Mietpreisbremse auf glatter Straße

von Thomas Trappe 3. Juni 2015

Der Praxistest in Prenzlauer Berg zeigt: Die Mietpreisbremse ist erstmal nur ein schwaches Instrument. Mieter werden stärker in die Pflicht genommen, und die Preise liegen fast immer über dem Limit.

Darum geht’s

• Durch die Mietpreisbremse vermitteln viele Makler keine Mietwohnungen mehr

• Andere tun das, verlangen aber weiterhin Courtage vom Mieter

• Der Mietpreisspiegel wird in Prenzlauer Berg bei Neuvermietungen meist weit überschritten

• Bessere Wohnlagen sind durch die Mietpreisbremse besser geschützt als schlechtere

 

Ein Anruf beim Immobilienmakler am 1. Juni des Jahres 2015 ist ungefähr so sensibel wie Karl Dall. Makler und ihre Mitarbeiter waren vorgestern ja meist noch damit beschäftigt, die 2000-Euro-Hammersätze aus den Exposés ihrer Mietangebote herauszustreichen, jene, in denen vermerkt ist, dass Mieter nach Vermittlung einer Wohnung zwei Kaltmieten plus Mehrwertsteuer abdrücken müssen. Seit Montag ist der Satz in Berlin Asche, wegen der sogenannten Mietpreisbremse, die in Ballungsräumen nicht nur die Miete beschränken soll, sondern auch das aus Sicht vieler Mieter leistungslose Grundeinkommen von Maklern. Das vom Bundesjustizministerium auf den Weg gebrachte Gesetz ist nun seit zwei Tagen gültig, und Berlin wendet es als Land auch an. Ist Berlin Vorreiter, gilt der Anfangsverdacht der Murkserei: Grund genug für einen Mietbremsen-Test in Prenzlauer Berg, einem Stadtteil, der immer wieder als Paradebeispiel diente, ging es um die legislative Begründung für das Gesetz. Um ein Testergebnis vorwegzunehmen: Euphorie ist nicht.

Zwei Dinge soll die Mietpreisbremse verhindern. Erstens, dass bei Neuvermietungen zehn Prozent mehr verlangt wird als die ortsübliche Vergleichsmiete. Zweitens, dass Mieter für eine Leistung bezahlen, die sie nicht bestellt haben. Das jetzt gültige Bestellerprinzip bei Mietverträgen besagt, dass die  Provision der aufbringt, der den Makler beauftragt, in der Regel also der Vermieter. Ausgenommen von den Regelungen sind Kaufgeschäfte – hier gilt weiterhin, dass der Makler vom Käufer bis zu sieben Prozent Provision einbehält. Auch Neubauten sind von der Mietpreisbremse ausgenommen, und Wohnungen, die umfassend modernisiert werden, also mit mindestens einem Drittel der Investition, die für eine vergleichbare Neubauwohnung fällig würde. 

So weit zu dem, was im Gesetz steht. Und damit nach Prenzlauer Berg, wo es sich bewähren soll.

 

Provision wird weiter von Mietern verlangt

 

Anruf beim Immobilienmakler Lutz Herbert in der Lychener Straße. Auf der Internetseite seines Büros „Herbert & Kohlmeyer“ werden am Montag gar keine Wohnungen zur Miete mehr angeboten, und er sagt, dass sich sich daran auch nichts mehr ändern wird. Grund sei die Mietpreisbremse. „Wir akquirieren keine Mietwohnungen mehr“, sagt Herbert und fragt sich, „warum ich umsonst arbeiten soll?“ Unglücklich sei er nicht über die Mietpreisbremse, was auch daran liegen kann, dass sein Büro seit jeher aufs Kaufgeschäft fokussiert ist, also von der Mietpreisbremse kaum betroffen. „Das Mietgeschäft lief immer so nebenher“, sagt Herbert, und jetzt werde es eben ganz eingestellt. Für andere Makler könnte es durchaus eng werden, so Herberts Einschätzung, nämlich jene, „für die tausend Euro mehr oder weniger existenzentscheidend sind“ und die sich aufs berüchtigte Türöffner-Maklern konzentrieren. „Es werden ein paar vom Markt verschwinden, aber die, die ihrem Job gut machen, werden auch weiter bestehen.“ Ein paar Büros weiter wird eine andere Maklerin konkreter. 

„Jeder fünfte“ Kollege wird wohl bald kein Kollege mehr sein, schätzt Karin Scheunemann, Geschäftsführerin der „Rühlemann Vermögensverwaltung & Liegenschaften“ (RVL) in der Hufelandstraße. „Das ist auch nicht schlecht“, sagt sie und begründet das ebenso wie Lutz Herbert. RVL bietet immer noch Mietwohnungen an, allerdings nur, wenn Vermieter die Courtage zahlen. Die anderen freien Wohnungen werden zwar vorgehalten, aber nicht offen angeboten, so Scheunemann. Wohnungssuchende müssen, um diese angeboten zu bekommen, einen Suchauftrag abgeben, also den Makler bestellen und dann auch bei Abschluss eines Mietvertrags zahlen. Für Scheunemann ändert sich damit wenig. Sollten andere Makler ähnlich vorgehen, könnte die Wohnungssuche damit etwas aufwändiger werden, da Mieter in einzelnen Maklerbüros vorsprechen müssten, um alle verfügbaren Immobilien zu überblicken. Wohnungen, bei denen der Mieter die Provision zahlt, wird es in Prenzlauer Berg also weiterhin geben – allerdings nicht aufgelistet im Internet. Dies würde nämlich das Bestellerprinzip und damit ihr Geschäft unterlaufen, so Karin Scheunemann.

