Ein-Euro-Jobber, Praktikanten und eine Website aus der Steinzeit, fertig ist die Tourismus-Förderung in Pankow. So läuft das seit über zehn Jahren – trotz steigender Touristen-Zahlen. Nun hofft man auf Geld aus der City-Tax.
Darum geht’s:
- Das Bezirks- und Tourismusmarketing in Pankow funktioniert nur, weil Ein-Euro-Jobber und Praktikanten es am Laufen halten.
- Zudem wird für einen Relaunch der Website und eine Überarbeitung des Tourismus-Marketing-Konzeptes dringend Geld benötigt, das der Bezirk nicht hat.
- Ein Teil der City-Tax könnte die Misere lösen und den Bezirkstourismus auf eine andere Ebene heben. Doch darauf haben es auch andere abgesehen.
Eine Touristeninformation, die jeden Tag acht Stunden geöffnet hat. Eine stets aktualisierte Website mit allen Veranstaltungen im Bezirk in fünf Sprachen. Ein Buch zum Kulturangebot im Bezirk, ein regelmäßiger Newsletter, Stände auf Messen und Festen: An Umtriebigkeit mangelt es dem Tic nicht, das sich um das Kultur- und Tourismus-Marketing im Bezirk kümmern. Aber am Geld.
40.000 Euro stehen aktuell pro Jahr zur Verfügung. Das reicht gerade, um eine Vollzeitstelle zu bezahlen. Den Rest der Arbeit machen fünf MAE-Kräfte, umgangssprachlich Ein-Euro-Jobber genannt, sowie Praktikanten und ein Rentner. Die Fluktuation der Mitarbeiter ist entsprechend groß; über 200 von ihnen waren seit der Gründung des Tic vor gut zehn Jahren im Einsatz. „Eine nachhaltige Lösung ist das nicht“, sagt Stefanie Gronau, die Leiterin des Projektes.
Finanzierungskonzept mit Zukunft verzweifelt gesucht
Als das Tic 2004 an den Start ging, profitierte es zu nächst von einer finanziellen Unterstützung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Diese war zeitlich begrenzt, doch damals hatte man die Hoffnung, dass sich das Projekt irgendwann selbst tragen würde, dessen Aufgabe es ist, die touristische Attraktivität des Bezirks zu erhöhen und die Marke „Prenzlauer Berg“ zu stärken.
Zwar gelingt es mittlerweile, bis zu 3000 Besucher pro Monat in die Touristeninformation in der Kulturbrauerei zu locken, 40 Prozent aus dem Ausland, und auch die Website www.tic-berlin.de hat sich mit durchschnittlich 15.000 Besuchern im gleichen Zeitraum bewährt. Die Nachfrage ist also da, zumal nicht nur die Zahl der Touristen in Berlin gestiegen ist – von 6,5 Millionen Besuchern im Jahr 2005 auf fast 12 Millionen im vergangenen Jahr. Auch deren Interesse am städtischen Leben jenseits der üblichen Sehenswürdigkeiten hat zugenommen. Dennoch konnte sich für die Tourismusförderung in Pankow kein tragfähiges Finanzierungskonzept entwickeln.
Lediglich der Standort in der Kulturbrauerei scheint gesichert, seitdem im vergangenen Jahr die TLG als Eigentümerin der Brauerei zugesagt hat, die Räume im Sudhaus bis auf Weiteres kostenlos zur Verfügung zu stellen. Dafür benötigt die Internetseite aus dem Jahr 2006 dringend einen Relaunch, und auch das bezirkliche Tourismus-Marketing-Konzept aus dem gleichen Jahr ist mittlerweile total überholt. Beides zu aktualisieren wäre dringend nötig und der einzige Weg, das Tic auf Dauer profitabel werden zu lassen, erklärte Pankows Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) zuletzt in einer Antwort auf eine kleine Anfrage zum Thema.
Doch derzeit sieht es nicht so aus, als ob der Bezirk das dafür benötigte Geld locker machen könnte.
Tourismus-Konzept Marke Eigenbau – ist das die Lösung?
„Es wird nicht weniger Geld geben als bisher – aber mehr kann ich wahrlich nicht versprechen“, sagt Christiane Heydenreich (Grüne), Vorsitzende des Pankower Wirtschaftsausschusses mit Blick auf die aktuell laufenden Haushaltsverhandlungen. Als pragmatische Lösung schlägt sie vor, das Marketing-Konzept in Eigenarbeit mit ein paar interessierten Bezirksverordneten und Mitarbeitern der Verwaltung zu aktualisieren, statt eine externe Firma zu beauftragen.
Das klingt zwar nach viel gutem Willen, aber nicht nach dringend benötigter Professionalisierung. Auf der anderen Seite erscheint es mehr als verständlich, wenn man in Pankow das knappe Geld lieber in die Sanierung von Schulen und die Gewährleistung aller Sozialleistungen als in die Tourismusförderung stecken mag.
Dafür hat auch Stefanie Gronau Verständnis. Daher hat sie eine andere Finanzierungsquelle ins Auge gefasst: die City-Tax. Fast 30 Millionen Euro hat die Stadt 2014 mit der Bettensteuer für Touristen eingenommen. „Davon könnte auch der Tourismus in den Bezirken profitieren“, meint sie. „Bislang fehlt für diese Angebote ein Finanzierungsmodell, das mit der Tourismusentwicklung Berlins mitgewachsen ist.“
Pankow ist mit dem Problem nicht allein
Unterstützung bekommt sie bei diesem Vorstoß aus Treptow-Köpenick. Der dortige Tourismusverein ist seit fast 25 Jahren im Einsatz und gilt damit in Berlin als Vorbild. „Eine Unterstützung durch die City-Tax könnte in den Bezirken eine solide Voraussetzung für deren Selbstvermarktung schaffen“, sagt dessen Geschäftsführer Mathis Richter.
Aktuell erwirtschaftet der Verein das meiste Geld zum Beispiel mit Veranstaltungen, dem Verkauf von Informationsmaterial und Vermittlungsprovisionen selbst. Darüber hinaus zählt er über 70 Mitglieder aus der Tourismusbranche und wird von der Wirtschaftsförderung des Bezirkes unterstützt. Diese Differenzierung gelte es nicht infrage zu stellen, meint Richter. Eine zusätzliche finanzielle Unterstützung vom Land würde vielmehr ermöglichen, dem Tourismus in den Bezirken eine völlig neue Qualität zu verleihen, die der gestiegenen Nachfrage entspräche. Dass man dabei eine enge Zusammenarbeit mit Visit Berlin anstrebe, wo man sich um die Vermarktung der ganzen Stadt kümmert, sei selbstverständlich, so Richter.
Dort signalisiert man durchaus Bereitschaft, bereits bestehende Kooperationen noch auszubauen. Das Geld dafür müsse jedoch die Politik zusichern, und der mangelt es nicht an Interessenten, die gerne einen Teil der City-Tax für sich in Anspruch nähmen. Mitte Juli hat Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nun erst einmal angekündigt, die Kultur und dabei besondern die freie Szene zu bedenken.
Der Wunsch der Tourismus-Ankurbler in den Bezirken hängt derweil in der Lobby-Schleife. Bis auf Weiteres bliebt das Pankower Tic damit ein prekäres und teilweise veraltetes Angebot, unterhalten von Unter- bis Gar-nicht-Bezahlten und viel gutem Willen. Ein Konzept mit Zukunft sieht anders aus.
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