Kaum Personal, kein Geld für Soziales: Pankow droht vom Senat kaputtgespart zu werden. Der muss sich endlich entschließen, seine Bezirke auskömmtlich zu finanzieren. Oder sie auflösen.
Nehmen wir zum Beispiel die Altkleider-Container. Nicht nur, aber auch in Prenzlauer Berg stehen sie an jeder Ecke, sehen schrecklich aus, werden Opfer von Vandalismus-Attacken und behindern schlimmstenfalls noch den Verkehr. Offiziell genehmigt seien im ganzen Bezirk tatsächlich sage und schreibe nur vier von ihnen, gab der zuständige Stadtrat für öffentliche Ordnung, Torsten Kühne (CDU) unlängst bekannt. Alle anderen Container sind demnach illegal auf öffentlichem Straßenland unterwegs. Doch unternehmen könne man gegen diesen Missstand leider nichts. „Aufgrund der finanziellen Situation und der personellen Ausstattung des Bezirks wird es jedoch auch künftig nicht möglich sein, sich der angeführten Problematik in den jeweiligen Ämtern schwerpunktmäßig anzunehmen“, so der Stadtrat.
Seitdem er im Amt ist, zählt es zu seinen Hauptaufgaben, über Personalmangel zu klagen: Dem Außendienst des Ordnungsamtes fehlt es an Mitarbeitern, sodass diese sich entscheiden müssen, ob sie lieber den Jugendschutz, den Nichtraucherschutz oder die Lebensmittelhygiene in Kitas kontrollieren wollen. Im Bürgeramt, für das Kühne ebenfalls zuständig ist, kommt es zu aufgrund der dünnen Personaldecke zu Wartezeiten bis zu sechs Stunden. Und an regelmäßige Kontrollen der Öffnungszeiten von Spätkaufs ist gar nicht erst zu denken.
Nach dem Personalkollaps kommt der Stellenabbau
Dabei ist Kühne nicht alleine mit seinem Problem. Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) berichtet, im Sozialamt arbeite das Personal längst an der Schmerzgrenze, mit der Folge, dass Bedürftigen nicht immer rechtzeitig finanzielle Unterstützung gewährt werden könne. Jugendstadträtin Christine Keil (Linke) klagt über ähnliche Belastungen im Jugendamt. Und Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) erklärt, dass man zwar überall, wo Anfragen aufliefen, nicht mehr hinterher käme. Aber dass laut Senatsbeschluss in den kommenden vier Jahren in allen Berliner Bezirken zusammen noch einmal 1500 Stellen gestrichen werden sollten.
Nun wird derartiges Gejammer aus Verwaltungen ja gerne abgetan. Aber wenn es so unisono erklingt, und man es auch so direkt an der eigenen Haut erleben kann wie etwas derzeit im Bürgeramt, dann muss wohl etwas dran sein. Natürlich sollte sich eine Stadt wie Berlin keine aufgeblasene Verwaltung leisten. Aber eine funktionierende wäre schon vor Vorteil. Zumal nicht in den Büros der Senatsverwaltungen, sondern in den Bezirken die Dinge des täglichen Lebens erledigt werden müssen, vom Pass über die Sozialhilfe bis hin zum Kinderschutz.
Bislang fährt der Senat gegenüber den Bezirken eine harte Linie: Während offenbar ein paar Millönchen mehr oder weniger für einen Flughafen keine Rolle spielen, werden die Bezirke rigoros auf Sparkurs gehalten. Wer sich nicht daran hält, wird kurzfristig finanziell entmündigt. So bleibt etwa Pankow nichts anderes übrig, als sich selbst bis in die Handlungsunfähigkeit zusammenzukürzen.
Politiker aller Bezirke vereinigt euch
So läuft es zumindest derzeit. Zwar sparen die Politiker, siehe oben, nicht am Gejammer. Aber dabei bleibt es. Was fehlt, ist eine breite Front aller Bezirke, die gemeinsam auf Konfrontationskurs mit dem Senat gehen. Gerne auch unterstützt von den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses, deren Wurzeln ja auch zumeist in der Bezirkspolitik liegen und denen die Probleme vor Ort daher nicht fremd sein dürften. Denn der Senat muss erkennen, dass er die Bezirke endlich wieder finanziell ausreichend ausrüsten muss, um keinen kompletten Verwaltungskollaps an der Basis zu provozieren. Oder dass er die Bezirke auflösen muss.
Denn auch wenn niemand gerne darüber spricht: Die zweigliedrige Verwaltung, die sich Berlin derzeit gönnt, ist ein Luxus. Laut eines Gutachtens aus dem Jahr 2005 könnten jedes Jahr bis zu 450 Millionen Euro gespart werden, wenn die Bezirke abgeschafft und die Verwaltungsaufgaben von den Senatsverwaltungen übernommen würden. Für die bürgerliche Mitbestimmung an der Basis könnten statt der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) Stadtteilversammlungen sorgen. Doch ein Vorstoß in diese Richtung durch die Landes-FDP wurde quer durch alle Parteien abgelehnt – offiziell, weil Probleme im Bezirk eben besser von Leuten vor Ort gelöst werden können. Zudem spielte damals aber auch eine Rolle, dass mit der Auflösung der Bezirksämter und BVVs viele Posten und damit politische Aufstiegsmöglichkeiten wegfielen. Da waren sich die Politiker doch wieder selbst am nächsten. Man kann ja auch verstehen, dass ein Bezirk von der Größe Pankows einen eigenen Verwaltungsapparat gebrauchen kann. Aber wenn man ihn nicht finanzieren mag, sollte man ihn besser auflösen als ausbluten lassen.
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