 

Limit wird fast immer gerissen

 

Geht es nun um die Beschränkungen bei den Mietpreisen, gibt sich Karin Scheunemann ebenfalls beruhigt. „Die Wohnungen, die ich betreue, lagen größtenteils sowieso schon immer über dem Mietspiegel“, sagt sie. Gemeint ist, dass Vermieter auch mit Mietpreisbremse nicht verpflichtet werden können, ihre Wohnungen für weniger Geld zu vermieten als sie vom Vormieter verlangt haben. Und das ist offenbar äußerst relevant für Prenzlauer Berg: Denn der hier vom Land festgesetzte Mietspiegel ist anscheinend weit niedriger als die schon seit Jahren üblichen Mieten bei Neuverträgen – nicht zuletzt könnte das an einem hohen Anteil billiger und lange bestehender Altverträge liegen, die bei der Berechnung des Durchschnittswert berücksichtigt wurden.

Den Mietpreisspiegel hat das Land Berlin kürzlich veröffentlicht, hier sind die einzelnen Kieze der Stadt aufgelistet, unterteilt in einfache, mittlere und gute Wohnlagen. Je besser der Status, desto höher die festgesetzte Durchschnittsmiete. Weite Teile Prenzlauer Bergs sind in die mittlere Kategorie eingeordnet, das Gebiet östlich des Thälmannparks und das Gleimviertel gelten als einfache Wohngegenden. Rot markiert, also gut und teuer, ist der Kollwitzkiez. Bei der Ermittlung der Vergleichsmieten werden außerdem Wohnungsgröße und Baujahr berücksichtigt. Vergleicht man also nun diesen Prenzlauer Mietspiegel mit dem, was derzeit an realen Mieten bei Neuverträgen verlangt wird – dann wirkt die Mietpreisbremse eher wie eine fixe Idee.

 

Große Unsicherheiten bei Zweiraumwohnungen

 

Konkret: 250 Wohnungen wurden am Montag bei Immobilienscout im Stadtteil Prenzlauer Berg angeboten. Mindestens 26 davon fallen nicht unter die Mietpreisbremse, weil sie gerade fertiggestellt wurden oder noch gebaut werden. Schaut man nun, welche Miete in den besten Wohngegenden in den besten Wohungen laut Berliner Mietspiegel verlangt werden dürfte und gleicht das ab mit den Mieten, die real verlangt werden dürfen, dann zeigt sich, dass es mit den offiziellen Vorgaben nicht weit her ist. 87 Angebote für Wohnungen zwischen 60 und 90 Quadratmeter gibt es aktuell bei Immobilienscout, nicht einmal die Hälfte von ihnen liegen unter dem im Mietspiegel festgelegten Maximum von 854 Euro Kaltmiete für 60 Quadratmeter. Ähnlich sieht es bei den Wohnungen zwischen 40 und 60 Quadratmeter aus. 51 Angebote gibt es, nur 28 davon kosten weniger als die 569 Euro kalt, die für 60 Quadratmeter maximal verlangt werden dürften.

Auffällig ist, dass die angebenen Maximalwerte offenbar einer ganz eigenen Logik folgen: So sind die im Mietspiegel angebenen Maximalwerte bei den Häusern, die nach 2003 gebaut wurden, in den als gut klassifizierten Wohngegenden niedriger als in den mittleren Wohngegenden. Besonders gravierend macht sich das bei den Wohnungen mit 40 bis 60 Quadratmetern bemerkbar. Hier dürfen bei mittleren Wohnlagen etwa elf Euro pro Quadratmeter/kalt verlangt werden, in den besseren hingegen nur 9,50 Euro. Das heißt faktisch, dass in Prenzlauer Berg Neumieter von Zweiraumwohnungen in den besseren Kiezen besser durch die Mietpreisbremse geschützt werden als jene der etwas schlechteren.

Der Grund findet sich in der Berliner Übersicht zur Mietpreisbremse, im Kleingedruckten. Demnach beruht der hohe Mietwert bei den mittelklassigen kleineren Wohnungen neueren Baujahrs nur auf einem Dutzend erhobenen Daten. 10 bis 14 Mietwerte, ist vermerkt, sind für die Ermittlung dieses Wertes maßgeblich, das ist ungefähr ein Wert pro Berliner Bezirk – offenbar sind dabei relativ hohe Bestandsmieten von der Senatsverwaltung in die Berechnung aufgenommen worden. Und auch bei den hochklassigen 40- bis 60-Quadratmeter-Wohnungen neueren Baujahrs sind laut Vermerk nur zwischen 15 und 30 Werte erhoben worden. 

Anders gesagt: Die Mietpreisbremse hat in dieser Kategorie fast keine Grundlage. Günstige Mieten bleiben damit in Prenzlauer Berg Glückssache. Und alles andere als berechenbar.

 

Sie wollen wissen, wie hoch der Mietspiegel in Ihrer Straße ist? Eine Auflistung aller Berliner Adressen, die von der Mietpreisbremse erfasst sind, findet sich hier. Eine Übersichtskarte mit den verschiedenen Kiezen und ihre Mietkategorien ist hier abrufbar. Und hier sehen Sie, wie hoch die Durchschnittsmieten in diesem Kategorien sind, unterteilt nach Wohungsgrößen und Baujahr. Mehr als zehn Prozent darüber dürfen neue Mieten – eigentlich – nicht liegen. 

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar