Warum nicht illegal?

von Thomas Trappe 3. Februar 2016

Berlins Behörden verzweifeln an der Unterbringung von Flüchtlingen. Zeitgleich kämpft man in Prenzlauer Berg und anderswo einen aussichtslosen Kampf gegen ungenehmigte Ferienwohnungen. Liegt da nicht ein Gedanke sehr nahe?

Als in der vergangenen Woche ein Prenzlauer Berger die Geschichte erfand, dass unter seinen Händen ein 24-jähriger Syrer in der Notaufnahme verstarb und einen Tag später klar war, dass alles erlogen war, konnte man daraus viele Schlüsse ziehen, und keiner davon ist komfortabel. Unbestritten ist aber nach wie vor dies: Der Mann, dem seine Geschichte gerade um die Ohren fliegt, war wohl tatsächlich ein engagierter Flüchtlingshelfer. Zwei Dutzend Menschen, so berichtete „Die Welt“ im November, habe der Mann in den Wochen davor in seiner Zweiraumwohnung in Prenzlauer Berg aufgenommen. Offenbar über eine Belastungsgrenze hinaus, jedenfalls legt dies die jüngste Entwicklung des Mannes nahe. Wie gesagt, man kann daraus vieles schließen und unter anderem etwas ganz Triviales: Die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten von Flüchtlingen in Prenzlauer Berg und anderswo in der Innenstadt erfordert kreative Antworten und endet oft in schlimmen oder gar desolaten Zuständen für alle Beteiligten. Für die Flüchtlinge. Für jene Helfer, die Menschen bei sich aufnehmen. Für Eltern von Schülern und Vereinskindern, denen Turnhallen fehlen. Und da sollte man doch mal darüber reden, dass es im Bezirk Pankow ungefähr 3.500 Wohnungen gibt, die man ohne großes Aufheben beziehen könnte.

Ungenehmigte Ferienwohnungen nämlich. Die gibt es in den zentralen Stadtteilen massenhaft, nicht zuletzt in Prenzlauer Berg. Vor zwei Jahren hat das Land diesen sogenannten zweckentfremdeten, also ungenehmigten, Ferienwohnungen den Kampf angesagt. Seit Mai 2014 gilt die Zweckentfremdungsverbotsverordnung, sie untersagt Eigentümern die Vermietung an Touristen. Eine Übergangsfrist endet im Mai dieses Jahres. Danach drohen Strafzahlungen bis zu 50.000 Euro. Wenn denn eine Zweckentfremdung festgestellt wird: Und davor braucht man aktuell nur wenig Angst zu haben.

 

Zwei Verfahren pro Monat – bei 3.500 Wohnungen

 

Die Not des Pankower Ordnungsamtes, zweckentfremdete Ferienwohnungen zu bekämpfen, ist oft genug beschrieben worden: Oft scheitern die wenigen Mitarbeiter schon daran, Anzeigen aufmerksamer Bürger zu bearbeiten: Jüngst musste der zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) wieder mal berichten, wie es nicht vorangeht. Im Internet, hieß es in Kühnes Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bezirksparlament, finde man rund 3.500 Ferienwohnungen in Pankow. Nur bei der etwa jeder hundertsten Wohnung habe man eine Adresse recherchieren können. Immerhin gebe es ab 2016 einen „unmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber den Betreibern der Internetportale auf Herausgabe der Angaben zu den Eigentümern“. Allerdings sitzen diese Betreiber oft im Ausland, Airbnb Deutschland beispielsweise gibt im Impressum eine irische Adresse an.

Immerhin 40 „Amtsverfahren“ wegen zweckentfremdeter Wohnungen sind laut Kühne bisher eingeleitet wird, das entspricht ungefähr zwei angefangenen Verfahren pro Monat. Und anfangen heißt nicht abgeschlossen: „Die Verwaltungsverfahren sind langwierig, erfordern weitreichende Recherchen und umfangreichen Schriftwechsel mit den Eigentümern/Nutzungsberechtigten und müssen mit Blick auf drohende Widerspruchs- und Klageverfahren sorgsam geführt werden.“ Kühne hätte auch schreiben können, dass das Zweckentfremdungsverbot eine publikumswirksame Idee war, ansonsten aber ein Papiertiger, der unnötig Personal bindet. Hat er natürlich nicht.

 

Der Bezirk ist dagegen

 

Und gleichzeitig wird in einer anderen Berliner Behörde Personal gebunden, das gar nicht vorhanden ist: Seit Monaten rotieren die verbliebenen gesunden Mitarbeiter des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) bei der Registrierung von Flüchtlingen, von denen täglich hunderte neue in Berlin ankommen und die kaum etwas dringender brauchen als Wohnraum. An die 50 Turnhallen sind inzwischen in Berlin beschlagnahmt worden, das entspricht ungefähr der Zahl der begonnenen Zweckentfremdungsverfahren im Bezirk Pankow. Während also die Lageso-Angestellten rotieren, treten die Kollegen im Pankower Ordnungsamt ins Leere – wäre es da nicht sinnvoller, wenn man an einem Strang zieht? Konkret: Das Pankower Ordnungsamt und die der anderen Bezirke gleich mit suchen weiterhin nach ungenehmigten Ferienwohnungen, aber mit dem Ziel, in diesen Flüchtlinge unterzubringen. Wäre es nicht vertretbar, das Ziel der Ferienwohnungsaustrocknung der aktuellen, geradezu historischen Aufgabe unterzuordnen, nämlich menschenwürdige Unterkünfte für Flüchtlinge bereit zu stellen?

Nein, wäre es nicht, sagt Stadtrat Kühne auf Anfrage. „Grundsätzlich spricht nichts dagegen“, sagt er, Flüchtlinge in Ferienwohnungen unterzubringen – allerdings nur in genehmigten. Alles andere widerspräche „dem Geist der Verordnung.“ Nicht zuletzt deswegen, weil man neue Anreize für illegale Ferienwohnungen schaffen würde, da der Tagessatz für die Flüchtlingsunterbringung in der Regel höher sei als das, was Privatvermieter sonst verlangten. Vermietern keinen Extra-Euro zu gönnen ist damit ein Hauptargument gegen eine Zweckentfremdung für Flüchtlinge. Das macht auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf Anfrage deutlich. Die Tagessätze zur Unterbringung von Flüchtlingen, sagt ein Sprecher, betrügen „ein Vielfaches einer normalen Wohnungsmiete“, dies sei dann als „Zweckentfremdung zu werten“.

Unbestritten. Nur die Frage, ob dieses zeitweise Aussetzen eines Verbots nicht trotzdem geboten sei, um einem anderen Notstand zu begegnen, steht damit trotzdem im Raum. Nein, tut sie nicht, sagt dazu wiederum Stadtrat Kühne. Denn die Bezirke, meint er, würden sich mit solch einer Maßnahme „ins eigene Fleisch schneiden“. Nämlich spätestens dann, wenn Flüchtlinge mit genehmigten Asylantrag reguläre Wohnungen suchten – und auf die weiterhin zweckentfremdeten nicht zurückgreifen könnten.

 

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