Die ehemalige Bötzow-Brauerei soll saniert werden. Was geplant ist und was bisher geschah steht in diesem ABC. Im 1. Teil heute geht es von A wie Ausgeschlafen bis L wie Liebknecht.
Ausgeschlafen. So steht es seit einiger Zeit auf einem Transparent über der Zufahrt zur ehemaligen Bötzow-Brauerei an der Prenzlauer Allee. Vor zwei Jahren wurde das seit Jahrzehnten brach liegende, 24.000 Quadratmeter große Gelände vom Medizintechnik-Unternehmen Otto Bock HealthCare gekauft, das Ende des Jahres mit der Wiederbelebung beginnen will. Nach den Plänen der Potsdamer Architekten Van Geisten/Marfels, die in Pankow bereits die Alten Mälzerei zu Wohnungen umgebaut haben, sollen die alten Gebäude im hinteren Teil des Grundstücks in Stand gesetzt werden (-> Chelsea Market, Denkmalschutz), während vorne an der Prenzlauer Allee sowie der Saarbrücker Straße Neubauten geplant sind (-> Heuschrecken, Rollstuhlmanufaktur). Bis 2020 soll alles fertig sein.
Bötzow. 120 Jahre lang haben die Bötzows die Ereignisse auf dem einigsten Windmühlenberg (-> Windmühlen) bestimmt. Im Jahr 1826 war es Christian F. Bötzow, der die Windmühlen erstand, 1864 Julius Bötzow, der auf dem Gelände erst einen Gewölbekeller und einen Biergarten für seine Brauerei in der Alten Schönhauser Straße baute und zwanzig Jahre später dort mit der Biererzeugung begann. Nach Jahren der Blüte, in denen die Brauerei ein gut gehendes Familienunternehmen blieb, folgte die teilweise Zerstörung während des zweiten Weltkrieges. Im April 1945 verübte der überzeugte Nationalsozialist Hermann Bötzow auf dem Gelände Selbstmord. Nach Enteignung und Demontage kam es 1949 zur endgültigen Stilllegung der Brauerei, auf die eine lange Phase der ->Zwischennutzung folgte. Die verfallene Familiengrabstätte der Bötzows findet sich auf dem Friedhof der Georgen-Parochialgemeinde direkt neben dem heutigen Leise-Park.
Chelsea Market. So heißt das New Yorker Vorbild für die anvisierte Nutzung der Gewölbekeller, wo kleine Geschäfte und Bistros einziehen sollen. Gemeinsam mit den Neubauten an der Prenzlauer Allee (->Heuschrecken), wo neben Büros auch Platz für Kultureinrichtungen entstehen soll, sollen diese den öffentlichen Teil der einstigen Brauerei bilden, während der Zugang zu den Lofts in den Altbauten im hinteren Teil (-> Denkmalschutz) Privatleuten vorbehalten bleiben soll.
Denkmalschutz. Die alten Backsteingebäude der Brauerei stehen unter Denkmalschutz und sollen dementsprechend in Stand gesetzt werden. Der Plan sieht vor, dass hier elf luxuriöse Lofts mit 300 bis 1700 Quadratmetern Wohnfläche entstehen, eins davon hat Herr -> Näder übrigens schon für sich selbst reserviert.
Einkaufszentrum. Lange Zeit stand auf dem Areal ein Schild, das ankündigte, dass hier demnächst ein Einkaufszentrum entstehen solle. Tatsächlich war das der Plan der Kriegbaum-Unternehmensgruppe, die die alte Brauerei 1995 kaufte. Auch der Metro-Konzern dachte noch an einen Shoppingtempel, als er das Areal drei Jahre später übernahm. Doch dann kam ihm die Konkurrenz mit dem Alexa zuvor, und die Idee vom Einkaufszentrum wurde wieder eingestampft.
