Theaterleute spielen gegen den Tod

von Thomas Trappe 30. Januar 2012

Gegen die Kürzungspläne des Bezirks im Kulturbereich formiert sich Widerstand. Inzwischen zahlen die Künstler, um spielen zu dürfen – und starten eine Petition.

Ab der kommenden Woche erhält der Bezirk Pankow finanzielle Unterstützung. Da er ab dem 1. Februar wegen einer vorläufigen Haushaltssperre kein Geld mehr an die Kultureinrichtungen im Thälmann-Park überweisen kann, haben sich die dort ansässigen Künstler nun entschlossen – dem Bezirk Geld zu überweisen. Zwar hat die verwirrende Wendung eine innere Logik, dass sie allerdings wie ein äußerst subtiler Protest gegen die Kürzungspläne wirkt, ist ein erwünschter Nebeneffekt der Aktion.

Zunächst zur Logik: Wie berichtet, kann der Bezirk aufgrund der von Senat angekündigten Streichpläne bei den Mittelzuweisungen und dem zudem noch nicht verabschiedeten Haushalt ab Februar kein Geld mehr für mehrere Pankower Kultureinrichtungen zur Verfügung stellen, vorwiegend betroffen ist das Kulturareal. Ohne Geld ist auch die dem Bezirk unterstellte Leitung des kommunalen Theaters unterm Dach gezwungen, geplante Vorstellungen abzusagen.

Um trotzdem zu spielen, haben sich deshalb nun Schauspieler zusammengeschlossen, sie werden den Raum vom Bezirk mieten, bezahlt werden 30 Prozent der Einnahmen. Der einzig gangbare Weg, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, begründet die Schauspielerin Iris Boss die Aktion, die sie mitinitiierte. „Das Ganze ist natürlich auch beschämend für die Verwaltung, und das wollen wir auch zeigen.“

 

Kurze Unterbrechung könnte das Aus bedeuten

 

Am 2. Februar geht es los mit dem Notprogramm, als erstes steht Faust auf dem Plan. Schauspieler müssen mit erheblichen Einbußen rechnen. Je mehr auf der Bühne stehen, desto weniger Gewinn – die 70 Prozent der Einnahmen werden unter allen aufgeteilt. Da laut Iris Boss auch nicht angedacht ist, die Eintrittspreise zu erhöhen, stellt sich nun die Frage, wie lange die Schauspieler sich aus Protestlust und Idealismus für eine Aufwandsentschädigung auf die Bühne schleppen.

Das weiß auch Iris Boss, die genau wie die meisten anderen Künstler aber noch mehr Angst vor einem Spielstopp hat. Denn eine kurze Unterbrechung könnte das endgültige Aus bedeuten. „Wenn Sie in einer Stadt wie Berlin kurz Pause machen, werden Sie schnell vergessen. Dann ist man für immer weg vom Fenster.“

 

Für Kürzungen den Mittelfinger

 

Die Angst geht also um unter den Künstlern im Kiez und ganz Pankow. Deswegen soll jetzt auch mittels einer Petition der Bezirk dazu gedrängt werden, die Kürzungen im Kulturbereich zurückzunehmen. Online wurden von Mittwoch bis Sonntag mehr als drei Tausend Unterschriften gesammelt, in der dagegen protestiert wird, „die kommunale Kultur Pankows zu zerstören“. Die Pläne glichen einem „Todesurteil für die kulturellen Angebote des Bezirks“. Gefordert wird, „dieses Notprogramm unverzüglich zurückzunehmen und die Mittel für die Aufrechterhaltung des geplanten und in Veranstaltungskalendern bereits angekündigten Angebots umgehend zur Verfügung zu stellen, damit die kommunalen Einrichtungen weiterhin arbeitsfähig bleiben.“

In welche Richtung der Protest gehen, das heißt, mit welcher Intensität er geführt werden soll, ist indes noch nicht klar. „Sicher gibt es einige Künstler, die sich zur Not auch ans Theater anketten würden“, räumt Iris Boss ein, eine Zielformulierung sei dies allerdings nicht. „Jetzt geht es erst einmal darum, möglichst viele Unterstützer zu finden.“ Auch eine eigene Facebookgruppe wurde inzwischen gegründet – als Symbolbild ein kleiner Junge, der als Zeichen der Unlust den Mittelfinger ausstreckt.

 

 

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