisen entlang führt. „Beide Varianten würden die soziokulturelle Struktur dieses Gebietes zerstören“, glaubt Funken. „Das werden wir auf keinen Fall hinnehmen.“ Schon jetzt hängen entlang der Schwedter Straße bemalte Bettücher aus den Fenstern, die im Falle einer derartigen Lösung maximalen Widerstand versprechen. Hier, auf der Pankower Seite, haben die Bürger ihre Lokalpolitiker zwar hinter sich. Wenn es hart auf hart kommt, hat aber erfahrungsgemäß meist der Senat das letzte Wort.

 

Die Gewerbefläche

Bleibt der Verkauf von zwei Hektar Gewerbefläche an Flohmarkt und Co im Süden als einziger Faktor, bei dem es gerade halbwegs rund läuft. „Wir verhandeln gerade mit dem Senat und der CA Immo und sind da auf einem guten Weg“, sagt Lars Herting vom Mauerparkflohmarkt. Vorgesehen sei, zusätzlich zum Sonntag noch an einem weiteren Tag in der Woche ein kleineren Markt zu veranstalten. An allen anderen Tagen solle die Fläche offen für alle zugänglich sein und als eine Art Parkerweiterung genutzt werden können. „Das wird auch so vertraglich festgehalten“, meint Herting. Für die entsprechende Umgestaltung sei man in Kontakt mit der Grün Berlin. „Für uns es gut, dass wir als Gewerbetreibenden nun aus der Zwischennutzung herauskommen und Planungssicherheit haben.“

Immerhin das.

 

Die CA Immo möchte sich derzeit zum Thema überhaupt nicht äußern. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verweist an den Bezirk Mitte, der da derzeit federführend sei. Und Stadtrat Spallek ist, siehe oben, im Urlaub. 

 

 

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