Pankows Politiker haben wieder getagt. Ganz oben auf der Tagesordnung: Flüchtlinge. Vor allem ging es um Unterkünfte, fast gar nicht um Ehrenamtliche. Der Abend in den wichtigsten Zitaten.
Waren Sie schon mal auf einer Sitzung der BVV? Was? Von der Bezirksverordnetenversammlung, quasi dem Parlament von Pankow, auch wenn es sich nicht so nennen darf. Etwa alle sechs Wochen wird getagt und debattiert – anhand von Anträgen, Beschlussempfehlungen und mündlichen Anfragen.
Ganze 15 Drucksachen drehten sich am Mittwochabend im BVV-Saal um jene Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind und in Pankow Obdach gefunden haben. Eine Zahl, die es getrost zulässt, Flüchtlinge als Topthema unserer Politiker zu bezeichnen.
Doch es ging fast ausschließlich um deren Unterbringung und um den Zoff zwischen Bezirk und Senat. Nur ein einziges Mal entspann sich eine Diskussion um die ehrenamtlichen Helfer. Und die entwickelte sich auch noch äußerst kurios.
Wir fassen den Abend mal anhand der wichtigsten Zitate zusammen.
Notunterkünfte
„Derzeit leben in unserem Bezirk rund 4000 Flüchtlingen in 15 Unterkünften.“ – Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD)
„Es besteht für das Bezirksamt keine Rechtsgrundlage, Privateigentum zu beschlagnahmen und die Unterbringung von Flüchtlingen zu garantieren.“ – Stadtrat für Stadtentwicklung Jens-Holger Kirchner (Grüne)
„Es gibt verschiedene Gebäude, die immer wieder im Gespräch sind, es gibt aber keine Gesamtübersicht. (…) Zwei konkrete Beispiele kann ich Ihnen nennen: das Seniorenwohnheim in Alt-Buch (mit 260 Plätzen). Außerdem das ehemalige Sportinternatsgebäude in der Conrad-Blenkle-Straße (mit 500 Plätzen). Und es gibt zwei private Bürodienstgebäude, wobei das eine 500 Plätze hätte und das andere 230. Der genaue Sachstand ist dem Bezirksamt hier leider nicht bekannt.“ – Bürgermeister Köhne
Warum Köhne nicht konkreter wird? „Das versaut die Preise.“
Mögliche Standorte für Modularbauten, Häusern in Leichtbauweise, auf einer Senatsliste
„Es geht nicht um zehn Standorte in Pankow, sondern um elf. (…) Hier haben wir mindestens ein Jahr Verzug. Denn jede modulare Unterkunft mit 450 bis 500 Plätzen sind zwei bis drei Sporthallen weniger. (…) Es geht nicht darum, Sammelunterkünfte zu schaffen, so wie wir das jetzt möglicherweise mit Containersiedlungen haben, sondern das sind Wohnungen.“ – Bürgermeister Köhne
Hintergrund: Die meisten der möglichen Standorte für die neuen Flüchtlingsunterkünfte sind in Buch, im Gespräch ist auch das Gelände Kniprodestraße/ Danziger Straße in Prenzlauer Berg. Am kommenden Dienstag trifft sich das Bezirksamt, um über die Standorte für modulare Gebäude zu sprechen.
Der Zoff zwischen Senat und Bezirk
„Ich bin auch irgendwann an dem Punkt, wo man nur noch fassungslos alle zwei Wochen die neue Situation zur Kenntnis nimmt.“ – Bürgermeister Köhne
„Es ist normalerweise so, dass man in den Wald hineinruft und es kommt zumindest ein Hall zurück. Ich habe immer das Gefühl hinter dem Wald ist eine ganz große Wüste, wo sich dann das Rufen irgendwo verliert.“ – Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) zu Anfragen an den Senat
Sport
„Die Sportvereine haben große Not. Ihnen laufen die Mitglieder davon. Teilweise sind sie existenziell bedroht. Sie brauchen Räume, wo sie ihre Geräte unterstellen können.“ – Schulstadträtin Zürn-Kasztantowicz
„Ich habe jetzt für mich und für uns im Bezirk die Entscheidung getroffen: Die Vereine und Schulen sollen mir bitte ihre Ideen schicken und wenn sie Räume haben, auch schicken, was es kostet. Und dann müssen wir gucken, dass wir das auf irgendeine Art und Weise innerhalb des Bezirks klären und dann über Basiskorrektur oder andere Tatbestände wieder zurückkriegen.“ – Schulstadträtin Zürn-Kasztantowicz
Ehrenamtliche
Kommen wir zum Höhepunkt der BVV: Eine Diskussion darüber, ob vor den Prenzlauer Berger Notunterkünften in Turnhallen Ladezonen eingerichtet werden und Ehrenamtliche kostenlos dort parken können. Denn die drei Hallen liegen in Parkzonen. Der einzige Moment an dem Abend übrigens, an dem ehrenamtliche Leistungen gewürdigt wurden.
