Protestierende Pankower Rentner halten die Kommunalpolitik auf Trab. Ganz nett anzusehen. Die Arbeit für andere Senioren, zum Beispiel in Prenzlauer Berg, bleibt dabei aber auf der Strecke.
Die seit Wochen von Rentnern besetzte Senioren-Begegnungsstätte in der Stillen Straße wird aufgrund eines Vormieters mit schlechtem Image gerne auch mal Mielke-Villa genannt. Man musste das bei der jüngsten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in der Fröbelstraße nicht wissen, um im prall gefüllten Saal den Gedanken zu hegen, etwas leicht Stalinistisches liege in der Luft. Zu naheliegend war diese Vermutung bei all dem Geschreie, Niederbrüllen und dem geschwenkten Rot-Front-mäßigem Fahnenwerk. Es war die meiste Zeit enervierend, und jetzt ist auch gut. Denn der Bezirk kann es sich nicht leisten, weiter einen Großteil seiner politischen Kraft darauf zu konzentrieren, Rentnern, die partout nicht einsehen wollen, dass auch sie von Sparbemühungen betroffen sind, zu erklären, dass ihre Freizeitangebote nicht mehr am alten Platze, sondern woanders stattfinden müssen. Schließlich gibt es im Bezirk auch andere Rentner, um die sich gekümmert werden muss. Zum Beispiel jene in Prenzlauer Berg, die laut Kommunalpolitikern zunehmend von Vereinsamung betroffen sind.
Den Rentnern in der Stillen Straße ist es gelungen, ihrem artikuliertem Partikularinteresse ein großes Echo zu verleihen. Medien aus der ganzen Welt berichteten, meist bewundernd, von den Wutrentnern. 12.000 Unterschriften für den Weiterbetrieb der Stillen Straße wurden gesammelt. Und es war ja auch ganz witzig anzusehen, wie der mit rotem Irokesenschnitt versehene Piraten-Verordnete Jan Schrecker in der BVV an die Besetzungs-Rentner appellierte, ihren Weg zurück aus der Illegalität zu suchen. Aber hinter den zunehmend genervten Gesichtern mancher Kommunalpolitiker wirkt der Gedanke, den die Grünen-Abgeordnete Daniela Billig dann unter lauten Buh-Rufen des Publikums auch aussprach. „Wir müssen uns auch irgendwann mal wieder um andere Sachen kümmern können“, sagte das Mitglied des Seniorenausschusses der BVV.
Solidarität für die Alten in Prenzlauer Berg
Zu reden wäre zum Beispiel mal über die Idee, die in einem Antrag des Ausschusses schon im März 2011 formuliert wurde und die vielen im Seniorenausschuss sehr am Herzen liegt: Einen Freiwilligen-Besuchsdienst für ältere Menschen, „vor allem in den innerstädtischen Bereichen des Bezirks“, zuvorderst Prenzlauer Berg, auf den Weg zu bringen. Da sich hier in den vergangenen 20 Jahren die Struktur der Bevölkerung massiv verändert hat, gebe es kaum noch nachbarschaftliche Beziehungen zwischen den Älteren. Anders als in Gegenden im Norden des Bezirks Pankow. Hier kennt man sich großteils seit Jahrzehnten – und hilft sich. Und das kann man natürlich auch außerhalb der Seniorenstätte Stille Straße.
Niemand will den Rentnern in Pankow ihre Freizeitangebote nehmen. Nur das Recht, diesen in einem baufälligem und nicht barrierefreiem Nostalgie-Haus nachzugehen. Die Hausbesetzer in der Stillen Straße haben jetzt oft genug nach Solidarität geschrien. Jetzt wird es Zeit, sie auch mal umzusetzen. Die Alten in Prenzlauer Berg würde es freuen.
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