Mit der Parkraumbewirtschaftung lässt sich Geld verdienen. Davon wollen sowohl Bezirk als auch Land profitieren. Das System, nach dem sie die Gewinne derzeit aufteilen, ist unnötig kompliziert. Die finanzielle Seite der Parkzonen wird so verschleiert.
Die Parkraumbewirtschaftung ist ein Mittel der Verkehrslenkung. Sie sorgt dafür, dass weniger Besucher ihre Autos in den Kiezen parken, sodass die Chancen der Anwohner auf einen Stellplatz steigen. Sie dient nicht dazu, den Bezirkshaushalt zu sanieren. So lautet das Mantra, welches Pankows Bezirkspolitiker zu wiederholen nie versäumen, wenn es um das Thema Parken in Prenzlauer Berg geht.
Einerseits haben die Politiker damit Recht (mehr zur planerischen Idee hinter der Parkraumbewirtschaftung gibt es in unserem Interview mit dem Verkehrsplaner Thomas Richter). Andererseits erscheint es durchaus legitim, auch nach den finanziellen Aspekten der Parkzonen zu fragen. Jeden Tag werfen Menschen ihr Kleingeld in die Parkscheinautomaten oder bezahlen ihre Knöllchen. Gleichzeitig sind 150 Mitarbeiter des Ordnungsamtes unterwegs, um Falschparker zu kontrollieren. Kostet das den Bezirk zusätzlich, oder bringt es Geld ein?
Bezirkshaushaltswirtschaft: Fast noch komplizierter, als gedacht.
Die Antwort auf diese Frage zu finden ist gar nicht so einfach. Denn die Einnahmen und Ausgaben werden nicht nur an verschiedenen Stellen im Haushalt verbucht, es werden auch noch Summen zwischen diesen Posten hin- und hergeschoben. Sollen hier etwa enorme Verluste oder gar Gewinne in den Zeilen eines riesigen Zahlenwerkes versteckt werden?
Versuchen wir mal, die Dinge zu entwirren. (Eine Infografik mit den wichtigsten Zahlen gibt es auch hier.)
Zum einen gibt es den Wirtschaftsplan Parkraumbewirtschaftung – eine Art Mini-Haushalt nur für den Bereich Parken. Hier werden die Einnahmen aus den Parkscheinautomaten und dem Handyparken sowie die Ausgaben für die Kontrolleure, deren Ausstattung und den Unterhalt der Automaten berücksichtigt. Hinzu kommen die Kosten für die Einführung neuer Parkzonen sowie für die Nutzung bezirklicher Infrastruktur, die sich der Bezirk selbst in Rechnung stellt.
Für 2013 wurden hier 9,04 Millionen Euro an Kosten verbucht, denen 4,43 Millionen Euro an Einnahmen gegenüberstehen. Damit hätte der Bezirk 4,61 Millionen Euro Miese gemacht – was nicht sein darf, denn der Wirtschaftsplan muss per Definition ausgeglichen sein.
Um dieses Dilemma zu lösen, wird aus dem eigentlichen Haushalt ein sogenannter Defizitausgleich bereitgestellt. Im vergangenen Jahr waren das 5,4 Millionen Euro, die im Wirtschaftsplan Parkraumbewirtschaftung als Einnahme auftauchen. Im Haushalt wird dieser Ausgleich als Ausgabe verbucht.
Unterm Strich rechnet es sich
Würde die Geschichte hier enden, wäre die Parkraumbewirtschaftung ein großes Verlustgeschäft. Doch eine wesentliche Einnahmequelle ist bislang unberücksichtigt gebieten, nämlich die Buß- und Verwarngelder, Anwohnervignetten und Ausnahmegenehmigungen. Diese werden im Bezirkshaushalt verrechnet, ebenso wie die Ausgaben für das Bezirksamtspersonal, das für die Ausstellung der Vignetten zuständig ist, und für Studien. Sie werden zum Beispiel in Auftrag gegeben, um die Einführung weiterer Parkzonen zu prüfen. Aktuell läuft eine solche Untersuchung in der Carl-Legien-Siedlung.
Dabei kam man 2013 auf Kosten von gut 260.000 Euro und auf Einnahmen von 7,2 Millionen Euro. In diesen enthalten sind auch die im Wirtschaftsplan als Ausgaben gelisteten Kosten für die Nutzung der Infrastruktur, die sich im vergangenen Jahr auf 1,28 Millionen Euro beliefen. Dieses Geld ist also von der rechten in die linke Tasche des Bezirks gewandert.
Wie gesagt, es ist kompliziert.