Ein Dialog mit Symbolkraft. Es treten auf: Wolfram Kempe (Linke), Roland Schröder (SPD), Jan Schrecker (Piraten), Johannes Kraft (CDU), Stadtrat Torsten Kühne (CDU)
Kempe: „Es gibt ja Anträge, an die man sich dran setzt, sie formuliert und sich ärgert, dass man es überhaupt muss. Die Menschen, die ehrenamtlich in den Notunterkünften arbeiten, nehmen letzten Endes staatliche Aufgaben wahr. Sie sind der Ersatz, der Gott sei Dank vorhanden ist. Es ist klar, dass Essen und Geräte angeliefert werden müssen. Dass hier schnell gehandelt werden muss, das liegt auf der Hand. Noch vor Weihnachten.“
Schröder: „Ich habe große Sympathien für den Antrag. Dennoch ist an der einen oder anderen Stelle noch erheblicher Diskussionsbedarf. Deswegen beantrage ich die Überweisung in den Ausschuss.“
Schrecker: „Wir brauchen für das Problem schnell eine Lösung. Es tut dem keinen Abbruch, das jetzt zu beschließen und im Ausschuss noch einmal darüber zu reden. Die nächste BVV ist erst am 27. Januar.“
Kraft: „Herr Schrecker, ich glaube, das geht ja gar nicht. Erst etwas beschließen und dann anfangen, darüber nachzudenken. Ich wage mal den Versuch eines Kompromisses. Wir können den Antrag im Ausschuss diskutieren und das Bezirksamt hat hoffentlich verstanden, worum es uns geht. Es gibt doch genügend Möglichkeiten auf informellem Wege dafür zu sorgen, dass dort zum Beispiel keine Knöllchen verteilt werden. (Stimmengewirr im Saal) Das war jetzt ein bisschen schlecht formuliert. Wir brauchen eine Lösung, die auf Dauer funktioniert.“
Stadtrat Kühne: „Wir sind in der Tat auch schon tätig geworden. Mir waren jetzt zwei Unterkünfte mit dem Anliegen bekannt. Die Flüchtlingsunterkünfte werden gleichgestellt mit Gewerbeeinheiten und es gibt Ausnahmegenehmigen mit wechselnden Kennzeichen. Dort, wo an uns herangetreten wurde, ist eine Lösung gefunden worden.“
Gab es denn auch irgendwelche substanziellen Entscheidungen?
Nun ja. Hier eine Liste.
- Der Bezirk will mitreden bei der Auswahl von Standorten für den Neubau von Flüchtlingsunterkünften. Das Bezirksamt soll sich dafür einsetzen.
- Es soll einen festen Personalschlüssel für Sozialarbeiter geben, die sich in den Unterkünften um die Menschen kümmern und sie beraten. Letztlich entscheiden tut das aber nicht der Bezirk, sondern der Senat.
- Freies WLAN für Flüchtlinge in den Unterkünften: Viele Betreiber haben sich darum zwar schon gekümmert, der Bezirk will das jetzt aber auch tun.
- Auch in Pankow sollen bald Bundesfreiwillige für Flüchtlinge im Einsatz sein. Das hoffen Grüne und SPD und fordern das Bezirksamt auf, sich drum zu kümmern.
- Laut Stadträtin Christine Keil (Linke) ist das Kreiskulturhaus Weißensee nicht als Notunterkunft für Flüchtlinge geeignet: Es müsse für mindestens 4 Millionen Euro saniert werden.
- Ein heikles Thema ist die ärztliche Erstversorgung der Flüchtlinge in den Notunterkünften: Die Grünen wollen, dass der Bezirk in allen Notunterkünften Sprechzimmer einrichtet und Ärzte auf Honorarbasis beschäftigt, damit die Flüchtlinge vor Ort behandelt und geimpft werden können. Die Rechnung dafür soll an den Senat gehen. Ob der Antrag Sinn macht, darum soll sich nun der Sozialausschuss kümmern.
- Notunterkünfte in Sporthallen als allerletzte Alternative“: In dieser Drucksache betonen alle Politiker noch mal, dass sie alle dagegen sind, dass mehr Sporthallen als nötig für Flüchtlinge genutzt werden.
- Ein Brief vom Bezirksamt an alle Pankowerinnen und Pankower liegt zum Verschicken bereit. Darin geht es um die Solidarität mit den Flüchtlingen und eine Kontaktinformation für die Bezirksbewohner. „Es soll klar werden: Wir kümmern uns um die Menschen“, sagte die Grünen-Verordnete und Initiatorin Daniela Billig. Aber: Wie die Kosten dafür aufgebraucht werden sollen – rund 7000 Euro – ist noch unklar.
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