Führungen. Bevor es mit den Bauarbeiten ernst wird, bietet der aktuelle Besitzer am Wochenende Führungen über das verfallene Gelände an. Von den Tiefkellern bis zu den zukünftigen Lofts kann man alles betrachten, und das sogar kostenlos. (Nähere Informationen gibt es hier.) Somit wird nicht nur die einmalige Gelegenheit geboten, sich ein genaues Bild vom derzeitigen Zustand und den Plänen des Eigentümers zu machen. Sondern ganz nebenbei auch ein neues K21 zu verhindern versucht. Denn dass niemand gewusst habe, was geplant war, kann so später keiner sagen (-> Querelen).
Geheimgang. Die Legende will es, dass die vielen Brauereien des Prenzlauer Bergs einst durch Geheimgänge verbunden waren. Tatsächlich soll ein unterirdischer Gang von der Bötzow-Brauerei zur benachbarten Backfabrik führen; ob es darüber hinaus noch geheime Wege gibt, ist offen. Man habe längst noch nicht alle Verstecke in den alten Gemäuern entdeckt, heißt es. Die Chance, hier endlich das Bernsteinzimmer zu bergen, ist somit noch gegeben.
Heuschrecken. Auf dem heute noch völlig zugewucherten Areal direkt an der Prenzlauer Allee sollen vier Bürokomplexe entstehen. Die quer zur Straße stehenden länglichen Glasbauten sollen auf Stelzen aufgebockt werden, sodass man unter ihnen hindurch gehen kann. Für jeden mit etwas Fantasie Ausgestatteten sieht das sehr nach frisch gelandeten Heuschrecken aus. Was angesichts der Finanzkraft des Unternehmers und der geplanten Riesen-Lofts kein ganz günstiges Bild abgibt. Herr -> Näder findet den Entwurf dennoch dufte und meint eh, dass die Architektur eher an Raumschiffe erinnere. Der Bezirk möchte das Ganze auf jeden Fall noch einmal diskutieren, zumal es sich bei der Bötzow-Brauerei um das Tor zum Prenzlauer Berg handelt. Wer sich selbst ein Urteil bilden möchte, Bilder gibt es hier.
In trockenen Tüchern. Ist noch nichts, schließlich fehlt noch der Bebauungsplan. Da werde man sich schon einigen, heißt es derzeit vom Bauherren ebenso wie vom Bezirk. Bei Feinheiten wie der Gestaltung der Neubauten (-> Heuschrecken), der Versetzung des Gedenksteins (->Liebknecht) oder auch der Verkehrslenkung gibt es aber noch Gesprächsbedarf. Schließlich soll unter der einstigen Brauerei eine Tiefgarage mit 250 bis 500 Stellplätzen entstehen, und die Autos sollen sich nicht jeden Morgen durch die Saarbrücker Straße schieben.
Kulisse. Das verlassene Brauerei-Gelände wurde in den vergangenen Jahren immer wieder gerne als Filmkulisse genutzt. In der Verfilmung von Wladimir Kaminers „Russendisko“ spielte es zum Beispiel das Tacheles der 90er Jahre, und auch in „Unknown Identity“ mit Liam Neeson war es zu sehen.
Liebknecht. Karl Liebknecht war nicht nur überzeugter Kommunist, sondern wohl auch Freund des Bieres und des Biergartens an der Prenzlauer Allee. Zumindest erkor er ausgerechnet diesen Ort, um in den Nachkriegswirren des Januars 1919 einen Revolutionsausschuss zu gründen. Dessen Plan, die demokratische Regierung zu stürzen und das Land sozialistisch zu organisieren, schlug bekannter Weise fehl. Heute erinnert ein Gedenkstein an der Ecke Prenzlauer Allee/Saarbrücker Straße an die Ereignisse. Dass ausgerechnet hier der neue Zugang zum Gelände angelegt werden soll, wird zwischen Unternehmer und Bezirk wohl noch für Diskussionen sorgen.
Teil 2 des ABCs von M wie Mädcheninternat bis Z wie Zwischennutzung steht hier.
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