Wem gehört die Straße?

von Kristina Auer 20. Oktober 2016

UPDATE: In der Anton-Saefkow-Straße werden alle Neuerungen wieder rückgängig gemacht. Heißt: Schrägparken wird wieder erlaubt, mit dem Fahrrad in Gegenrichtung Fahren nicht. Dafür soll bald ein richtiger Radweg entstehen.

UPDATE vom 20. März 2017:

Die Pankower Bezirksverordneten haben beschlossen, die Änderung der Parkordnung in der Anton-Saefkow-Straße wieder rückgängig zu machen. Außerdem wird auch die Freigabe der schmalen Einbahnstraße für Fahrräder in Gegenrichtung wieder aufgehoben.

Die Verkehrslage in der Anton-Saefkow-Straße sei in drei Sitzungen des Verkehrsausschuss ausführlich besprochen worden. Ursprünglich hatte die SPD-Fraktion einen Antrag gestellt, die Parkordnung auf rückwärtiges Schrägparken zu ändern, um die Sichtbeziehungen zwischen Autofahrern und entgegenkommenden Radfahrern zu verbessern. Diese Idee wurde nun verworfen. Der Grund: Im vor kurzem verabschiedeten „Vertiefungskonzept Grüne Stadt“ wird die Aufwertung des Anton-Saefkow-Parks und die Verbesserung des Radwegenetzes zwischen Greifswalder und Kniprodestraße empfohlen. Der neue Radweg auf dem Grünstreifen nördlich der Anton-Saefkow-Straße soll jetzt in den „Maßnahmenkatalog im Rahmen des Programmes Stadtumbau Ost“ aufgenommen werden, so der neue Antrag.

 

ARTIKEL vom 20. Oktober 2016:

Es klingt nach dem alten Kampf, Auto- gegen Fahrradfahrer: Die Anton-Saefkow-Straße südlich des S-Bahnhofs Greifswalder Straße ist ein schmales Sträßchen, das auf einer Seite von Wohnhäusern gezäunt ist. Auf der anderen Seite der Einbahnstraße verläuft ein mehr als dreimal so breiter Grünstreifen mit einem separaten Fußweg unter Bäumen. Auf diesem Grünstreifen durfte und darf geparkt werden, und zwar bisher immer quer. Der viele Platz abseits der Fahrbahn ergab eine recht komfortable Parksituation für die motorisierten Anwohner der Anton-Saefkow-Straße. Es habe praktisch immer freie Parkplätze gegeben, so heißt es.

 

Parkplatzglück, adé

 

Seit einigen Wochen ist es mit dem Parkplatzglück jedoch vorbei: Die Straße wurde bereits im Sommer für den Radverkehr in beide Richtungen freigegeben. Seit Anfang Oktober wurde die Parkordnung geändert: Statt quer darf jetzt nur noch längs zur Fahrbahn geparkt werden. „Aus Sicherheitsgründen,“ sagt Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). Autos, die quer aus einer Einbahnstraße ausparkten seien für entgegenkommende Radfahrer eine Gefahr, weil kein Platz zum ausweichen sei. „Es war sogar im Gespräch, die Parkflächen dort ganz zu streichen, weil auch das Ein- und Ausparken längs zur Fahrbahn in so einer schmalen Straße ein Risiko ist“, sagt Kirchner. „Dass weiterhin geparkt werden darf, ist ein Kompromiss.“

Flyer an der Scheibe eines brav längs parkenden Autos.

 

Die autofahrenden Bewohner der Anton-Saefkow-Straße sind empört, weil es durch die Änderung weniger Parkplätze gibt. Sie wehren sich gegen die neue Parkregelung, und zwar  – wie man es dieser Tage eben so macht – mit einer Online-Petition. „Viele von uns sind auf die Nutzung eines eigenen Autos angewiesen“, heißt es darin. „Der Verlust von 120 Stellplätzen in unserem Viertel stellt deshalb viele von uns vor unlösbare Probleme.“ Um die 350 Personen haben die Petition in den letzten zehn Tagen unterschrieben.

 

Kreuz und quer

 

Gunter Sebald, der Initiator der Petition, hält die neue Regelung für sinnlos. „Die Straße war nie ein Unfallschwerpunkt, auch nicht seit Räder dort in beide Richtungen fahren dürfen“, sagt er. „Das einzige Unfallrisiko kommt daher, dass Motorroller, Taxis oder sogar Transporter jetzt manchmal auch in die andere Richtung fahren.“ Auf die Frage, warum er eigentlich unbedingt ein Auto brauche, muss er lachen. Das sei eben unerlässlich als Familienvater, um in den Urlaub zu fahren, zum Einkaufen, die Kinder zum Sport und ähnliches. Das klingt eher nach einem Komfort, auf den er nicht verzichten will als nach Notwendigkeit. Aber Sebald stört auch, das ihn niemand über die Änderung informiert hat. „Wenn man es uns erklärt hätte, hätten wir es vielleicht verstanden“, sagt er. „Stattdessen fehlte von einem Tag auf den anderen das kleine Zusatzschild und alle, die das nicht bemerkt und wie gewohnt geparkt haben, kriegten sofort ein Knöllchen“. Am Straßenrand wird dieser Unmut sichtbar: Im Wechsel zwischen Gehorsamen und Protestparkern stehen die Autos dort jetzt nämlich kreuz und quer auf dem Grünstreifen.

So ganz kann man sich noch nicht einigen, wie geparkt werden soll.

 

Bei einer behördlichen Anordnung zur Straßenverkehrsordnung würden die Bürger in der Regel nicht vorab informiert, sagt Stadtrat Kirchner. Auch die Petition hat aus seiner Sicht keine Berechtigung: „Das ist öffentliches Straßenland, nicht Privatgrund der Anwohner. Das entzieht sich der Bürgerbeteiligung.“ Es könne höchstens bei der Straßenverkehrsbehörde Widerspruch gegen die Anordnung eingelegt werden.

Fest steht jedenfalls, dass die Fahrradfahrer durch das Längsparken auf der Anton-Saefkow-Straß nicht mehr Platz gewinnen, weil die Parkflächen sich eben nicht auf der Straße sondern dem daneben liegenden Grünstreifen befinden. Egal wie geparkt wird, ist es für Autos und entgegenkommende Fahrräder schwer, dort aneinander vorbeizukommen. Also bleibt der durch das Längsparken gewonnene Platz ungenutzt. Auf diesem könnte stattdessen ein eigener Fahrradweg in beide Richtungen gebaut werden. Dann gäbe es für Radfahrer keine Gefahr mehr, weder durch Ein- und Ausparken noch durch die enge Fahrbahn. Man kann sich vorstellen, dass es für diese Alternative beim sparenden Bezirk keine Mittel gibt. Die jetzige Regelung wirkt eher wie eine semi-erfolgreiche Notlösung statt wie ein zukunftsweisendes Verkehrskonzept.

 

Fotos: ka

 

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