Der Hirschhof zwischen Mauerpark und Kastanienallee soll durch Enteignung wieder öffentlich werden. Doch für den Spielplatz nebenan fordern Anwohner jetzt schon ein Absperrgitter.
Der Ort scheint mit Symbolen überladen zu sein. Die Rede ist vom „Hirschhof“ im Dreieck Oderberger Straße/Kastanienallee/Eberswalder Straße. Zu DDR-Zeiten hatte sich aus der bombenzerstörten Brachfläche ein verwunschener Treffpunkt von Oppositionellen entwickelt. Seinen Namen trägt er nach einer Skulptur aus Metallschrott, die einen Hirsch repräsentieren soll, bei der es sich aber nach anderslautenden Angaben um einen Stier handeln soll.
Eine genaue Begutachtung des „Paradiesgartens“, wie ihn Daniela Dahn in ihrer Prenzlauer-Berg-Tour nannte, ist im Moment nur auf Umwegen möglich. Das Gelände wird eingezwängt von Wohnhäusern, und deren Besitzer wehren sich mit allen Mitteln gegen die Pläne des Bezirksamts, den Garten in eine öffentliche Grünfläche umzuwidmen. Inzwischen steht sogar das Wort von der Enteignung im Raum. Die Bezirksverordnetenversammlung von Pankow will den historischen Hirschhof mit der Mehrheit von SPD und Linken zwangsweise als „Gartendenkmal“ deklarieren. Sie beruft sich dabei unter anderem auf das Grünanlagengesetz von 1997.
Weitreichend waren die Pläne, die das Bezirksamt im August 2008 in einem Workshop zusammen mit den Anwohnern entwickelt hatte. Zwischen grau schraffierten Altbaublöcken sprießten Baumkronen, ein dichtes Netz an geschwungenen Fußwegen entfaltete sich zwischen den Brandwänden. Die Bezirkspolitik hatte damals Großes vor. Sie strebte eine Erweiterung des historischen Hirschhofs an, er sollte zusammen mit einer angrenzenden Altlastenfläche zum „neuen“ Hirschhof ausgebaut werden.
Die Pläne für die angrenzende Brachfläche, die in Zukunft über das Grundstück Oderberger Straße 19 zu erreichen sein wird, wurden am Mittwochabend von Mitarbeitern der Sanierungsgesellschaft S.t.e.r.n. und des Planungsbüros Fugmann/Janotta den Anwohnern vorgestellt. Der Vergleich zwischen den alten und den neuen Plänen macht schnell klar, dass die Landschaftsarchitekten in kleineren Räumen denken müsse. Aus dem Gartendenkmal ist einer von vielen Spielplätzen in Prenzlauer Berg geworden. Zwar mag der vom Bezirksamt angeführte Mangel an Spielplätzen im Gebiet um die Kastanienallee tatsächlich beklagenswert sein, dennoch wird das gewählte Spielmotto „Der Hirsch – im Wald?“ im Schatten der Mietskasernen einige Phantasie erfordern.
Auf der Westseite soll ein Kletterhirsch aus Holz aufgestellt werden, von seinem historischen Vorbild, dem Stahlskelett-Stier, durch eine einsturzgefährdete Mauer getrennt. Gepflanzt werden Birken, Eschen und Kiefern, die Kinder erwarten bei der geplanten Eröffnung im Frühjahr 2012 Pflanzen „mit Blühaspekt“, wie es hieß. Es soll ein Platzhaus geben, dessen Betreiber nach dem Willen des Bezirks nichtkommerziell sein muss. Am Mittwoch war zu hören, dass der Bezirk Verhandlungen mit dem Verein Bürgersteig e.V. aufgenommen hat.
Auf der einen Seite der Mauer Eltern mit Kindern, auf der anderen Seite Wohnungsbesitzer, die um ihre Grünfläche fürchten, dazwischen verängstigte Mieter, die ihre Ruhe bedroht sehen: Ähnlich wie vor der Wende wird das Hirschhofgelände auch jetzt wieder zum Spiegel umfassender Entwicklungen. So könnte der Spielplatz „Der Hirsch – im Wald?“ zur ersten und einzigen „Gated Spielfläche“ in Prenzlauer Berg werden. Während die Anwohner des alten Hirschhofs ihre Pforten für Besucher geschlossen halten, und damit allgemein Unmut im Kiez produzieren, entstand bei der Versammlung am Mittwoch unter den Anliegern der Spielfläche die Idee, den Platz nachts mit Gittern abzusperren. Weil im Mauerpark stärker kontrolliert werde, könne der Spielplatz zum Drogenumschlagplatz werden, lautet der Hintergedanke. „Dann zieht halt nicht nach Prenzlauer Berg“, entfuhr es einer Veranstaltungsteilnehmerin.
Jedenfalls blieben bei der Veranstaltung am Mittwoch einige Wünsche unerfüllt. Ein Garten zum Selberpflanzen wurde angeregt, von mobilen Hochbeeten war die Rede, beklagt wurde auch die Verschattung der Liegewiese. Die Wehmut nach dem Paradiesgarten war spürbar. Gleichzeitig aber auch die Angst, dass die neu geschaffene öffentliche Fläche den Anwohnern aus den Händen gleitet. Die Planer des neuen Hirschhofs gehen übrigens davon aus, dass das Enteignungsverfahren am Ende für den Bezirk ausgeht. Allerdings drängt die Zeit: Nach der Aufhebung des örtlichen Sanierungsgebiets Mitte 2012 müsste der Bezirk Pankow ohne Hilfe des Landes für eine Entschädigung aufkommen. Und dafür, soviel steht schon fest, fehlt ihm das Geld.