Wenn man all diese Zahlen aus dem Wirtschaftsplan und dem Haushalt verrechnet, kommt man für 2013 unterm Strich auf ein Plus von 2,33 Millionen Euro – und das in einem Jahr, in dem 1,5 Millionen Euro zusätzlich in die Ausweisung neuer Parkzonen investiert wurden. Eine Hochrechnung der bis Juli erzielten Einnahmen lässt in diesem Jahr sogar auf einen Überschuss von etwa 4 Millionen Euro schließen. Theoretisch. Denn praktisch bleibt nicht alles eingenommene Geld beim Bezirk. Auch das Land möchte von dieser zusätzlichen Einnahmequelle profitieren. Umgesetzt wird das über die Einnahmevorgabe.
Wie planbar ist Falschparken?
Hinter dieser verbirgt sich eine Schätzung der Einnahmen, die der Bezirk im kommenden Jahr aus Bußgeldern akquirieren wird. Berechnet wird sie auf Basis der Werte aus dem Vorjahr für das kommende Haushaltsjahr. Für 2014 liegt diese Einnahmevorgabe bei fast 7,5 Millionen Euro, da sich das Geschäft mit den Knöllchen in der Vergangenheit als sehr einträglich erwiesen hat.
Dieses Geld ist im Haushalt auf der Einnahmeseite verbucht. Das Land Berlin, das Pankow jährlich sein Haushaltsgeld zuweist, geht also davon aus, dass der Bezirk diesen Betrag selbst erwirtschaftet und er daher nicht zusätzlich überwiesen werden muss. Vergleichen kann man das vielleicht mit einem Jugendlichen, der einen Nebenjob annimmt, waraufhin ihm seine finanziell klammen Eltern nicht mehr so viel Taschengeld zahlen müssen.
Es gibt nur ein Problem: Man kann schwer planen, wie viele Menschen innerhalb eines Jahres falsch parken und daher Knöllchen kassieren werden.
Wenn es mehr sind, als erwartet, darf der Bezirk den Überschuss behalten und anderweitig ausgeben. Bleiben die Einnahmen jedoch hinter den Erwartungen zurück, muss er das Defizit selbst aus anderen Bereichen ausgleichen. Bei der Einnahmevorgabe für das kommende Jahr wird diese Veränderung jeweils berücksichtigt.
Parkschein-Lösen für den Bezirkshaushalt
Diese Regelung wäre Pankow nun fast zum Verhängnis geworden. Denn seit einer Änderung im Bußgeldkatalog im April 2013 kosten Knöllchen nun 10 statt 5 Euro. Die Einnahmen aus den Bußgeldern sind daraufhin aber nicht etwa gestiegen, sondern eingebrochen, weil die Autofahrer nun lieber gleich einen Parkschein zogen. Infolge dessen stiegen die Erlöse aus den Automaten. Damit konnte der Bezirk das Defizit dann ausgleichen.
Auf lange Sicht dürfte sich diese Entwicklung für den Bezirk lohnen. Schließlich sind es die Einnahmen aus den Automaten, die er vollständig behalten darf, während sich das Land von den Bußgeldern ein großes Stück für seinen eigenen Haushalt abschneidet. Wenn dieses in Zukunft weiter schrumpft, kann sich an der Regelung zwar noch einmal etwas ändern. Derzeit sei das aber nicht geplant, heißt es aus der Senatsverwaltung für Finanzen.
Torsten Kühne (CDU), Pankows Ordnungsstadtrat, kommt daher zu dem Schluss: „Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass sich die Parkraumbewirtschaftung in Pankow für das Land sehr deutlich rechnet, und derzeitig auch für den Bezirk.“ Ähnlich sieht das auch Wolfram Kempe (Linke), Vorsitzender des Pankower Verkehrsausschusses. „Wirklich wichtig ist aber, dass das System funktioniert und man nicht mehr stundenlang nach einem Parkplatz suchen muss“, meint er.
Die einen nennen es kompliziert, die anderen transparent
Bleibt nur ein Frage: Warum ist das so kompliziert? Stadtrat Kühne nennt die Zweiteilung der Finanzen „historisch bedingt“, erklären kann er sie aber nicht und verweist an die Senatsverwaltung für Finanzen.
Dort argumentiert man, wie nur eine Verwaltung argumentieren kann: „Das ist in Artikel VIII des Ordnungsämter-Errichtungsgesetzes vom 01.09.2004 vom Gesetzgeber so festgelegt“, sagt Sprecher Jens Metzger.
Auf weitere Nachfrage lässt sich dann aber doch noch ein Grund indentifizieren, wie der extra Wirtschaftsplan für die Parkraumbewirtschaftung in das Gesetz kam, mit dem die Verantwortung für parkende Autos von der Polizei auf die Ordnungsämter übertragen wurde: Man habe für mehr Transparenz sorgen wollen, heißt es.
Hier gibt es alle Kosten und Einnahmen übersichtlich als Infografik.
Und hier erklärt ein Verkehrsplaner, warum Parkzonen aus seiner Sicht sehr viel Sinn machen.
Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über den Pankower Bezirkshaushalt, die mit einer Förderung der Rudolf Augstein Stiftung ermöglicht wurde.