Ein Seifenblasenmacher soll heute für eine friedliche Walpurgisnacht im Mauerpark sorgen. Mit Lauge, Gebeten und Blumen. Die Geschichte eines erfolgreichen Besänftigers.
Zu Besuch bei dem Mann, der die friedliche Walpurgisnacht im Mauerpark erfunden hat. Er hat nichts an, gar nichts hat er an. Logisch, denn er kommt gerade aus der Dusche, und während er sich anzieht, hat man Gelegenheit, sich die 26 Quadratmeter-Wohnung anzuschauen, in der Peter Pan, der Mann mit dem Rauschebart, wohnt. Die Decken sind sehr hoch, so dass hier eine Zwischenetage installiert ist, statisch fraglich, raumökonomisch genial. Unten Küche, Wohnzimmer, Klo und ein begehbarer Bücherschrank, oben Schlafzimmer, Gästeschlafzimmer, Aufenthaltsraum, Badezimmer und – das wird einem jetzt schlagartig, während man hoch zu Peter Pan schaut, klar – auch der Umkleideraum. Eine Empore, auf der man versehentlich für eine Millisekunde schräg von unten sieht, wie der nackte Peter Pan in seine gelbe Hose und den roten Pullover schlüpft.
Peter Pan ist der Künstlername von Piotr Szczeniowski, er wohnt anscheinend nicht nur in der kleinsten Doppelhaushälfte, die ein Prenzlauer Berger Hinterhofzimmer zu bieten hat, sondern ist auch ganz offiziell Betreiber des „Einfachsten Theaters der Welt“ in der Kopenhagener Straße und seit nunmehr neun Jahren Garant dafür, dass es eine friedliche Walpurgisnacht im Mauerpark gibt. Wenn man die Antwort sucht, wie er das macht, dann geht man erst mal zusammen vor die Tür, denn die Sonne scheint im Hinterhof, setzt sich auf zwei Stühle, eine Dame in der Erdgeschosswohnung schmeißt ob des Gesprächs wütend das Fenster in die Angel, Peter Pan schnappt einen Plastiktisch, schleppt ihn in eine andere Ecke, der Tisch zerfällt und man ist die nächsten fünf Minuten damit beschäftigt, einen Tisch zu reparieren. Wer jetzt denkt, bei Peter Pan laufe alles ein wenig chaotisch, der irrt grundsätzlich. Jetzt holt Peter Pan nämlich noch einen Akten-Ordner.
Flucht aus dem „toten Mauerpark“
Es ist einer von zwei Ordnern. Fein sortiert und abgeheftet ist hier sämtliche Korrespondenz, die Pan nun seit zehn Jahren mit Behörden führt, jedes Jahr aufs Neue geht es darum, wo wie lange was gemacht werden kann. Meist dreht es sich ums Trommeln, Feuer machen und Hooligans besänftigen. Peter Pan trägt einen Button auf dem roten Pullover, und auf dem steht „Friedvolle Walpurgisnacht“. Das Motto jeden 30. Aprils der vergangenen acht Jahren, und auch des heutigen.
Piotr Szczeniowski ist 1949 in Polen geboren, seine Eltern wurden zuvor aus der Ukraine und Litauen nach Niederschlesien „umgesiedelt“. Seitdem, sagt Peter Pan, „bin ich eigentlich immer rumgereist, ich gehöre zum fahrenden Volk“. 2002 verschlug es ihn nach Berlin, sein erstes Erlebnis war die Walpurgisnacht im Mauerpark, und das war kein schönes. „Es war wie im Krieg“, sagt Sceniowski, und solche Vergleiche macht er nicht einfach so. Gewalt von Polizei und Hooligans widerten ihn an, Schmutz, Glas und Dreck in „einem toten Mauerpark“ ebenso, „schließlich bin ich geflüchtet“.
Noch in der Nacht lernte er die „Freunde des Mauerparks“ kennen, der Verein hatte sich damals gerade gegründet. Schnell einigte man sich darauf, dass 2003 alles besser werden soll. Peter Pan, der gelernte Puppenspieler und Seifenblasen-Macher, sollte es richten. Seitdem organisiert er jedes Jahr die „Friedliche Walpurgisnacht“ mit tausenden Besuchern.
Ab 17 Uhr wird gebetet
Peter Pan spricht von einem „spirituell-seelischen Konflikt“. Der sei verantwortlich für die 1.-Mai-Krawalle, in die nicht wenige Walpurgisnachten münden. Gewaltaffine Gäste treffen auf Staatsmacht, zwei unvereinbare Gewalten, und Peter Pans Aufgabe wird es auch heute sein, zusammen mit all jenen, die gerne konfliktfrei feiern, dem etwas entgegen zu setzen. Elf Konzerte wird es zwischen Fünf und Mitternacht auf Wiese und am Hang geben, doch Peter Pan wird sich auf das Amphitheater konzentrieren. Wie jedes Jahr beginnt hier 17 Uhr das Friedensgebet, man wünscht dann „Frieden in Berlin“. Pan hat da aus Fehlern gelernt, denn am Anfang bat er noch um Frieden in Prenzlauer Berg, aber er will ja auch keine Krawalle in Kreuzberg. Den Rest des Abends werden Pan und seine Freunde Blumen (gesponsert von Blumenläden) verteilen und „spirituelle Liebestexte“ verlesen.
Peter Pans persönliches Highlight sind dann aber wohl doch die Seifenblasen. Es ist seine Leidenschaft, und inzwischen gründet darauf ein kleines Imperium. Pan unterrichtet in ganz Deutschland und Europa Seifenblasenkünstler, vor vier Jahren hat er eine Laugenrezeptur entwickelt, mit der selbst Laien schweinsgroße Seifenblasen machen können. „Man fühlt sich wie in einer anderen Welt und es ist ungemein beruhigend.“ Für ihn gibt es kaum Schöneres, als Seifenblasen in die Walpurgisnacht des Mauerparks schweben zu lassen, sagt Peter Pan. „Eigentlich ist das der Grund, warum ich in Berlin bin.“
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