Die ehemalige Bötzow-Brauerei soll saniert werden. Was geplant ist und was bisher geschah steht in diesem ABC. Im heutigen 2. Teil geht es von M wie Mädcheninternat bis Z wie Zwischennutzung.
Mädcheninternat. In den 1950er Jahren wurde an der Prenzlauer Allee ein schmuckloser Flachdachbau hochgezogen, der als Kita diente. Dort ist heute der Club „Mädcheninternat“ untergebracht, dessen Gäste sich früher zum Feiern auch gerne mal heimlich in die Katakomben der Brauerei schlichen. Im dazugehörigen Biergarten konnte man zuletzt noch ganz gut die Fußball-Europameisterschaft verfolgen. In den aktuellen Plänen der Architekten steht an Stelle des Mädcheninternats allerdings ein Bürogebäude in Form einer -> Heuschrecke.
Näder. Hans Georg Näder ist Chef des Medizintechnik-Unternehmens Otto Bock, welches sich seit 1919 vom Prothesen-Fertiger zum Weltmarktführer mit 5000 Mitarbeitern mauserte. Der von ihm selbst verbreiteten Legende nach entdeckte Näder im Herbst 2010 die Bötzow-Brauerei bei einem Spaziergang zwischen Kollwitzplatz und Soho House, verliebte sich sofort in das Areal und kaufte es innerhalb von acht Wochen. Später möchte er selbst von seiner Wohnung am Potsdamer Platz in eins der entstehenden Lofts ziehen. Im Dezember sagte er gegenüber den Kollegen von der Welt am Sonntag in einem Interview über die Bötzow-Brauerei: „Es ist eine schlafende Schönheit, die wach geküsst werden muss, und das werden wir tun.“ Dass Berlin eher wenig von Schneewittchen, dafür aber umso mehr von Rumpelstilzchen hat, wird er wohl noch herausfinden.
Preußen. Preußens Könige, seit 1871 auch bekannt als Deutsche Kaiser, tranken gerne Bier, und besonders gerne das aus der Schloss-nahen Brauerei der Bötzows. Seit 1886 durften die sich daher sogar als Hoflieferanten bezeichnen.
Querelen. Gibt es bislang keine, und das, obwohl die Bötzow-Brauerei historisch wie geografisch für Prenzlauer Berg eine wichtige Rolle spielt. Doch nachdem das Grundstück fast 70 Jahre lang brach lag, sind wohl Lokalpolitiker ebenso wie engagierte Bürger einfach nur froh, dass jetzt endlich etwas passiert. Man sehe da derzeit kein Konfliktpotential, heißt es aus dem Umfeld der Bürgerinitiativen. Bleibt abzuwarten, was passiert, wenn die ersten Bäume gefällt werden. Der 2003 gegründete Verein „Freunde der Bötzow-Brauerei“ hat sich auf die Anfrage, wie seine Mitglieder die neuesten Entwicklungen beurteilen, leider nicht zurückgemeldet.
Rollstuhlmanufaktur. Natürlich will auch das Unternehmen Otto Bock selbst etwas von seiner Investition in die Bötzow-Brauerei haben. So sollen an der Saarbrücker Straßen eine Rollstuhlmanufaktur sowie eine Kreativfabrik entstehen – eine Art Think Tank, in dem die Mitarbeiter aus aller Welt zusammenkommen können.
Stall. Als die Brauerei noch in Betrieb und Lkws noch nicht ganz so verbreitet waren, vertrieben die Bötzows ihr Bier via Pferdekarren. Etwa 100 Pferde zählten daher zum Betrieb, sogar ein eigener Zuchthengst war vorhanden. Die Ställe samt Tränken und Trögen sind noch erhalten; das Lieblingspferd einer der Damen Bötzow wurde angeblich auf dem Gelände begraben.
Teuer. Das wird die Sanierung des etwa 24.000 Quadratmeter großen Geländes definitiv. 17 Millionen Euro teuer war allein der Kauf, investiert werden sollten insgesamt 100 Millionen Euro, hieß es noch vor kurzem. Während den derzeit angebotenen ->Führungen ist mittlerweile von 200 Millionen Euro die Rede. Und auch das dürfte nicht das letzte Wort gewesen sein.
Untergärig. Untergäriges Bier, zu dem für die weniger Bierophilen unter uns auch das Pils gehört, muss während der Herstellung kühl lagern. Da man im 19. Jahrhundert mit der Kühlschrank-Technik noch etwas hinterher war, braute man in den wärmeren Monaten gerne in der natürlichen Kühle des Untergrunds. Doch im sandigen Berliner Boden war die Anlage eines Kellergewölbes keine einfache Sache. In den ansteigenden Windmühlenberg (-> Windmühle) ließ sich hingegen gut graben. 1864 ließ Julius Bötzow daher genau dort einen 5000 Quadratmeter großen Gewölbekeller anlegen.
Villa. Die Bötzows zogen es vor, statt im vornehmen Westen direkt neben ihrer Brauerei in einer Villa zu residieren, Schloss des Nordens genannt. Während des zweiten Weltkriegs wurde diese jedoch fast völlig zerstört, nur Teile der Fassade sind heute noch erhalten. Dafür wurde vor kurzen der zum Haus gehörende Swimmingpool ausgegraben, den angeblich auch die Mitarbeiter des Unternehmens nutzen durften.
Windmühlen. Auf dem Anstieg, auf dem die Bötzow-Brauerei entstand, hatte Friedrich II im 18. Jahrhundert acht Windmühlen aufstellen lassen, die dem Areal den Namen Windmühlenberg verpassten. Doch mit der Industrialisierung wurden diese bald zum Mahlen von Getreide nicht mehr gebraucht, sie verschwanden, und mit ihnen der Name.
Yuppies. Lofts, ein Markt nach New Yorker Vorbild und luftige Büros in Heuschrecken-Optik – genau, das riecht nach massivem Yuppie-Alarm. Allerdings versucht der Bauherr gerade alles, um genau diesen Eindruck nicht zu erwecken. Vielmehr schärmt -> Näder von der unbedingt zu erhaltenen DNA der Bötzow-Brauerei. Angesichts der Tatsache, dass dort einst Karl ->Liebknecht gerne sein Bier trank und der Brauereibesitzer seine Angestellten im eigenen Pool schwimmen ließ, müsste er dann aber konsequenter Weise die Lofts durch sozialen Wohnungsbau und den Chelsea Market durch einen Flohmarkt ersetzen.
Zwischennutzung. Sie herrschte auf dem Gelände für viele Jahrzehnte, seitdem 1949 der Brauereibetrieb eingestellt worden war. Zwischen dem Zweiten Weltkrieg und der Wende wurde es als Lager genutzt, unter anderem für Spirituosen, Fisch und Zigaretten. Nach der Wende, als die Besitzer regelmäßig wechselten (-> Einkaufszentrum), bot es Galerien und Clubs eine temporäre Heimat (-> Mädcheninternat).
Zum 1. Teil von A wie Ausgeschlafen bis L wie Liebknecht geht es hier entlang.
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